Bochum. Die Aufstiegsjahre des VfL Bochum, Teil drei: Ralf Zumdick führte den VfL als dritter Trainer zum Triumph. Unter Middendorp gab es viel Stress.

Mit einer Gala kehrt der VfL Bochum zum Ende der Saison 1999/2000 in die Bundesliga zurück. Der 5:1-Erfolg gegen den Chemnitzer FC am vorletzten Spieltag beendet ein Fußballjahr voller Höhen und Tiefen mit insgesamt drei Trainern. „Wir haben unheimlich viel Stress gehabt, jetzt bin ich nur glücklich. Daran hätte ich nach dem 2:6 gegen TeBe Berlin nicht mehr geglaubt“, erlaubt Mirko Dickhaut, verlässlicher Defensivakteur der Bochumer, am Tag des Triumphes einen kleinen Einblick in sein Seelenleben. „Steht auf für den Aufsteiger“, skandieren die Fans auf den Tribünen, singen, lachen und feiern ihre Idole.

Welch‘ ein Unterschied zum November 1999. Ein paar Monate vor der ausgelassenen Aufstiegsfeier hatten die VfL-Anhänger noch schrill gepfiffen und sogar auf Bannern ihrem Sarkasmus freien Lauf gelassen. „Wir sind schuld“, stand da zu lesen, eine Anspielung auf die Publikumsbeschimpfung von Trainer Ernst Middendorp, der im Sommer angetreten war, die Bochumer Mannschaft zurück in die Erstklassigkeit zu führen.

Werner Altegoer, der starke Mann in den VfL-Führungsgremien, hatte Middendorp als „die beste Neuverpflichtung der letzten Jahre“ bezeichnet, doch der mit vielen Vorschusslorbeeren bedachte Trainer geriet schnell unter Druck.

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Besonders die Defensive bereitet dem VfL Bochum anfangs Probleme

Besonders die Defensive bereitete anfangs Probleme. Der Verlust der Innenverteidiger Torsten Kracht und Tomasz Waldoch, die zur Frankfurter Eintracht und zum FC Schalke 04 gewechselt waren, wog schwer, auch Kai Michalke, der bei Hertha BSC sein Glück versuchte, hatte den VfL verlassen. Spieler wie Sven Boy, den Middendorp aus seiner ostwestfälischen Fußballheimat Bielefeld geholt hatte, Matthias Lust oder Mike Rietpietsch brachten nicht die für den Aufstiegskampf erforderliche Qualität mit.

Erste Querele unter Trainer Middendorp vor dem ersten Anpfiff

Schon der Start des neuen Trainers war unglücklich. Weil Mittelfeldmann Norbert Hofmann den Handschlag mit dem häufig schroffen Middendorp verweigerte, gab es die erste Querele noch vor dem ersten Anpfiff. Der Beginn war dennoch verheißungsvoll. Die zwei Siege gegen den KSC und Aachen sowie das Unentschieden gegen St. Pauli deuteten auf eine erfolgreiche Saison hin. Und nach der knappen 2:3-Niederlage gegen den Favoriten 1. FC Köln konnte der Bochumer Fußballlehrer noch relativ entspannt sagen: „Nun wird man sehen, wohin die Reise in naher Zukunft geht.“ Nach unten, weg von den Aufstiegsplätzen ging sie dann allerdings – und das ziemlich rapide.

Sebastian Schindzielorz, der heutige Geschäftsführer Sport, erzielte als gerade einmal 20-Jähriger das 3:1 im letzten Heimspiel gegen Chemnitz. Am Ende hieß es 5:1 – und der VfL feierte doch noch den Aufstieg.
Sebastian Schindzielorz, der heutige Geschäftsführer Sport, erzielte als gerade einmal 20-Jähriger das 3:1 im letzten Heimspiel gegen Chemnitz. Am Ende hieß es 5:1 – und der VfL feierte doch noch den Aufstieg. © Bongarts / Getty Images | Martin Rose

Eine Woche später war der Ton schon rauer, die schlimme 0:3-Niederlage gegen RW Oberhausen hinterließ erste negative Spuren. VfL-Manager Klaus Hilpert beklagte anschließend die „fehlende Leidenschaft“, während Middendorp von seinen Spielern Härte einforderte: „Jetzt müssen die Schienbeinschützer angelegt werden.“

2:6 bei TeBe Berlin beutetet das frühe Aus für Trainer Middendorp – Dietz übernimmt

Der Aufforderung folgte offensichtlich niemand. Denn in den folgenden fünf Spielen sprang für seine Mannschaft nur noch ein mageres Pünktchen – gegen die Stuttgarter Kickers - heraus. Acht Zähler nach neun Spielen mit dem negativen Höhepunkt einer üblen 2:6-Schlappe gegen TeBe Berlin bedeuteten das frühe Aus für Ernst Middendorp, der zuvor auf der Suche nach der Wende immer neue personelle Konstellationen ausprobiert und damit für immer größere Unsicherheit im Team gesorgt hatte.

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Die Führungsetage zog zähneknirschend die Notbremse, trennte sich von dem ehemaligen Hoffnungsträger und betraute Amateurtrainer Bernard Dietz mit der Aufgabe, den drohenden weiteren Absturz zu verhindern.

Yildiray Bastürk erzielt beim wichtigen Sieg in Mönchengladbach das Tor zur Wende

Es folgte das vielleicht wichtigste Spiel dieser Saison, schließlich galt es, der Mannschaft so schnell wie möglich Selbstbewusstsein und Sicherheit zu verschaffen und die Gespenster der Vergangenheit zu verjagen. Selten hat man einem Trainer die Begeisterung und die Erleichterung so deutlich angesehen wie an dem Abend, an dem Yildiray Bastürk mit seinem Tor des Tages bei der ruhmreichen Mönchengladbacher Borussia den Bock umstieß für den VfL Bochum.

Dietz, ein Fußballer wie aus dem Bilderbuch, geradeheraus, ohne Allüren und mit beiden Beinen mitten im Leben stehend, beendet damit die Misserfolgsserie, integriert in der Folge mit Slawo Freier und Sebastian Schindzielorz sowie Frank Fahrenhorst drei vielversprechende Talente aus der von ihm betreuten Amateurmannschaft und führt die Profis wieder auf den Pfad des Erfolges. Bis er kurz vor Weihnachten auf eigenen Wunsch wieder in die zweite Reihe zurücktritt, verliert die Mannschaft nur einmal – in Offenbach.

Bernard Dietz übernimmt erfolgreich – und zieht sich wieder zurück

Bereits nach dem 2:0-Sieg gegen Waldhof Mannheim im zweiten Spiel unter der Regie von Bernard Dietz stimmen die Bochumer Fans frohgemut diesen Chor an: „Wir sind wieder da.“ Dem Europameister, dem Ruhm und Geld nicht sonderlich viel bedeuten, fliegen die Herzen zu, doch er bleibt standhaft und kehrt am Jahresende zu seinen Amateuren zurück: „Meine Haltung ist eindeutig. Ich will mich nicht verbiegen lassen.“

Gesucht wird nun der Mann, der Dietzens Werk fortführen soll und kann. Mit Klaus Augenthaler, der schließlich aber doch in Graz bleibt, ist auch ein Prominenter Gesprächspartner der VfL-Führung, doch der Schuster bleibt am Ende bei seinen Leisten.

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Werner Altegoer und seine Mitstreiter ringen sich schließlich dazu durch, ihrem Co-Trainer Ralf Zumdick, der ehemaligen und langjährigen Nummer eins zwischen den Pfosten, das Vertrauen zu schenken. „Katze“ Zumdick kennt die Mannschaft in- und auswendig und hat in der Interimszeit vertrauensvoll mit Bernard Dietz zusammengearbeitet.

Weber und Peschel treffen – Schindzielorz spielt praktisch die Saison durch

Zumdick, alles andere als ein Lautsprecher seiner Zunft, ist selbstbewusst genug, zum Dienstantritt seine Zielsetzung zu formulieren. „Auf den zweiten oder dritten Platz möchte ich mich schon festlegen“, sagt der dritte Cheftrainer dieser Spielzeit und hält schließlich Wort. Achim Weber (19 Tore), Peter Peschel (15) und Yildiray Bastürk (7) sowie Delron Buckley wirbeln die gegnerischen Abwehrreihen durcheinander, Thomas Stickroth ist der Fixpunkt in der Defensive, und Sebastian Schindzielorz, gerade einmal 20 Jahre alt, spielt als defensiver Stratege im Mittelfeld praktisch die Saison durch.

Erst nach vier Siegen handelt sich die Mannschaft – erneut gegen Spitzenreiter Köln – die erste Niederlage unter dem neuen Übungsleiter ein. Nur noch zwei weitere Niederlagen werden folgen. Nach dem 6:1-Erfolg im Rückspiel gegen Offenbach gibt Werner Altegoer seinem Trainer eine Jobgarantie und macht damit ungewollt deutlich, wer beim VfL das Sagen hat: „Seit Wochen ist für mich klar, dass Ralf Zumdick den VfL Bochum auch in der kommenden Saison trainieren wird.“