Gelsenkirchen. Der FC Schalke 04 hat 15 Spiele in Serie nicht gewinnen können. Ex-Spieler Marcelo Bordon übt im Interview mit dieser Redaktion scharfe Kritik.
Marcelo Bordon (44) war beim FC Schalke 04 eine große Nummer. Drei Jahre lang trug der Brasilianer die Kapitänsbinde bei den Knappen und führte den Revier-Verein im Jahr 2007 zur Vize-Meisterschaft. Mittlerweile lebt der 44-Jährige, der in sechs Jahren 231 Pflichtspiele für Schalke bestritt, mit seiner Frau und den drei gemeinsamen Kindern in seinem Heimatland Brasilien. Wir haben mit dem Mitglied der Schalker Ehrenkabine über seine Karriere, die Anerkennung der Fans, und die aktuelle Schalker Krise gesprochen.
Marcelo Bordon, im Jahr 2011 haben Sie Ihre Karriere beendet. Was machen sie aktuell?
Marcelo Bordon: Ich lebe mit meiner Familie in Brasilien. Wir haben ein gutes Leben. Ich betreibe ein Fitnessstudio und fungiere für einige Spieler als Berater. Diese Tätigkeit mache ich aber nicht hauptberuflich. Dazu bin ich ein Familienmensch. Mein ältester Sohn Filipe ist 15 Jahre jung und schon Kapitän bei einem Verein hier in Brasilien. Er ist ebenfalls Innenverteidiger und hat großes Potenzial. Mein Junge ist besser als ich.
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1999 sind Sie aus Sao Paulo zum VfB Stuttgart gewechselt und haben dort bis 2004 gespielt. Was haben Sie für Erinnerungen an diese Zeit?
Die ersten zwei Jahre waren eine Katastrophe und wir sind fast abgestiegen. Ich hatte Probleme mit der Sprache und die Situation war kompliziert. Als Felix Magath 2001 als Trainer verpflichtet wurde, haben wir besser gespielt und uns sogar für die Champions League qualifiziert. Da haben wir Manchester United mit Cristiano Ronaldo besiegt. Die letzten Jahre waren super und ich habe immer alles für Stuttgart gegeben.
Dann folgte 2004 der Wechsel in den Ruhrpott zum FC Schalke 04. Sie haben sechs Jahre für Schalke gespielt und waren von 2006 bis 2009 Kapitän. Insgesamt wurden sie dreimal Vize-Meister. Warum hat es nicht zur Meisterschaft gereicht?
Schalke ist ein ganz spezieller Verein. In der Saison 2006/07 waren wir fast schon Meister, haben aber großes Pech gehabt. Wir hatten in der wichtigsten Saisonphase viele Verletzungen und Sperren. Ich kann bis heute nicht schlafen, wenn ich an diese Saison zurückdenke. Es tut extrem weh. Das war mein schlimmster Karriere-Moment. Durch unsere guten Leistungen haben wir uns aber international Respekt verschafft. Es gibt seit dieser Zeit in Brasilien Schalke-Trikots zu kaufen. Das ist schon verrückt.
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Sie haben von 2004 bis 2009 zusammen mit Mladen Krstajic in der Innenverteidigung gespielt. Dieses Duo galt zeitweise als bestes in der Bundesliga. Was hat Krstajic ausgezeichnet?
Wir waren ein Top-Duo. Krstajic war ein anderes Kaliber. Ich habe aber auch in Stuttgart zusammen mit Fernando Meira gut harmoniert. Wir haben 2003 einen Rekord aufgestellt und sind 884 Minuten ohne Gegentor geblieben. Das waren über neun Spiele.
Sie haben in Stuttgart und auf Schalke jeweils mit den Trainern Ralf Rangnick und Felix Magath zusammengearbeitet. Wie haben Sie die Trainer wahrgenommen?
Ralf und Felix sind vollkommen verschiedene Charaktere. Ralf war für mich wie ein Vater und Berater, der mir in meiner Anfangszeit in Deutschland extrem viel geholfen hat. Bei Felix Magath war die Mannschaft körperlich in der besten Form. Sein Konditionstrainer hat uns extrem fit gemacht. Beide Trainer sind sehr gut, auch wenn es nicht einfach war, mit Felix zu arbeiten.
Mit welchen Mitspielern aus Ihrer aktiven Zeit auf Schalke haben Sie noch Kontakt?
Ich habe heute noch Kontakt mit Lincoln, Rafinha, Kevin Kuranyi, Gustavo Varela, Mladen Krstajic, Jermaine Jones und Ailton. Ailton ist ein super Typ, kann aber trotz der langen Zeit in Deutschland immer noch kein Wort Deutsch (lacht).
Sie haben ein Länderspiel für Brasilien absolviert und waren im Kader bei der Copa America 2004, wo Sie aber nicht zum Einsatz gekommen sind. Wer war der beste Mitspieler in der brasilianischen Nationalmannschaft?
Der beste Spieler war Ronaldo. Er war unglaublich gut. Aber auch Ronaldinho war überragend. In meiner Zeit in Stuttgart gab es Überlegungen, dass ich für Deutschland spielen werde. Als ich dann mein erstes Länderspiel für Brasilien gegen Ungarn bestritten habe, war ein Wechsel ausgeschlossen. Dede von Dortmund sollte auch für Deutschland spielen. Ich hätte alles für Deutschland gegeben und fühle mich mehr deutsch als brasilianisch. Natürlich hätte ich gerne mehr Länderspiele bestritten, aber insgesamt bin ich zufrieden mit meiner Karriere.
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Sie sind auf Schalke eine Legende und bei den Fans extrem beliebt. Im Jahr 2011 wurden Sie in die Ehrenkabine aufgenommen und zuletzt von den Fans in einem Sky-Voting zum besten Innenverteidiger seit 2000 gewählt. Was bedeutet Ihnen diese Anerkennung?
Da bekomme ich Gänsehaut. So etwas kann man nicht kaufen. Ich war immer mit dem Herzen dabei und habe mein Leben für Schalke gegeben. Ich habe heute noch das Gefühl, etwas für den Verein tun zu müssen. Schalke fehlt mir. Ich wollte am Ende meiner Karriere sogar umsonst für Schalke spielen, aber Felix Magath hat mich freigegeben. Das hat mein Herz gebrochen. 2011 habe ich mein Abschiedsspiel in der VELTINS-Arena vor knapp 40.000 Zuschauern gegeben. Dieses Spiel ist sogar in Brasilien bekannt. Es war ganz besonders und ein tolles Gefühl. Die Zeit auf Schalke war sehr schön.
Verfolgen Sie die Entwicklung von Schalke 04 und was sagen Sie zur aktuellen Krise?
Ich schaue alle Spiele in Brasilien an. Nach der 0:4-Niederlage in Dortmund habe ich gewusst, dass Schalke mit dieser Mannschaft keine Punkte mehr holen wird. Die Spieler müssen die Geschichte von Schalke kennen. Es fehlt die Identifikation und jeder macht, was er will.
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Was genau meinen Sie damit?
Die meisten Spieler haben kein Potenzial und keinen Charakter, um für Schalke zu spielen. Sie verstehen Schalke nicht. Gelsenkirchen ist eine relativ arme Stadt, also muss man 120 Prozent für den Verein und die Fans geben. Ich sehe Straßenfußballer in Brasilien, die mehr Qualität haben als die Schalke-Spieler. Es passt gar nichts. Dazu braucht der Verein einen Manager mit einer guten Mentalität. Rudi Assauer war der beste Manager. Er hat das Stadion gebaut. So jemand kommt nie wieder.
Haben Sie einen Wunsch für die Zukunft?
Mein Traum ist, dass mein Sohn mit Schalke 04 Meister wird. Das habe ich leider nicht geschafft, obwohl wir nah dran waren.