Bochum. Es zischte und qualmte in der Bochumer Führung, als der VfL abstieg. Doch unter Trainer Jürgen Gelsdorf gelang der Wiederaufstieg 1993/94.
Nicht alle werden es gehört haben, aber gegen Ende der Saison 1993/1994 hat er sein Versprechen gehalten. „Wenn wir Meister werden, schreie ich vor Glück“, hatte Jürgen Gelsdorf im Saison-Endspurt gesagt. Und nicht wenige Bochumer werden es ihm gleich getan haben, als der VfL mit einem 1:0-Sieg in Wolfsburg am drittletzten Spieltag die Rückkehr in die Eliteliga perfekt machte. Es war das erste sofortige Comeback der zuvor schon gelegentlich vom Glück verwöhnten und schließlich doch nicht für immer und ewig „Unabsteigbaren“, die dann im Zorn erstmals den Weg in die 2. Bundesliga antreten mussten.
Denn die Regelverstöße der Verantwortlichen von Dynamo Dresden ahndete der DFB-Spielausschuss nicht sofort, sondern erst eine Spielzeit später mit Punktabzug. Deshalb musste der VfL, der 1992/1993 nur einen Zähler weniger als die Sachsen auf dem Konto hatte, den Platz an der Sonne räumen – und fühlte sich in der Folge als Opfer der aktuellen (Sport-)Politik. Man wolle halt, wurde damals nicht nur im Ruhrgebiet gemutmaßt, unbedingt einen Ostklub in der Bundesliga haben.
Dass der verantwortliche Dynamo-Präsident Rolf-Jürgen Otto, ein Bauunternehmer aus dem Westen, später wegen Veruntreuung eine Gefängnisstrafe absitzen musste, steht auf einem anderen Blatt. Besonders bitter für die VfL-Fans: Die SG Wattenscheid 09 blieb erstklassig, während man selbst eine Etage antreten musste.
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Großer öffentlicher Zwist zwischen Ottokar Wüst und Werner Altegoer
Fast schlimmer noch für die Bochumer als der Abstieg war jedoch dies: Intern ging man sich verbal an den Kragen. Präsident Ottokar Wüst hatte früh signalisiert, die Entscheidung des Spielausschusses pro Dresden, die später von einem Frankfurter Oberverwaltungsgericht als rechtens eingestuft wurde, zu akzeptieren, womit er Werner Altegoer, seinerzeit Vorsitzender des Wirtschaftsrates, mächtig gegen sich aufbrachte. „Der Mann kennt ganz genau unsere hervorragende rechtliche Ausgangsposition – und fällt uns dann in den Rücken. Herr Wüst müsste eigentlich am gleichen Tag abgesetzt werden“, wetterte Altegoer, der seinem Intimfeind nur ein paar Monate später im Amt des Präsidenten nachfolgen sollte.
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Es zischte und qualmte also ganz gehörig in den Bochumer Führungsgremien, doch Trainer Jürgen Gelsdorf, ein besonnener und ausgleichender Mann, tat sein Bestes, um das Feuer zu löschen und den Fokus auf die sportliche Situation zu lenken. „Recht haben ist eins, Recht bekommen ist etwas anderes“, sagte der ehemalige knochenharte Vorstopper seufzend, und richtete den Blick postwendend nach vorne: „Jetzt müssen wir eben auf dem Rasen beweisen, dass wir in die 1. Liga gehören.“
Max Eberl bringt Frische und Mentalität auf der Außenbahn
Das taten Gelsdorf und seine Spieler zunächst einmal mit Bravour. Zum VfL gestoßen waren im Sommer nach dem Abstieg Uwe Stöver (heute Manager in Kiel), Michael Hubner, Markus von Ahlen, Paulo da Palma, ein junger Isländer namens Thordur Gudjonsson, ein noch jüngeres Talent aus dem eigenen „Laden“, Kai Michalke, und ein Bayern-Import. Max Eberl, nun schon seit geraumer Zeit als Manager der entscheidende Mann mit Augenmaß und Kenntnis bei Borussia Mönchengladbach, brachte Frische und Mentalität auf der defensiven Außenbahn mit.
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Das Team funktionierte so gut, dass es praktisch einen Start-Ziel-Sieg landete. Erst in der neunten Partie erfuhren die Bochumer, wie es einem so geht, wenn man in der 2. Bundesliga verliert. Vier Siege in Folge wiesen den Weg in die richtige Richtung, seit dem zweiten Spieltag residierte der VfL auf Rang eins und ließ erst gegen Ende der Spielzeit nach. Fünf Niederlagen in den letzten neun Partien konnten sich die Bochumer aber erlauben. Sie traten den Weg zurück in die Bundesliga dennoch als Zweitliga-Meister an.
Uwe Wegmann erzielt 22 Treffer, Holger Aden sieben
Neben den neuen Abwehrspielern hatte auch Torjäger Uwe Wegmann einen gehörigen Anteil an diesem Erfolg. Der „Alpenbomber“ eröffnete nicht nur die Saison mit dem Tor des Tages in Meppen, sondern war auch danach kaum zu bremsen. 22 Treffer gingen schließlich auf Wegmanns Konto, Holger Aden steuerte sieben Tore bei, vier der Südkoreaner Joo-sung Kim. Auch Michalke, mit 17 sozusagen noch Lehrling, durfte sich über zwei Treffer freuen. Immerhin stand das Eigengewächs, das Gelsdorf grundsätzlich lieber in der A-Jugend spielen sah, in dieser Saison schon zwölfmal bei den Profis auf dem Rasen.
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Als der VfL die Berliner Hertha mit 3:1 bezwungen hatte, kommentierte Uwe Reinders, Berlins Cheftrainer, die Niederlage seiner Elf und den Auftritt des Gegners so: „Bochum ist für mich Aufsteiger Nummer eins.“
Trainer Jürgen Gelsdorf ist meistens mit den Leistungen seiner Spieler einverstanden
Nur selten war Jürgen Gelsdorf mit den Leistungen seiner Spieler nicht einverstanden, wenngleich er sehr ambitioniert war. Nach dem 2:0-Erfolg gegen Rot-Weiss Essen äußerte er jedoch trotz des positiven Ergebnisses Kritik: „Es ist ärgerlich, dass viele Spieler meiner Mannschaft nicht den Samstag von einem Sonntag unterscheiden können.“ Und nach der 1:4-Niederlage bei den Münchener „Löwen“ machte er seinem Ärger mit diesen Worten Luft: „Ich bin stinksauer, die werden in Bochum alle gut bezahlt.“ Nach der Niederlage in Wuppertal, als es enger geworden war im Aufstiegsrennen, bat er die Fans sogar um Unterstützung: „Geben Sie uns noch eine Chance gegen St. Pauli.“ Das Spiel endete 1:1.
Nach einer sehr starken Hinrunde war nämlich zwischenzeitlich der Lack ab. Als Herbstmeister ging es in die zweite Saisonhälfte, und auch der neuerliche Erfolg gegen Meppen, diesmal war es ein 4:1, deutete auf eine sorgenfreie sportliche Zukunft hin. Aber vier Spiele vor dem Saisonabpfiff waren die Bochumer noch nicht aufgestiegen. Die 0:1-Heimniederlage gegen Mannheim löste sogar leichte Versagensängste aus, doch der folgende 1:0-Erfolg in Wolfsburg brach schließlich den Bann. Dariusz Wosz, der im Saisonverlauf immer mehr zum Taktgeber im Mittelfeld geworden war, ließ alle Bochumer mit seinem dritten Saisontreffer aufatmen.
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Für die Mannschaft und ihren Trainer war der Weg auf den Rathausbalkon vorgezeichnet. Dort feierten die euphorisierten Fans die sofortige Rückkehr ihrer Mannschaft in die Bundesliga - trotz der Niederlagen gegen Homburg und Chemnitz an den letzten beiden Spieltagen.