Hannover. . Die Königsblauen stürzen durch das 1:2 in Hannover in den Tabellenkeller. Die Lage ist angespannt: Clemens Tönnies verzichtet vor dem Spiel in Saloniki auf ein Machtwort. Noch stehen die Spieler mehr in der Kritik als Trainer Jens Keller.
Wenn es auf Schalke so richtig brennt, das wissen Eingeweihte zu berichten, schickt Clemens Tönnies gerne eine SMS mit warnendem Inhalt umher. Am Sonntag wartete der innerste Zirkel vergeblich auf eine entsprechende Kurz-Mitteilung des mächtigen Vereins-Chefs. Man kann daraus nicht schließen, dass Tönnies keine Not erkennt: Schon während des Spiels am Samstag in Hannover, das Schalke mit 1:2 verlor und es tief in den Tabellen-Keller der Bundesliga purzeln ließ, wirkte er merklich angespannt. Bereits kurz vor dem Abpfiff verließ der Fleischfabrikant seinen Tribünenplatz und ließ Manager Horst Heldt allein zurück. Das danach denkbare Machtwort fiel aber unerwartet aus: Es gab keines.
Mannschaft und Trainer Jens Keller sollen offenbar erst einmal das Playoffspiel zur Champions League am Dienstag bei PAOK Saloniki in Angriff nehmen. Dass die sportliche Abteilung schwer angeknockt in dieses Millionenspiel geht, versteht sich ohnehin von selbst.
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Wenn sich jemand vor dem Saisonstart ein Horrorszenario für Schalke ausgedacht hätte, dann würde das dem ziemlich nahe kommen, was sich in den vergangenen drei Wochen so abgespielt hat. Nur ein Punkt aus drei Bundesliga-Spielen, in Hannover noch dazu garniert durch zwei Platzverweise gegen Benedikt Höwedes (Rote Karte) und Christian Fuchs (Gelb-Rot). Und der Einzug in die Gruppenphase der Königsklasse steht nach dem 1:1 im Hinspiel gegen Saloniki auf der Kippe. „Das ist nicht das, was Schalke erwartet hat“, konstatiert Jens Keller: „Deswegen ist der Druck enorm.“ Allerdings nicht nur für den Trainer. Die Erkenntnis ist eher, dass die Mannschaft ihren Coach mit solchen Auftritten wie in Hannover gnadenlos im Stich lässt.
„Die erste Halbzeit war eine Frechheit“, sagte Julian Draxler mit rotem Kopf: „Ich wäre keinem Fan böse gewesen, wenn er da schon nach Hause gefahren wäre.“ Taten die Fans aber nicht. Sie blieben und sahen in der zweiten Halbzeit eine Mannschaft, die in Unterzahl wenigstens kämpfte, die nach dem 0:2-Rückstand durch Szabolcs Huszti (15., Foulelfmeter) und Mame Diouf (42.) noch durch Adam Szalai zum Anschlusstreffer kam (55.). Und die erneut durch Szalai eigentlich sogar den Ausgleich hätte erzielen müssen, doch der Ungar vergab in der 65. Minute auf unfassbare Weise eine unfassbar große Chance.
Bemerkenswerte Selbstkritik
Dass von alledem erst spät etwas zu sehen war, kreideten sich die Spieler selbst an – und dies war in der Deutlichkeit zumindest bemerkenswert. „Wir reden jetzt seit Wochen, dass wir hier und da gute Ansätze haben. Dann kann es nicht sein, dass der Trainer uns gut einstellt, wir uns viel vornehmen – und dann so einen Grottenkick abliefern wie in der ersten Halbzeit. Da brauchst du keine Ausreden mehr zu suchen“, schimpfte Draxler.
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Auch Jermaine Jones hatte einen Hals der Kragenweite XXL: „Das Problem ist, dass wir viel zu viel von dem großen Talent bei Schalke 04 reden, und dabei Kampf und Willen vergessen.“ Der 31-Jährige ließ es offen, ob er mit dem Gerede vom Talent explizit die Garde der Hochbegabten wie Draxler, Goretzka, Clemens oder Meyer meinte: Auf jeden Fall hätten die älteren Spieler in der Pause deutliche Worte zu dieser Problematik gefunden – ebenso wie der Trainer.
Keller hatte auch in Hannover taktisch und personell wieder einiges ausprobiert, aber am Ende stand erneut die Erkenntnis, dass eben alles „eine mentale Frage“ (Draxler) sei. Und diesbezüglich scheint diese Mannschaft ein ganz komplizierter Fall zu sein: Anfang der Saison waren die Spieler überheblich (Nöttingen, Hamburg), dann verunsichert (Wolfsburg) und nun in Hannover verängstigt. Dass Keller daran Schuld trägt, hat bisher aber noch niemand gesagt: Es gab von den Verantwortlichen bislang kein Wort der Kritik an der Arbeit des Trainers.
Schalke verliert in Hannover
Offenbar ist Schalke noch nicht bereit für den üblichen Reflex, dass der Trainer als erster den Kopf hinhalten muss. Auch ein Treffen von Horst Heldt zuletzt mit Markus Babbel soll nichts mit der aktuellen Not zu tun haben: Heldt und Babbel sind befreundet – der frühere Hoffenheimer war sein Gast beim Hinspiel gegen Saloniki. Da traf er übrigens auch mit Keller zusammen.