Bottrop. Rhenania Bottrop spielte in der ersten Saisonhälfte die Rolle des Klassenrabauken. Kantersiege, zwei bittere Pleiten und drakonische Konsequenzen

Das Blankenfeld war im vergangenen Jahr das emotionale Epizentrum des Bottroper Fußballs. Der SV Rhenania Bottrop produzierte Schlagzeilen am laufenden Band, lieferte Gesprächsstoff sowohl durch herausragende Leistungen, aber auch durch Reibereien und Skandälchen: Die massiven Transferaktivitäten, ein überraschender Trainerwechsel, turbulente Derbys und rotierende Toptorjäger: Bei den Blau-Weißen stellte sich nie Ruhe ein.

Éric Cantona war die vielleicht schillerndste Figur im Profifußball der 1990er Jahre. Ein begnadeter Fußballer mit ausgeprägtem Torriecher. Aber auch jemand, der sich mit allen um ihn herum stritt, zoffte und schlug. Cantona schwankte zwischen Genie und Wahnsinn. Er wurde zweimal französischer und fünfmal englischer Meister, kassierte wegen seiner zahlreichen Eskapaden aber nicht nur saftige Strafen, sondern verpasste dadurch auch den Weltmeister-Titel mit Frankreich 1998. Das „Enfant terrible“ wurde gehasst und vergöttert, ließ Gegner wie Pylone stehen, stolperte oft aber auch über die eigenen Beine.

Der SV Rhenania der ersten Saisonhälfte 2021/22 ist ein Cantona im Miniformat. Über weite Distanzen war die Mannschaft spielerisch die stärkste der Bezirksliga. Und das, obwohl das Team wenige Tage vor dem Saisonstart die erste Ohrfeige kassierte. Das 0:10 im Kreispokal bei Schwarz-Weiß Alstaden ließ aber nur kurz Zweifel an den hoch gesteckten Saisonzielen aufkommen.

Für Unruhe im Klub und bei den Nachbarn sorgte auch das Transfergebaren. Erst holte sich Rhenania Kevin Wenderdel vom SV Fortuna, wenig später lockte der Klub auch den Kapitän Thilo Grollmann ins Blankenfeld. Federn lassen musste auch der VfB Bottrop, der mit Samet Kanoglu einen seiner Leistungsträger an Rhenania verlor.

Rhenania Bottrop stürmt am ersten Spieltag an die Spitze

58 Tore durfte der SV Rhenania Bottrop in der Hinrunde der Bezirksliga bejubeln.
58 Tore durfte der SV Rhenania Bottrop in der Hinrunde der Bezirksliga bejubeln. © Felix Hoffmann

Die Blau-Weißen katapultierten sich gleich am ersten Spieltag durch ein 7:1 gegen BW Oberhausen an die Tabellenspitze. Sieben Tage später spielte das Team dann auch den VfB Bottrop an die Wand. Zu drei Punkten reichte es aber nicht, weil Rhenania beim 3:3 die Nerven und einen Zwei-Tore-Vorsprung verlor.

Es folgten beeindruckende Demonstrationen der Stärke. Zum Beispiel das 9:0 bei der DJK Vierlinden oder das 3:0 bei Arminia Klosterhardt II. Wild wurde es Mitte Oktober. SW Alstaden kam ins Blankenfeld. Und die Chancen auf eine Revanche für die 0:10-Pokalpleite schien schon nach wenigen Minuten aussichtslos. Alstaden ging früh in Führung und Rhenania kassierte direkt danach eine Rote Karte.

Der verbale Ausrutscher von Emre Kilic sollte den Klub noch viele Wochen beschäftigen. Trotz der Umstände lieferte Rhenania in Unterzahl das vielleicht spektakulärste Saisonspiel ab, ging nach 90 Minuten als 6:2-Sieger vom Platz. Drei weitere Punkte waren damit im Sack. Die Stimmung war dennoch im Keller, weil Emre Kilic für seinen Platzverweis eine Sperre von zwölf Spielen aufgebrummt bekam. Der Torjäger hatte bis zu diesem Zeitpunkt in sechs Spielen 13 Mal getroffen.

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Tore sollten in den kommenden Wochen nicht das Problem sein, denn Samet Kanoglu, der die ersten sechs Wochen wegen einer Sperre gefehlt hatte, füllte die Kilic-Lücke aus. Dennoch überschlugen sich in den kommenden Tagen die Ereignisse. Es folgte eine Punkteteilung vor mehr als 2000 Zuschauern im Spitzenspiel beim SC 20 Oberhausen. Das 1:1 gegen SuS 09 Dinslaken und das glückliche 3:3 gegen Hohenbudberg brachten das Trainerduo Marco Hoffmann und Sascha Wisniowski ins Wanken, das folgende 2:4 bei den Sportfreunden Königshardt zog schließlich die umgehende Trennung nach sich.

Kopfschütteln in ganz Bottrop nach der Trainerentlassung

Der SV Rhenania überrollte den FC Bottrop mit 13:0.
Der SV Rhenania überrollte den FC Bottrop mit 13:0. © Felix Hoffmann

Eine Entscheidung, die in ganz Bottrop und sogar in den eigenen Reihen für Kopfschütteln sorgte. Rhenania verpflichtete Stefan Lorenz als Nachfolger und das imposante 13:0 gegen den FC Bottrop hätte ein Befreiungsschlag sein können, hätte es im folgenden Derby beim SV Fortuna (1:2) nicht das Nachspiel mit Samet Kanoglu gegeben. Der Stürmer hatte - wie zuvor Kilic - in sechs Spielen 13 Treffer erzielt, sah dann aber wegen einer verbalen Entgleisung nach Schlusspfiff die Rote Karte. Rhenania trennte sich umgehend vom Torjäger.

Die Rhenanen gehen jetzt mit sieben Punkten Rückstand auf das punktgleiche Spitzenduo VfB Bottrop und SC 20 Oberhausen in die zweite Saisonhälfte. Die Blau-Weißen haben die Hoffnungen auf den Landesliga-Aufstieg noch nicht aufgegeben, wissen aber, dass ihnen am Ende der Saison eine andere Rolle zukommen könnte. Das hat damals auch Cantona akzeptiert. Der wollte nach seiner Laufbahn mal französischer Präsident werden. Heute ist er Schauspieler.

In der Rückrunde soll die Handschrift von Lorenz sichtbar werden

„Ich habe es nicht bereut, den Job angetreten zu sein“, sagt Stefan Lorenz. Der neue Trainer von Rhenania Bottrop ist trotz aller Nebengeräusche heiß auf die Rückrunde, die am 6. März gegen BW Oberhausen beginnt. Für die Zeit bis dahin hat der ehemalige Profi einen klaren Plan.

Am Dienstag bat Lorenz seine Fußballer zum ersten Training des Jahres auf den Kunstrasenplatz. Nicht mehr mit von der Partie waren Danny und Nico Große-Beck, die dem Verein den Rücken gekehrt haben. Mit Torhüter Kai Hanysek und Stürmer Pascal Pfeifer begrüßte er aber auch zwei neue Gesichter.

„Für uns geht es jetzt vor allem darum, die Unruhe der Hinrunde hinter uns zu lassen. Wir konzentrieren uns ganz darauf, wieder fit zu werden“, sagt Lorenz. In den ersten Wochen erwartet das Team Konditionsarbeit. Im Anschluss will Lorenz der Mannschaft auch spielerischen Schliff verleihen. Wenn es ab dem 6. März wieder um Punkte geht, soll dann auch die Handschrift des neuen Trainers erkennbar sein.

Fünf Testspiele bis zum ersten Pflichtspiel 2022

Das Testspielprogramm ist überschaubar. Erstmals im Einsatz ist das Team am 22. Januar beim Vogelheimer SV (16 Uhr). Es folgen Vergleiche mit Arminia Klosterhardt, DJK SF Katernberg 19, Adler Frintrop und SuS 21 Oberhausen. Lorenz hat auch eine trainingsfreie Woche vom 13. bis 20. Februar eingeplant. „Zur Regeneration“, wie er sagt. Im Anschluss will er sein Team an das volle Leistungsvermögen heran führen. Am 27. Februar steht nämlich schon das erste Pflichtspiel des Jahres auf dem Programm. Beim SV Blau-Weiß Fuhlenbrock geht es um den Einzug in die dritte Runde des Kreispokals.

Eine Woche später ist dann Rückrundenauftakt in der Bezirksliga. Die Rhenanen empfangen am 6. März BW Oberhausen im Blankenfeld, sieben Tage später geht es dann zum VfB Bottrop.

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