Bochum. Doppel-Sechs, Doppel-Acht, Raute: Der VfL Bochum ist in der Bundesliga schwerer ausrechenbar als in der Vorsaison. Eine systematische Analyse.
Mit dem zweiten Saisonsieg im achten Bundesliga-Spiel hat der VfL Bochum Platz 15 erobert. Vor Augsburg und Bielefeld, die im direkten Duell 1:1 spielten, und der Spielvereinigung Greuther Fürth, die der VfL mit 1:0 bezwang. Eine Konstellation, die man als Bochumer auch nach dem 34. Spieltag nur allzu gerne so lesen würde in der Tabelle.
Dafür aber muss der Aufsteiger, der bei erst drei Heimspielen und fünf Auswärtsspielen immerhin schon drei Mal zu Null gespielt hat, noch reichlich Punkte sammeln, sich weiter finden. Wobei „Finden“ nicht heißen muss, dass eine Elf mehr oder minder gesetzt ist und ein System durchziehen soll, wie es über weite Strecken der Vorsaison der Fall war.
In der 2. Liga spielte Bochum fast stringent ein 4-2-3-1 mit Zulj als Zehner
In der 2. Liga vertraute der VfL fast ausschließlich einem 4-2-3-1 mit Robert Zulj als Spielmacher. Zulj ist ein klarer Zehner, ein Typ, den Bochum eine Etage höher nicht in seinen Reihen hat, vielleicht: auch nicht haben will aufgrund der Stärke der Gegner.
„In der Bundesliga müssen wir variabler und flexibler sein“, sagt Thomas Reis. Auch und vor allem: defensiv kompakter stehen. Der Trainer hat dies bereits vor der Saison klargemacht. Und in den ersten acht Saisonspielen mehrere taktische Formationen aufgeboten.
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Diesen drei Kriterien folgt Trainer Thomas Reis
Drei Kernkriterien folgt er dabei, die Wichtigste ist natürlich das eigene Personal. Etliche potenzielle Leistungsträger fielen und fallen weiterhin aus. Neben den zwei langzeitverletzten Stammkräften, Offensivmann Simon Zoller (Kreuzbandriss) und Innenverteidiger Maxim Leitsch (muskuläre Probleme/Comeback frühstens Mitte November), waren unter anderem auch Cristian Gamboa, Eduard Löwen, Takuma Asano, Herbert Bockhorn oder, beim Saisonstart in Wolfsburg, Gerrit Holtmann schon aus Verletzungsgründen nicht dabei. Bockhorn, Zoller, Leitsch und wohl auch Robert Tesche fallen weiterhin aus.
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Zweitens behält Reis die eigene Spielidee im Blick, die einem mutigen Ansatz folgt, einem frühen Anlaufen und Tempo über die Außen. Zu sehen war diese Philosophie vor allem in den Heimspielen. Auswärts funktionierte der Plan in Köln und Bayern nicht, in Leipzig nur phasenweise. Drittens aber, das ist im Vergleich zur Vorsaison deutlich anders, reagiert der Trainer auch verstärkt auf die ausgemachten Stärken und Schwächen des Gegners.
Gegner Fürth als Taktik-Spiel: So lief es in der Vorsaison
Bestes Beispiel ist Spiel Nummer acht, das 1:0 in Fürth. Jenem Gegner, dem der VfL in der Hinrunde recht chancenlos begegnete, als er kein Mittel gegen die damals so spielstarke Raute der Gäste fand. Fürth gewann mit 2:0. Vom Aufstieg redeten vor knapp einem Jahr nur kühne Optimisten.
Im Rückspiel Anfang März wich Thomas Reis einmal vom klaren 4-2-3-1 ab. Mit Erfolg: Robert Zulj agierte als anlaufender Stoßstürmer in einem 4-3-3. Zulj verteidigte mit, er traf trotzdem. Bochum gewann mit 2:1. Ein wichtiger Schritt zum Meisterstück.
Gegner Fürth als Taktik-Spiel: So lief es in der nun in der Bundesliga
Eine Etage höher, beim Druckspiel des Letzten gegen den Vorletzten, überraschte der Trainer erneut und zog der Fürther Raute wieder den Zahn. Erstmals unter Reis, der seit über zwei Jahren beim VfL das Sagen hat, agierte Bochum von Beginn an mit einer Raute sowie einer Doppelspitze. Zudem spielte die Defensivreihe, normalerweise eine klare Viererkette, flexibler.
Aus der Viererkette wurde eine Dreier-/Fünferkette mit den bei Ballbesitz offensiven Außen Danilo Soares und Cristian Gamboa. Und mit einem gegen den Ball defensiven Sechser Anthony Losilla, der sich Fürths Zehner Timothy Tillman vorknöpfte, dessen Pässe in die Tiefe blockierte. Flankiert wurde Losilla von den Innenverteidigern Erhan Masovic und Vasileios Lampropoulos, die Fürths Doppelspitze weitgehend im Griff hatten.
Pantovic überzeugt defensiv als Zehner - Asano bringt offensiv frischen Schwung
Als Zehner fungierte Milos Pantovic aus zwei Gründen. Zum einen, weil er vergleichsweise defensivstark und flexibel einsetzbar ist. Zum anderen, weil Takuma Asano, auch in diesem System mehr als eine Alternative, wegen muskulärer Probleme nach der Länderspielreise nicht bei 100 Prozent war. Asano kam später ins Spiel, sorgte offensiv zusammen mit Danny Blum für frischen Schwung.
Defensiv und bei der Vorarbeit von Sebastian Polters Chance in der ersten Halbzeit überzeugte Pantovic, der das Aufbauspiel über Fürths Sechser Sebastian Griesbeck wirkungsvoll störte. Unterm Strich war Bochum kompakter und stabiler als zuletzt. Das war ein Herzstück des Matchplans.
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Offensiv haperte es vor allem bis zum Wechsel von Asano/Blum für den diesmal schwächeren Gerrit Holtmann, der neben Polter im Sturm spielte. Eduard Löwen, im rechten Mittelfeld eingesetzt, ist nach vorne in zentraler Position sicherlich wirkungsvoller. Nach hinten erledigte er seinen Job in Fürth ordentlich, was für Dauerläufer Elvis Rexhbecaj auf der anderen Außenbahn ebenso galt.
Hohe Flexibilität der Mittelfeldspieler vom VfL Bochum
Vorteil dieser Formation: Aufgrund der Flexibiltät eines Pantovic, der in dieser Saison auch schon als Achter und als Flügelstürmer auflief, eines Löwen (Achter/Zehner), eines Losilla (Sechser/Achter) und eines Rexhbecaj (Sechser/Achter/Zehner) hätte Reis ohne Wechsel flexibel auf Fürther Varianten reagieren können. Nötig wurden sie letztlich nicht. Weil jeder seine klare Aufgabe defensiv gut löste. Weil Fürth lange an seinem System festhielt.
Für die größere Stabilität opferte Reis in diesem vermeintlichen Schlüsselspiel die Idee mit den schnellen Außenstürmern wie Holtmann oder Blum, Asano oder Antwi-Adjei, der wegen muskulärer Probleme in den zwei Trainingswochen zuvor auch nicht bei 100 Prozent war. Vielleicht ging dadurch Offensivpower verloren – der Erfolg aber gab dem Coach am Ende Recht.
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Doppel-Sechs oder Doppel-Acht waren bisher die bevorzugte Wahl
Das im Training einstudierte Rauten-System mit flexibler Abwehrkette führte letztlich zu wenig Chancen der Franken und dank des Kopfball-Treffers von Losilla nach Freistoß-Flanke von Löwen, ebenfalls ein Trainingsschwerpunkt der Woche zuvor, zum wichtigen Erfolg. Es ist ein System, das beim nächsten Heimspiel gegen Eintracht Frankfurt am Sonntag (19.30 Uhr) die Wahl des Trainers sein kann – aber keinesfalls muss. Bochum ist in jedem Fall weniger ausrechenbar als in der Vorsaison.
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Sicher: Dreier-, Vierer-, Fünferkette, die Grenzen sind im Spielverlauf oft fließend, was erst Recht für das Zentrum gilt mit Doppelsechs und Zehner oder einem Sechser und Doppel-Acht. In den ersten drei Partien in Wolfsburg, als die frühe Rote Karte gegen Robert Tesche allerdings schnell alle Pläne über den Haufen warf, gegen Mainz und in Köln setzte Reis in der Grundordnung auf die in der Vorbereitung bevorzugt einstudierte Doppel-Acht. Gegen Hertha, Bayern, Stuttgart und Leipzig bevorzugte er eine Doppel-Sechs. In beiden Varianten kamen zwei Flügel- und ein Stoßstürmer davor zum Zug.
Losilla und Rexhbecaj sind die Konstanten im Mittelfeld
Die Konstanten im Mittelfeld: Losilla (Sechser/Achter) und Rexhbecaj, der sogar bereits vier Position bekleidet hat als einer der Doppel-Sechser, als einer der Doppel-Achter, als Zehner und nun als linker Mittelfeldmann in der Raute. Beide spielten immer von Beginn an. Hinzu kamen mal Pantovic, mal Tesche, mal Löwen.
In der Offensive spielten meist Polter im Sturmzentrum (in Wolfsburg noch Zoller, in Leipzig übernahm Asano seinen Job) und Holtmann, letzterer nun erstmals weiter vorne und nicht klar auf dem Flügel wie zuvor im 4-3-3 oder 4-2-3-1. Mit beiden ist auch gegen Frankfurt zu rechnen. Womöglich auch mit Asano, wenn er in dieser Woche keinen Rückschlag erleidet. Oder mit Danny Blum, der längst auch in die Startelf drängt.
Gewiss ist nach den bisherigen Eindrücken dieser Saison nur, dass es bis zur Verkündung der Startelf keine Gewissheit gibt auf einigen Positionen. Was übrigens auch für die Innenverteidigung gilt (Bericht dazu lesen Sie hier).