Gelsenkirchen. . Schalkes Manager Horst Heldt will künftig mehr die Stärken des Vereins betonen und glaubt, dass dies die Kraft gibt, um höhere Ziele anzustreben. Der Klub tut sich damit aber noch schwer. Eine Analyse.

Horst Heldt hatte es nicht einfach aus einer Laune heraus gesagt, es war vielmehr das Produkt einer reiflichen Überlegung. Der Ansatz, der den Sportvorstand bei seinen Gedanken antrieb: Man müsste Schalke noch stärker machen und dafür die Kräfte, die in diesem Verein schlummern, mehr als bisher ins Bewusstsein der Menschen rücken. Deswegen hatte Horst Heldt auf der Jahreshauptversammlung im Mai gesagt: „Wir wollen die Voraussetzungen schaffen für eine neuerliche Deutsche Meisterschaft.“ Eine Aussage, die zunächst einmal richtig aufrüttelt. Und die ganz bewusst platziert wurde auf der Mitgliederversammlung des FC Schalke 04. Dem höchsten Gremium dieses Vereins.

Die Frage: Last oder Ansporn?

Es ist nicht so, dass Horst Heldt die Entwicklung des Vereins in den vergangenen Jahren nicht gefallen hat. Im Frühjahr 2011 hatte er die sportliche Verantwortung von Felix Magath übernommen – ein schweres Erbe. Schalke ging damals nur auf Platz 14 der Bundesliga ins Ziel – unter Heldt folgten die Ränge drei, vier und drei. Insgesamt ist Schalke in den vergangenen zehn Jahren in der Bundesliga sogar achtmal unter den besten vier Klubs gelandet (siehe Grafik). Aber manchmal hatte Horst Heldt eben das Gefühl, dass noch mehr drin gewesen wäre.

„Ich erlebe oft, dass man sich hier kleiner macht, als man ist. Ich möchte ein Bewusstsein schaffen für das, was man mit Schalke erreichen kann“, erklärt Heldt im Gespräch mit der WAZ. Dazu sei es wichtig, die eigenen Stärken mehr zu betonen und die Kraft des Vereins in den Vordergrund zu rücken: „Deswegen habe ich bei der Jahreshauptversammlung gesagt, wir wollen die Voraussetzungen schaffen, um wieder Titel zu holen.“ Heldt hat dem Verein damit eine Vision gegeben. Aber der tut sich noch schwer, mit dieser Vision umzugehen. Dazu muss man nicht erst das so enttäuschende Ausscheiden in der ersten Runde des DFB-Pokals am Montag beim Drittligisten Dynamo Dresden heranziehen. Auch Vereinschef Clemens Tönnies oder Trainer Jens Keller sprechen nicht von Titeln.

Auch interessant

Von Bastian Angenendt und Heiko Buschmann (RevierSport)

Seit Jahren, auch schon in der Zeit unter Heldts Vor-Vorgänger Andreas Müller, diskutiert Schalke darüber, ob allein das Erwähnen einer möglichen Meister-Chance für diesen Verein mit seiner Geschichte mehr Last ist – oder mehr Ansporn. 1958 war Schalke 04 das letzte Mal Deutscher Meister, das Erlebnis von 2001 sitzt als Trauma fest in den Köpfen und wird stets hervorgerufen, wenn Königsblau wieder einmal ganz nah dran ist. Wie 2007, als Schalke den sicher scheinenden Meister-Titel an den VfB Stuttgart verspielte. Heldt war damals der Manager der Stuttgarter und glaubt heute zu wissen, dass der VfB einfach ein Mehr an Überzeugung hatte, um den Titel zu holen. Schalke indes hatte aus dem damaligen Versagen die Konsequenz gezogen, fortan lieber nicht mehr über Meister-Chancen zu reden: Allein der Gedanke daran würde den Klub lähmen. Nur Felix Magath hatte dieses Tabu in seiner Kurzzeit-Episode unterbrochen, aber darüber muss man heute nicht mehr reden.

Kein Versprechen auf Titel

Auch interessant

Von Peter Müller, Klaus Wille und Manfred Hendriock

Auch vor der nun anstehenden Bundesliga-Saison, die für Schalke am Samstag mit dem Auswärtsspiel bei Hannover 96 beginnt, ist Königsblau noch nicht beseelt von neuen Zielen – und das ist angesichts der Kräfteverhältnisse im deutschen Fußball gut nachvollziehbar. Auch Heldt ist in der Vorbereitungszeit mit seiner schwierigen Vision beileibe nicht von Interview zu Interview gelaufen. Am deutlichsten hatte er seine Gedanken im Gespräch mit der Süddeutschen Zeitung formuliert, als er sagte: „Unser erklärtes Ziel muss lauten: Wenn Bayern mal straucheln sollte, dann müssen wir da sein. Dann darf es keinen anderen Verein geben, der davon profitiert.“ Nicht Stuttgart (der Meister 2007), nicht Wolfsburg (2009) und auch nicht Dortmund (2011 und 2012). Sondern dann eben Schalke. Das ist der Entwicklungsschritt, den sich Heldt vorstellt – für den er auf die innere Kraft des Klubs setzt: „Es ist wichtig zu wissen: Wir sind wer – wir müssen nur unsere Leistung zeigen, dann sind wir in der Lage zu gewinnen.“

Ziele neu definieren

Zitiert

  • "Der erneute Einzug in die Champions League ist Pflicht. Platz vier wird akzeptiert, Platz drei ist besser." (Clemens Tönnies, Schalkes Klubchef)
  • "Ziel ist, in etwa so abzuschneiden wie im letzten Jahr. 26 Punkte Rückstand auf Bayern holt man nicht einfach auf." (Jens Keller, Schalkes Cheftrainer)
  • "Wir wollen wieder Dritter werden. Bayern ist der Favorit und auch Dortmund sehe ich noch einen Tacken vor uns." (Benedikt Höwedes, Schalkes Kapitän)

Ein Versprechen auf Titel ist das nicht – das wäre auch töricht, obwohl Titelgewinne natürlich immer eine Entwicklung krönen sollen. Heldt nennt es aber etwa ebenso „ein lohnenswertes Ziel, auch mal regelmäßig über das Achtelfinale der Champions League hinauszukommen“ – zuletzt war Schalke dort zweimal gescheitert (an Galatasaray Istanbul und an Real Madrid).

Der Gedanke ist der, dass Schalke an neuen Herausforderungen wachsen und auch den dritten Platz in der Bundesliga hinter Bayern und Dortmund nicht als natürliche Obergrenze ansehen soll: „Wir sind jetzt dreimal hintereinander in die Champions League gekommen“, sagt Heldt und schließt daraus: „Nun ist es an der Zeit, die Ziele neu zu definieren, damit wir mittelfristig den nächsten Schritt machen.“