St. Leonhard. . Die deutsche Fußball-Nationalmannschaft braucht Spieler, die nicht nur am Ball stark sind – Spieler wie Schweinsteiger und Khedira. Doch beide sind noch nicht topfit. So muss Bundestrainer Löw auf das Comeback seiner Alpha-Tiere warten und hoffen.
Am Sonnenberg haben sie erst gedacht, bei diesem Tier, das gesichtet wurde, handle es sich um einen Wolf. Wolf, das wäre bedenklicher gewesen. Beim Wolf weiß man nicht, ob von ihm nicht doch eine Gefahr ausgeht für den Menschen. Es gilt jetzt aber schon als sicher, dass der Wolf ein Goldschakal war, unterwegs im Gemeindegebiet von Schlanders, nicht allzuweit entfernt von St. Leonhard, wo Deutschlands Nationalmannschaft im Luxushotel Andreus residiert und der Bundestrainer um die wenigen bangt, denen er bei den Großkampftagen der Weltmeisterschaft tatsächlich den nötigen Extrabiss zutraut.
Viele waren es nie. Viele sind es nicht. Beim aktuellen Ensemble von Bundestrainer Joachim Löw stellt sich sogar die Frage, ob überhaupt noch irgendein Akteur brasilianischen Rasen betreten wird, dem nach der Ära eines Frings, eines Ballack zugetraut wurde, sich in schwierigen Momenten aus der flachen Hierarchie heraus erheben zu können und nicht wie der Goldschakal eher scheues Fuchsverhalten an den Tag zu legen. Einerseits sorgt sich der Bundestrainer also darum, dass ihm wertvolle Fähigkeit und reichlich Erfahrung nicht zu Verfügung stehen könnte. 250 Länderspiele haben die angeschlagenen und noch nicht mit der Mannschaft trainierenden Bastian Schweinsteiger und Philipp Lahm und der am Montag in Südtirol eintreffende Sami Khedira immerhin in den Beinen. Andererseits wühlt in Löw eine andere, weitaus schwerer zu erfassende Sorge.
Lahm ist eher ein Repräsentant
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Dass die Nationalelf von seiner Hand in die Moderne geführt wurde, bedeutet ja nicht, dass dieser Bundestrainer die Unterschiede in den Charakteren unberücksichtigt lässt. Özil? Götze? Kroos? Reus? Fußballgold. Aber Löw war es, der die Tür zur EM 2012 für einen vom Leistungszenit weit entfernten Schweinsteiger öffnete. Und er war es auch, der sich nach der Diagnose Kreuzbandriss bei Khedira blitzartig von seinen Ansprüchen verabschiedete. Topfit? Matchpraxis? Eine Stunde hat Khedira beim Champions-League-Sieg am Samstag für Real Madrid gespielt, davor auch schon ein Stündchen...
Khedira wird nun immerhin sofort in das Training mit den Kameraden einsteigen können. Schweinsteiger übt noch einsam. So wie Philipp Lahm, den Löw vor der WM 2010 wegen der verletzungsbedingten Ballack-Abwesenheit zwar zum Kapitän ernannte, dem er aber den Schweinsteiger in klar beschriebener Rolle zur Seite stellte. Lahm, der Weltklasseaußenverteidiger und rhetorisch geschickte Verkäufer der Fußballware, sollte Ansprechpartner für die Gruppe sein und die Außenrepräsentation übernehmen. Schweinsteiger, der nicht ständig den Diplomatenpass zückende Mann aus der Mittelfeldzentrale, sollte auf dem Feld als „emotionaler Leader” dafür sorgen, dass das Feuer nie runterbrennt.
Wie das passiert, ist nicht messbar wie die Kilometerlaufleistung. „Kopf und Wille sind entscheidende Faktoren”, weiß Schweinsteiger aber. „Charakter, Teamgeist, Wege zu gehen, die weh tun”, sei wichtig: „Es ist nicht immer nur die fußballerische Qualität, die den Unterschied ausmacht.” Dass Lahm von Bayern-Trainer Pep Guardiola mittlerweile gern in die Mitte gerückt wird und deshalb auch für die Nationalelf als Zentralist in Frage kommt, ändert nichts an der Mentalitätsbestimmung von einst. Lahm kann alles – nur auf dem wüsten Feld des Aufrichtens, Anstachelns, auch (Achtung: Fußballdiktion) Aufopferns und Opfermachens wirkt er eher wie ein Priesterseminarist im Bandenkrieg.
Suche nach Mentalitätsriesen
Miroslav Klose, der Seniorstürmer, hat bei seiner Suche nach Mentalitätsriesen gerade noch Lars Bender gefunden: „Solche Spieler wie Lars braucht der Kader.” Doch der Leverkusener musste muskelverletzt aufgeben.
Reputation. Position. Charakter. Es muss manches zusammenkommen. Am Ende läuft es für Löw, diesen Bundestrainer, der zu Unrecht verdächtigt wird, deutsche Fußballtugenden generell für historisch überholt zu halten, auch bei der südamerikanischen WM wieder darauf hinaus: Seine Goldjungs benötigen die Infusionen mit ein bisschen Sami-, ein bisschen Schweini-Blut. Sollte natürlich möglichst frisches sein.