Bochum. Attraktiv, erfolgreich: Unter Trainer Toppmöller rauschte der VfL Bochum durch die 2. Liga. Die Saison 1995/96 unserer Serie „Aufstiegsjahre“.

Wenn die VfL-Fans an die Zeit mit Klaus Toppmöller zurückdenken, geraten sie immer noch ins Schwärmen. Der Mann von der Mosel, um einen guten Spruch selten bis nie verlegen, drehte die vormals „graue Maus“, deren Kernkompetenz bis dahin vor allem im körperbetonten Nahkampf zu liegen schien, komplett auf links. „Ich kann einem Fußballspieler das Kämpfen beibringen, aber nicht einem Kämpfer das Fußballspielen“, sagte der ehemalige Stürmer und ließ Taten folgen.

Fortan spielten die Bochumer, gestützt auf eine damals noch keineswegs obligatorische Vierer-Abwehrkette, attraktiv, ansehnlich und – nicht zuletzt – sehr erfolgreich. Toppmöller gilt wegen der drei furiosen UEFA-Cup-Runden, die er mit dem Team hinlegte, als Vater des sicher besten internationalen Auftritts einer Bochumer Mannschaft, zuvor jedoch war er mit der von ihm zusammengestellten Mannschaft im Brauseschritt durch die Zweitliga-Saison gefegt.

Als Meister mit zwölf Punkten Vorsprung vor dem Zweiten Arminia Bielefeld gingen die Bochumer schließlich durchs Ziel. Atemberaubend und bereits vor dem internationalen Glanzstück euphorisierend.

Thomas Reis mit 21 Jahren nach seinem ersten Aufstieg gleich im ersten Jahr beim VfL Bochum.
Thomas Reis mit 21 Jahren nach seinem ersten Aufstieg gleich im ersten Jahr beim VfL Bochum. © imago images/Team 2 | mago sport

Nach dem Abstieg mistete Trainer Toppmöller den Kader aus

Toppmöllers Start war allerdings weniger glanzvoll. Der Nachfolger von Jürgen Gelsdorf konnte nämlich den Abstieg 1995 nicht mehr verhindern. „Da war nichts mehr zu retten“, sagte er, akzeptierte jedoch die Gegebenheiten klaglos und machte sich umgehend an die unangenehme Arbeit, die Spreu vom Weizen zu trennen: „Es ging nach dem Abstieg darum, die Spieler zu entsorgen, die noch Erstligaverträge hatten. Das war hart, aber so konnte ich eine Mannschaft aus dem Nichts aufbauen.“

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Neben Torjäger Uwe Wegmann, der nach Kaiserslautern wechselte, trennte sich der VfL praktisch von der gesamten Abwehr. Sven Christians, Uwe Stöver, Rob Reekers, Michael Frontzeck, Uwe Schneider und Torhüter Andreas Wessels gingen, und weil „Katze“ Zumdick die Schuhe an den Nagel hängte und als Co-Trainer beim VfL weitermachte, mussten auch zwei neue Torhüter her. Uwe Gospodarek und Thomas Ernst lieferten sich in der Folge ein immer spannendes Duell um das Trikot mit der Nummer 1.

Toppmöller holt eine neue Abwehr: mit Reis, Stickroth, Kracht nach oben

In seiner Frankfurter Zeit hatte Klaus Toppmöller Gefallen am jugendlichen Verteidiger Thomas Reis gefunden, den er nun nach Bochum lotste. Aus Saarbrücken kam Thomas Stickroth, der schon einiges gesehen hatte in seiner Karriere und in Bochum wegen seiner eleganten und technisch feinen Spielweise rasch zur Kultfigur avancierte, aus Leipzig mit Innenverteidiger Torsten Kracht ein Mann, der den noch relativ jungen Tomasz Waldoch an seiner Seite stabilisierte und auf eine neue Leistungsebene hob.

Für die Offensive war Peter Közle zu haben, der – ursprünglich aus dem Allgäu kommend – zunächst beim MSV Duisburg Bekanntschaft mit dem Ruhrgebiet gemacht hatte und der dem Revier bis heute, wie einige andere zugezogene Bochumer Ex-Profis, treu geblieben ist.

Mit einem Sieg gegen Meppen beginnt ein Riesenlauf des VfL Bochum

Mit dem 4:1 gegen Meppen Anfang September 1995 startete der VfL seinen Riesenlauf. Es war das erste von elf Spielen ohne Niederlage in Serie, die der Mannschaft sage und schreibe 29 Punkte einbrachte. Zwar gab es danach mit drei Misserfolgen hintereinander eine kleine Leistungsdelle, doch die fiel kaum ins Gewicht, denn in den restlichen 14 Spielen gelang es nur noch zwei Gegnern, den VfL zu besiegen. Und die 0:1-Niederlage am letzten Spieltag in Mainz war komplett bedeutungslos und konnte den Aufstiegsjubel nicht schmälern.

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Wie gut die neuformierte Abwehr funktionierte, ließ sich auch an den Ergebnissen ablesen. 15 Mal blieb der VfL ohne Gegentor, Hertha BSC (2:0), Nürnberg (4:0), Wolfsburg (5:0) und Mainz (3:0) vermochten die Bochumer Abwehr allesamt nicht zu überwinden. Und vorne gab es nicht den einen Torjäger, auf den sich alles fokussierte, sondern etliche Spieler, die für Torgefahr sorgten. Damit war der VfL nicht so leicht ausrechenbar wie die Konkurrenz.

Aufstiegsparty im Ruhrstadion am 19. Mai 1996 nach dem 1:1 gegen Jena: (v.l.) Peter Közle, Thorsten Schmugge, Trainer Klaus Toppmöller, Andrzej Rudy, Kai Michalke, Roland Wohlfahrt machen mit den Fans die Welle.
Aufstiegsparty im Ruhrstadion am 19. Mai 1996 nach dem 1:1 gegen Jena: (v.l.) Peter Közle, Thorsten Schmugge, Trainer Klaus Toppmöller, Andrzej Rudy, Kai Michalke, Roland Wohlfahrt machen mit den Fans die Welle. © imago images/Team 2 | imago sport

Peter Közle und Peter Peschel erzielen die meisten Treffer für den VfL Bochum

Neuzugang Közle und Peter Peschel beendeten die Spielzeit mit jeweils elf Treffern auf der Habenseite, der junge Kai Michalke und Henryk Baluszynski steuerten jeweils acht Tore bei, Oldie Roland Wohlfarth traf immerhin noch sieben Mal. Und Abwehrrecke Kracht bewies seine Qualitäten auch in der Offensive. Fünf Mal hatten die gegnerischen Torhüter das Nachsehen, wenn er sich hochschraubte. Südafrika-Import Delron Buckley, mit 17 noch zwei Jahre jünger als Michalke, gestattete Toppmöller zudem die ersten Kontakte mit dem deutschen Profifußball. Dariusz Wosz zog zwar bereits im Mittelfeld die Fäden, doch seine große Zeit sollte erst nach dem Aufstieg kommen.

Dass schließlich der ungeliebte Lokalrivale SG Wattenscheid 09 als Tabellen-Schlusslicht am Saisonende die 2. Bundesliga verlassen musste, erfreute den VfL-Anhang zusätzlich. Gegen die Wattenscheider hatte die Toppmöller Elf zuvor im eigenen Stadion unentschieden (2:2) gespielt und in der Lohrheide in der Rückrunde mit 3:1 gewonnen.

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Nach dem Aufstieg folgt die Blütezeit: Siege gegen BVB und Schalke in einer Woche

Für Klaus Toppmöller und den Großteil der Aufstiegsmannschaft sollte die Rückkehr in die Bundesliga jedoch nur der Auftakt zu einer neuen Blütezeit sein. Gerne erinnerte sich der Trainer später an die folgende Saison, in der sich der VfL zum Favoritenschreck entwickelte und sich mit Rang fünf für die meisten Experten sensationell auf die internationale Bühne spielte. „Es war eine wunderschöne Zeit, wir haben Dortmund und Schalke (im DFB-Pokal, die Red.) innerhalb einer Woche geschlagen“, so Toppmöller, der offenbar das für die VfL-Fans Wesentliche sofort erkannt hatte, später im Rückblick.

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