Fort Lauderdale. Schalkes Manager Horst Heldt rechtfertigt im Interview seine Transferpolitik und spricht über sein Verhältnis zu Aufsichtsratboss Clemens Tönnies.

Es war ein schöner Tag an der amerikanischen Ost-Küste, der Blick von der Hotel-Terrasse aufs Meer war herrlich. Zwei Stunden nahm sich Horst Heldt hier Zeit für sein abschließendes Interview in seinem wahrscheinlich letzten Trainingslager als Manager des FC Schalke 04.

Herr Heldt, Ihr Sohn Paul hatte schon kein leichtes Jahr, weil Sie seinen Lieblingsspieler Julian Draxler verkauft haben. Haben Sie ihm eigentlich schon gesagt, dass Sie wahrscheinlich auch bald nicht mehr hier sind?

Horst Heldt (lacht laut): Ja, wir haben ihn schon damit konfrontiert, dass ich im Sommer eventuell nicht mehr bei Schalke bin.

Wie hat er reagiert?

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Heldt: Für einen Fünfjährigen ist es nicht so einfach, die Zusammenhänge zu verstehen. Er schlägt mir jetzt vor, wo wir demnächst überall wohnen könnten und was ihm gefällt. Das ändert sich aber von Tag zu Tag. Angefangen hat es mit Rom, dann hat er Werder Bremen vorgeschlagen, mittlerweile sind wir bei Hawaii gelandet.

Und wo würden Sie demnächst am liebsten leben und arbeiten?

Heldt: Auf Hawaii zu leben, ist nicht die schlechteste Idee. Da wird allerdings nur wenig Fußball gespielt (lächelt). Und Stand heute kann ich mir nicht vorstellen, eine längere Auszeit zu nehmen. Ernsthafte Gedanken über eine neue Aufgabe habe ich mir aber wirklich bisher noch keine gemacht, weil ich mich jetzt voll und ganz auf meine Aufgabe hier auf Schalke fokussiere.

Es gab aber schon Anfragen von Klubs, bei denen Sie sofort hätten anfangen können?

Heldt: Ich beschäftige mich einfach noch nicht damit. Der Zeitpunkt wird kommen.

Wissen Sie eigentlich inzwischen, warum Sie gehen müssen, obwohl es auf Schalke in dieser Saison wieder besser läuft?

Heldt (überlegt lange): Es steht noch ein Gespräch aus.

Was vermuten Sie?

Heldt: Ich weiß es nicht. Clemens Tönnies und ich haben vereinbart, dass wir uns irgendwann zusammensetzen und darüber reden werden.

Hinter vorgehaltener Hand werden zwei Gründe genannt. Erstens: Die von Ihnen zusammengestellte Mannschaft sei zu teuer.

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Heldt: Ich weiß, dass die Mannschaft im Verhältnis zu anderen Teams nicht zu teuer ist. Der Kader hat die Kosten zudem auch wieder eingespielt, indem wir drei Jahre in der Champions League vertreten waren, was es bis dato hier noch nie gegeben hatte. Wir, das heißt meine Vorstandskollegen und ich in Zusammenarbeit mit dem Aufsichtsrat, haben in den vergangenen sechs Jahren, seit ich hier bin, über 90 Millionen Euro an Finanzverbindlichkeiten abgebaut. Das sind Gelder, von denen zumindest ein Teil sonst in die Mannschaft hätte investiert werden können.

Der zweite Vorwurf: Sie seien nicht entscheidungsfreudig genug.

Heldt: Das wundert mich, wenn dies geäußert wird, und das kann ich auch mit vielen Entscheidungen widerlegen, die ich getroffen habe. Das fängt bei der Nachwuchsabteilung an und hört bei der aktuellen Saison auf. Wer hat denn die Knappenschmiede in den vergangenen Jahren professionalisiert und den Begriff überhaupt erfunden? Wer hat denn den Vertrag mit Leroy Sané verlängert? Und wer hat denn den Vertrag mit Julian Draxler mehrmals verlängert? Am Ende ist ein 40-Millionen-Transfer dabei herausgekommen.

Horst Heldt: "Leroy möchte Schalke derzeit auch gar nicht verlassen" 

Lothar Matthäus hat in der Sport-Bild behauptet: Für die Verkäufe von Manuel Neuer und Julian Draxler könnten Sie nichts, aber sie hätten Ihre Transferbilanz gerettet.

Heldt: Eigentlich müsste ich mich mit einer sogenannten Expertenkolumne von Lothar Matthäus gar nicht erst beschäftigen. Seine Aussagen entbehren jeglicher Grundlage. Ohne jeden Zweifel ist Matthäus einer der größten Fußballer, die der deutsche Fußball hervorgebracht hat. Seine Erfolge als Trainer waren hingegen bekanntlich schon recht überschaubar. Dass er jetzt aber als sogenannter Experte über Dinge schreibt, bei denen ihm offensichtlich jegliches Hintergrundwissen fehlt, halte ich für höchst unseriös. Ich bezweifle, dass Matthäus je eine Vereinsbilanz in den Händen gehalten hat oder diese überhaupt fehlerfrei lesen kann. Damit dürfte alles zu dem Thema gesagt sein.

Sie lassen sich Ihre Zeit auf Schalke also nicht schlecht reden?

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Heldt: Bei meinem Amtsantritt haben wir uns drei elementare Ziele gesetzt: die Konsolidierung der Vereinsfinanzen, zweitens die Einbindung der eigenen Talente, drittens den unter diesen Rahmenbedingungen größtmöglichen sportlichen Erfolg. Und da ist einiges passiert in meiner Verantwortung. Definitiv finden wir auch Entscheidungen, die sich als falsch herausgestellt haben. Das wird auch in Zukunft so sein: Bei jedem Manager und bei jedem Verein - nicht nur bei Schalke 04.

Das Thema des Trainingslagers waren die Spekulationen um Leroy Sané. Was glauben Sie: Wann wird sich die Frage eines Wechsels ernsthaft stellen?

Heldt: Die Fakten sind klar: Leroy hat bei uns einen Vertrag bis 2019 und weder für diese Transferperiode, noch im Sommer eine Ausstiegsklausel. Leroy möchte Schalke derzeit auch gar nicht verlassen und wir haben aktuell für ihn kein Angebot vorliegen. Doch wenn seine Entwicklung so weiterläuft wie zuletzt, wird er irgendwann gehen - unabhängig von dem, was im Vertrag steht. Da sollte muss man sich keinen Illusionen hingegeben. Sind wir doch realistisch: Wenn ein ganz großer europäischer Klub anklopft und alle Hebel in Bewegung setzt, dann gibt es in ganz Europa nur sechs, sieben Vereine, die einen solchen Transfer verhindern könnten.

Zuletzt hieß es sogar, Sané sei mit dem FC Barcelona bereits einig. Dürfte Barcelona denn schon eine Vereinbarung mit dem Spieler machen, ohne Sie zu informieren?

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Heldt: Natürlich nicht, weil der Spieler einen Vertrag bis 2019 hat. Aber man kann davon ausgehen, dass Vereine sich jetzt schon positionieren. Das wird im Sommer sicher ein Thema werden, dann wird der Verein damit konfrontiert werden.

Wenn man Sie im Trainingslager beobachtet hat, sah es so aus, als würden Sie Ihren Job wie immer machen - unabhängig von Ihrer persönlichen Zukunft.

Heldt: Ich habe immer gesagt, Dass ich meine Aufgabe gewissenhaft bis zu dem Tag mache, an dem ich den Verein verlassen sollte. Wir haben angekündigt, dass wir den Kader im Winter noch einmal verändern wollen, und das hat jetzt im Januar stattgefunden.

Horst Heldt zu S04-Boss Tönnies: "Wir tauschen uns nicht nur über Transfers aus" 

Sie mussten sich diesmal nicht jeden Transfer vom Aufsichtsrat genehmigen lassen, da Sie in diesem Winter über ein Gesamtbudget verfügen können. Haben Sie Clemens Tönnies trotzdem informiert?

Heldt: Natürlich, weil diese Abläufe nicht außer Kraft gesetzt sind. Clemens Tönnies bildet mit Peter Lange den Eilausschuss, mit dem ich eng zusammenarbeite. Wir informieren über das, was wir vorhaben, und wenn eine Einigung erzielt ist, geht es durch den Eilausschuss.

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Das sind aktuell die einzigen Gespräche mit Tönnies?

Heldt: Nein. Er hat sich auch im Trainingslager bei mir über den Stand der Dinge in der Mannschaft erkundigt. Wir tauschen uns nicht nur über Transfers aus.

Er informiert Sie aber nicht, wie der Stand der Dinge bei der Verpflichtung Ihres designierten Nachfolgers Christian Heidel ist?

Heldt: Nein, das muss er auch nicht. Das ist nicht mein Thema.

Würden Sie mit Heidel reden, wenn er Sie anruft?

Heldt: Warum sollte ich nicht mit ihm reden? Ich habe nur gesagt, dass ich mich mit ihm nicht abstimmen werde - das ist ein Unterschied. Er hat aber noch nicht angerufen.

Gesetzt den Fall, Sie bleiben bis zu Ihrem Vertragsende am 30. Juni: Liegt dann auch die Planung für die neue Saison in Ihren Händen?

Heldt: Es stehen ja noch einige kurzfristige Entscheidungen an, die über den Sommer hinausgehen - so wie die Verpflichtung von Alessandro Schöpf auch schon über den Sommer hinausging, weil er einen Vertrag für dreieinhalb Jahre bekommen hat. Wir werden bald eine Entscheidung bei Joel Matip haben, ich bin in Gesprächen mit unserem Kapitän Benedikt Höwedes bezüglich einer Vertragsverlängerung, und wir wollen kurzfristig Gespräche mit Eric Choupo-Moting über eine vorzeitige Verlängerung führen. Das sind alles Themen, die man jetzt behandeln muss, da darf man den Zeitpunkt nicht verpassen. Diese Dinge werde ich abarbeiten. Und wir sind dabei, im Nachwuchsbereich schon jetzt Spieler zu verpflichten, die erst in einigen Jahren ihren Wert in der ersten Mannschaft unter Beweis stellen können.

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Wenn Sie die Zeit auf Schalke mit einem Satz zusammenfassen sollten...

Heldt: … dann lehne ich das im Moment noch ab. Ich lade Sie gerne ein, mir diese Frage zu einem späteren Zeitpunkt nochmal zu stellen. Derzeit halte ich das noch für zu früh.