Essen.. Horst Heldt erklärt beim Besuch unserer Redaktion, welchen Weg die Königsblauen gehen wollen, warum sie selbstbewusster auftreten sollen – und in welcher Frage er sie als Gallier sieht. Zudem spricht der Manager vom FC Schalke 04 über das Modell Leipzig, die Meisterschaft und Gazprom.
Die Laune ist bestens, der Mann wirkt entspannt. Kein Wunder, die neue Saison hat ja noch nicht begonnen, und Horst Heldt ist der festen Überzeugung, dass sich der FC Schalke 04 auf den Start am Montag im DFB-Pokal in Dresden gut vorbereitet hat. Selbst der aktuelle Krankenstand der Profis kann den 44 Jahre alten Manager nicht beunruhigen, wie er beim Besuch unserer Redaktion versichert.
Die Saison fängt an, und Schalke hat schon wieder die meisten verletzten Spieler aller Bundesligisten. Müssen sich die Fans Sorgen machen?
Horst Heldt: Sarkastisch könnte ich jetzt sagen: Ist doch toll, dass wir schon zu Beginn ganz weit vorne sind. Aber dieses Thema beschäftigt uns natürlich sehr, es wäre fatal, wenn wir das beiseite schieben würden. Warum sich ein Spieler verletzt, ist eine vielschichtige Frage. Es kann sein, dass er seinen Körper nicht optimal gepflegt hat, aber auch, dass er in einem Bereich körperlich überdreht hat. Zum Glück sind die Verletzungen nicht allzu Besorgnis erregend, denn nur Jefferson Farfan und Fabian Giefer fallen für eine längere Zeit aus.
Müssen die Spieler mehr Eigenverantwortung übernehmen? Sich besser ernähren, ausreichend schlafen?
Heldt: Wir haben im Trainingslager einen Ernährungsberater hinzugezogen, um auch dafür ein Bewusstsein zu schaffen. 18-Jährige denken noch, ihr Körper sei unzerstörbar – das war bei mir früher nicht anders. Aber heute sind die Anforderungen viel größer geworden. Wir können und wollen die Spieler nicht 24 Stunden am Tag kontrollieren. Deshalb ist Eigenverantwortung wichtig.
Trotz der aktuellen Ausfälle scheint Schalke besser aufgestellt zu sein als in der letzten Saison. Denn viele junge Spieler haben sich in der Rückrunde freigeschwommen.
Heldt: Da gebe ich Ihnen Recht. Wir sind zu der Erkenntnis gekommen, dass wir jetzt einiges besser verkraften können. Und es kommen schon wieder interessante ganz junge Spieler wie Marvin Friedrich und Marcel Sobottka hinzu.
Schalke geht mit der Entwicklung der Talente konsequent seinen eigenen Weg.
Heldt: Ja, unsere jungen Spieler haben langfristige Verträge bekommen, wir bieten ihnen eine Perspektive.
Und wenn doch mal einer geht, kommt gutes Geld in die Kasse.
Heldt: Wir haben enorme stille Reserven. Ein Beispiel: Julian Draxler ist mit null Euro bilanziert, weil er aus der eigenen Jugend kommt. Es ist allerdings nicht unser Ziel, die jungen Spieler meistbietend zu verkaufen. Wir haben selbst etwas vor.
Borussia Dortmund holt sich nach dem Vorbild von Bayern München große strategische Partner aus der Wirtschaft ins Boot. Warum ist so etwas für Schalke kein Thema?
Heldt: Für uns ist es unheimlich wichtig, dass der Verein alles in der eigenen Hand hat. Wir sind Herr auf Schalke, wir haben keine Rechte abgetreten. Und wir haben uns in einem gemeinsam mit unseren Fans entwickelten Leitbild dafür ausgesprochen, dass wir ein eingetragener Verein bleiben wollen. Das bedeutet zwar auch, dass wir nicht mal eben frisches Kapital in dreistelliger Millionenhöhe beschaffen können. Aber wir sehen uns in dieser Frage als gallisches Dorf. Und für die Römer ist es bekanntlich nicht leicht, die Gallier zu bezwingen.
Heldt über das Modell Leipzig, die Meisterschaft und Gazprom
Machen Sie sich Sorgen darüber, dass künftig wohl auch noch Leipzig mit dem potenten Geldgeber Red Bull im Rücken mitmischen wird?
Heldt: Ich würde mir Sorgen machen, wenn ich nicht bei Schalke 04 wäre. Aber dieser Verein wird auch in 50 Jahren noch konkurrenzfähig sein. Wenn ich sehe, wie viele Menschen uns unterstützen, dann ist das schon eine brutale Wand, die nicht so leicht zu zerschlagen ist. Am Wochenende beim Test in Tottenham habe ich eine Schalker Fan-Familie aus Belgien kennengelernt, die nur für unser Spiel nach London gereist ist. Das ist der pure Wahnsinn.
Dennoch: Wird es nicht im oberen Drittel der Bundesliga immer enger in den nächsten Jahren?
Heldt: Natürlich, aber das ist für uns keine neue Erkenntnis. Es wird auch in diesem Jahr eng. Und keiner sollte glauben, es sei selbstverständlich, in Paderborn zu gewinnen.
Was will Schalke denn in der absehbaren Zukunft erreichen?
Heldt: Wenn man dreimal nacheinander in die Champions League gekommen ist, kann ich es doch nicht verkaufen, Fünfter bis Siebter werden zu wollen. Man strebt immer zum Maximum, und das ist der Gewinn von Wettbewerben. Wir müssen auch mal über Themen reden, die vielleicht ein wenig angsteinflößend sind.
Können Sie verstehen, dass viele Schalke-Anhänger auf das Wort Meisterschaft verschreckt reagieren?
Heldt: In diesem Verein steckt so viel Potenzial, aber manchmal habe ich das Gefühl, dass damit nicht gut genug umgegangen wird. Diese Stärke muss von innen heraus wachsen. Man sollte sich nicht kleiner machen, als man ist. Deshalb sage ich, dass ich die Voraussetzungen schaffen möchte, Titel holen zu können – ohne etwas zu versprechen.
Wenn bei den Bayern alles normal laufen sollte, dürfte es aber doch sehr schwer werden, oder?
Heldt: Ich betone: Die Bayern sind der Favorit. Aber wenn sie aus irgendwelchen Gründen mal nicht dazu in der Lage sein sollten, ihre Rolle zu bestätigen, dann müssen wir ein Verein sein, der mitstreitet. 2007, als ich noch Manager in Stuttgart war und wir mit dem VfB Meister geworden sind, haben wir davon profitiert, dass wir mehr daran geglaubt haben als Schalke.
Schadet die Dominanz der Bayern der Liga?
Heldt: Ich fand die Liga auch im letzten Jahr spannend. Und ich glaube, dass sie in diesem Jahr noch spannender wird. Ich denke, dass die Bayern nicht noch einmal so weit enteilen werden.
Ein Blick hinaus über den deutschen Tellerrand: Im internationalen Fußball werden enorm hohe Transfersummen aufgerufen – wo ist das Ende der Fahnenstange?
Heldt: Ich kann dazu nur sagen: Kein Fußballer ist 80 Millionen Euro wert. Aber es gibt es dann doch immer wieder irgendeinen Trottel, der dazu bereit ist, das zu bezahlen... (lacht)
Angesichts der Vorkommnisse in der Ukraine – erwarten Sie Auswirkungen auf Ihre Verbindungen zu Gazprom?
Heldt: Wie jeder Mensch mache auch ich mir Sorgen um all das, was derzeit auf der Welt passiert. Irak, Gaza-Streifen, Ukraine – das sind erschreckende Meldungen. Ich kann mir nicht anmaßen, diese politische Problematik ausreichend zu beurteilen. Aber: Es werden täglich zahlreiche wirtschaftliche Beziehungen zwischen Europa und Russland gepflegt, wir als Fußballverein werden aber dafür an den Pranger gestellt. Das finde ich populistisch und ungerecht.
Kann es denn passieren, dass sich Gazprom zurückzieht?
Heldt: Wenn die Androhungen der Wirtschaftssanktionen umgesetzt würden, dann würde mich das natürlich beunruhigen. Gazprom ist für uns ein absolut zuverlässiger Partner und ist es auch als Unternehmen in der gesamten Fußballbranche. Wir haben eine langfristige Partnerschaft.
Aber gibt es nicht jetzt schon einen Imageschaden für Schalke?
Heldt: Nein, den gibt es nicht.