Essen/Gelsenkirchen. Rot-Weiss gegen S04 in der Regionalliga – und viele Spieler mit Profi-Ambitionen: Vier Essener und drei Schalker, die den Sprung schaffen können.

„Da brenne ich natürlich“, sagte Schalkes Timo Becker vor eineinhalb Jahren vor dem Revierderby. Damals traf er mit der Schalker U23 auf seinen Ex-Verein Rot-Weiss Essen. Wenn sich diese beiden Teams am Samstag in der Fußball-Regionalliga an der Essener Hafenstraße wiedersehen, ist Becker nicht dabei – der 24-Jährige ist inzwischen in der Schalker Bundesliga-Mannschaft fest gesetzt.

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Aber auch wenn Timo Becker nicht dabei ist: Sowohl im Kader des (inzwischen etwas abgehängten) Aufstiegsfavoriten RWE als auch in der U23 des FC Schalke, der für die kommende Saison einen ganz neuen Kader (wohl für die zweite Liga) aufbauen muss, gibt es viele Spieler mit der Ambition, es in den Profibereich zu schaffen – ob durch einen Aufstieg, einen Vereinswechsel oder eben einem Sprung innerhalb des Vereins.

Wir stellen sieben Kandidaten vor, die gute Chancen haben, sich bald auch eine oder zwei Ligen höher durchzusetzen – oder gar wie Timo Becker in der Bundesliga.

Schalker U23, dann RWE: Sandro Plechaty (23) geht den umgekehrten Becker-Weg

Wir beginnen mit einem Spieler, der nicht nur Beckers Position (hinten rechts) besetzt, sondern ebenfalls sowohl Rot-Weiss als auch Königsblau kennt: Sandro Plechaty schaffte mit Schalkes U23 den Aufstieg in die Regionalliga, wechselte im Sommer nach Essen. Am Samstag fehlt er allerdings verletzt – sein Ausfall ist sicherlich einer der Gründe für die aktuelle Essener Negativsträhne.

Plechaty ist allerdings kein gelernter Verteidiger, spielte auch bei Schalke oft noch einen offensiveren Part. Das ist eine seiner Stärken: „Plechaty ist ja kein typischer Defensivspieler. Er hat für einen Außenverteidiger alle technischen Fähigkeiten, einen super ersten Kontakt, hohe Spielintelligenz und auch den Drang und Mut im Spiel nach vorne“, sagt Christian Knappmann, der regelmäßig als Scout in der Regionalliga unterwegs ist (und früher für RWE stürmte). Knappmanns Fazit: „Plechaty ist aus den beiden Kadern für mich der Spieler, der alle Fähigkeiten hat, die auch zwei Ligen höher funktionieren, er bringt alles mit.“

Léo Scienza (22) kriegt viele Komplimente, kommt aber gerade nicht auf Touren

Er ist der Mann, der das Spiel des U-23-Teams des FC Schalke 04 in der Regionalliga-Hinrunde regelmäßig geprägt, der immer wieder mal für außergewöhnliche Momente gesorgt hat: Léo Scienza, der offensive Mittelfeld-Spieler. „Er hat klare Ziele“, hat Trainer Torsten Fröhling nicht nur einmal über den 22-jährigen Brasilianer gesagt, der auch die Staatsbürgerschaft Luxemburgs besitzt und dort längst auf dem Zettel von Nationaltrainer Luc Holtz steht.

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In dieser Saison kommt Scienza, der mit einem Marktwert von 100.000 Euro beziffert wird, auf vier Tore und drei Vorlagen, aber in diesem Jahr noch nicht richtig auf Touren. Das liegt allerdings auch daran, dass ihn Verletzungen immer wieder zurückgeworfen haben und er nun an der Leiste operiert worden ist. Es ist zuletzt nicht zu übersehen, dass die zahlreichen Komplimente des vergangenen Jahres das Potenzial Léo Scienzas nicht gefördert haben.

Es war der 7. November, als Torsten Fröhling nach dem 2:1-Sieg über den Bonner SC erstmals deutlich heraushob, dass er von Léo Scienza begeistert ist. Er lobte vor allem die Spielintelligenz seiner Nummer 12, die so ausgeprägt sei, dass „unsere noch nicht einmal wissen, was er macht“. Der Schalker U-23-Trainer glaubte 2020 nicht nur einmal, Léo Scienza, der einen Vertrag bis zum 30. Juni 2022 besitzt, schon bald im Trikot der Profis zu sehen.

Daniel Heber (26): Steigt RWE nicht auf, wäre der Modellathlet kaum zu halten

Unglaublich zweikampfstark: Daniel Heber (hier im Regionalliga-Spitzenspiel gegen die U23 von Borussia Dortmund) hat sich auch schon gegen die Bundesliga-Stürmer von BIelefeld, Düsseldorf und Leverkusen durchgesetzt.
Unglaublich zweikampfstark: Daniel Heber (hier im Regionalliga-Spitzenspiel gegen die U23 von Borussia Dortmund) hat sich auch schon gegen die Bundesliga-Stürmer von BIelefeld, Düsseldorf und Leverkusen durchgesetzt. © FUNKE Foto Services | Thorsten Tillmann

Bisher war der Innenverteidiger von RWE nur dem Regionalliga-Publikum bekannt. Bis zum DFB-Pokal-Wettbewerb in dieser Saison. Da eliminierte Daniel Heber (26) die Profistürmer aus Bielefeld, Düsseldorf und selbst die vom Champions-League-Teilnehmer Bayer Leverkusen zur Bedeutungslosigkeit. Wenn der Deutsch-Ghanaer ins Tackling geht, steht der Sieger des Zweikampfs fast immer fest. Und auch im Luftkampf ist ihm selten beizukommen. Zwar nur 1,82 Meter groß, verfügt der Modell-Athlet über die Sprungkraft eines Hochspringers.

Sein Werdegang ist kurios: Nach seinem letzten Jugendjahr in der Bundesliga-Mannschaft von Rot-Weiss Essen wechselte er 2013 ins Juniorenteam des VfL Bochum. Bei den Senioren kam er in der U23 des VfL zum Einsatz, mit Perspektive in den Profikader. Als die U23 sich vom Spielgeschehen zurückzog, verpflichtete ihn Rot-Weiß Oberhausen tatsächlich von der Couch, das Riesentalent war vereinslos. In der Regionalliga wurden auch die Rot-Weissen wieder auf ihn aufmerksam. Seit 2018 ist er wieder an der Hafenstraße: Erst als Außenverteidiger, inzwischen eine Bank in der Abwehrmitte.

Sollte RWE den Aufstieg in dieser Saison nicht schaffen, wird es sehr schwer werden, die namhafte Konkurrenz von einer Verpflichtung abzuhalten, sein Vertrag läuft im Sommer aus.

Florian „Hansi“ Flick (20) ist auf dem Sprung in den Schalker Profi-Kader

Klar: Weil er Flick heißt, ist er bei den U-23-Fußballern des FC Schalke 04 der „Hansi“. Und Florian Flick ist im Team von Trainer Torsten Fröhling eine außergewöhnliche Konstante. 29-mal hat der 20-Jährige, der vor dieser Saison vom SV Waldhof Mannheim nach Gelsenkirchen gekommen ist, in der Startelf gestanden, 28-mal hat er durchgespielt.

Im Bundesliga-Kader der Schalker kennen sie ihn schon: Florian Flick hier im Training im Dezember auf den Spuren von Hamza Mendyal. Gegen Mainz saß Flick zuletzt in der Bundesliga auf der Bank.
Im Bundesliga-Kader der Schalker kennen sie ihn schon: Florian Flick hier im Training im Dezember auf den Spuren von Hamza Mendyal. Gegen Mainz saß Flick zuletzt in der Bundesliga auf der Bank. © RHR-FOTO | RHR-FOTO/Tim Rehbein for FC Schalke 04/Pool

Flick ist vor der Abwehr gesetzt und hat schon mehrere Male angedeutet, dass die viertklassige Regionalliga für ihn längst nicht Endstation sein muss. Schalkes Bundesliga-Trainer Dimitrios Grammozis berief ihn bei seinem Einstand gegen Mainz (0:0) erstmals in den Schalker Bundesliga-Kader.

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Was den defensiven Mittelfeld-Spieler so auszeichnet, wurde am vergangenen Samstag beim 4:1-Erfolg gegen die Sportfreunde Lotte sehr deutlich. Da war er – nicht zum ersten Mal – der herausragende Fußballer. Trainer Fröhling fasste Flicks Leistung so zusammen: „Was Florian hier an Kilometern abreißt und wie er immer wieder Lücken schließt, die Bälle fordert und nach vorne bringt, das hat uns sehr geholfen.“ Flick besitzt einen Vertrag bis zum 30. Juni 2022, sein Marktwert wird auf 175.000 Euro beziffert.

Cedric Harenbrock (22) wurde von zwei Kreuzbandrissen ausgebremst

Das Comeback im Oktober war traumhaft: Cedric Harenbrock (22) hatte gerade gegen Fortuna Düsseldorf II ruhig und abgezockt das 2:0 gemacht und badete in einer Spielertraube. Erstmals nach einer unglaublichen Leidenszeit war er bei Rot-Weiss Essen ins Aufgebot gerutscht, wurde eingewechselt und siegte. Seither ist er bei RWE ein Aktivposten in der Offensive, ein filigraner Vorbereiter mit Übersicht und exzellenter Schusstechnik. Mit fünf Tore ist er drittbester Torschütze.

Vielleicht würde der Mittelfeldspieler schon jetzt ein, zwei Ligen höher kicken. Doch das Schicksal hatte ihn gnadenlos ausgebremst. Im Sommer 2017 war Harenbrock als hoffnungsvolles Talent aus der A-Jugend von Bayer Leverkusen nach Essen gekommen, im April 2018 riss er sich das Kreuzband. Gerade genesen, passierte ihm das Malheur gleich noch einmal. Harenbrock kämpfte sich immer wieder heran, legte dabei auch noch an Physis zu und bringt nun alles mit für den Sprung in höhere Sphären.

Amara Condé (24): Farat Toku kennt in der Regionalliga „wenig Bessere“

Farat Toku, Regionalliga-Experte und ehemaliger Trainer der SG Wattenscheid 09 hat im Essener Team auf jeden Fall einen Liebling: „Mir ist in den Spielen, die ich von Rot-Weiss Essen gesehen habe, Amara Condé aufgefallen. Wie er sich im Training präsentiert, kann ich natürlich nicht beurteilen, aber er hat als Mittelfeldspieler eine gute Balance in seinem Spiel. Er wirkt sehr präsent, ist technisch und physisch stark. Zuletzt hat Condé wieder öfter von Beginn an gespielt. Zwischenzeitlich wurde er nur eingewechselt. Für meine Spielidee würde er optimal passen. Ich habe in der Regionalliga wenig Bessere gesehen.“

Den Gegenspieler aussteigen lassen: Rot-Weiss Essens Amara Condé zeigt seine Technik im Spiel gegen den SV Straelen.
Den Gegenspieler aussteigen lassen: Rot-Weiss Essens Amara Condé zeigt seine Technik im Spiel gegen den SV Straelen. © Thorsten Tillmann

Auch wenn Condé schon 24 Jahre alt ist, ist es laut Toku noch nicht zu spät: „Das Potenzial für den Profibereich sehe ich bei ihm auf jeden Fall. Und den Durchbruch kann man auch noch mit Mitte 20 schaffen.“

Für Bastian Frölich (21) geht es auf Schalke nach dieser Saison nicht weiter

Auf Schalker Seite sieht Farat Toku besonders bei Bastian Frölich Potenzial – wie am Freitag bekannt wurde, geht es für den 21-Jährigen nach dieser Saison allerdings nicht weiter in Königsblau.

Toku, der Frölich 2019 vom VfB Stuttgart nach Wattenscheid holte, meint: „Bei ihm sehe ich trotzdem etwas. Er war damals noch sehr jung und brauchte eine gewisse Anlaufzeit. Wir haben viele Gespräche geführt. Bastian ist ein sehr solider Abwehrspieler, er hat sich super entwickelt. Er hat bei mir richtig gute Spiele gemacht, bevor es dann in Wattenscheid in die Insolvenz ging und ich ihm beim Wechsel nach Schalke etwas geholfen habe. Bei Schalke hatte er ebenfalls gute Ansätze, aber keine konstanten Einsatzzeiten.“ Frölich brauche auf seinem weiteren Weg sicherlich ein bisschen Geduld, er brauche aber Wettkampfpraxis: „Zutrauen würde ich ihm den Sprung in den Profisektor durchaus.“

Toku erinnert: Nicht nur das Talent entscheidet, wer es schafft

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Der ehemalige Wattenscheider Trainer erinnert aber daran, dass es an der Schwelle zum Profibereich mehr braucht als nur Talent: „Und du brauchst halt irgendwann auch etwas Glück. Bei Schalkes Timo Becker war es nicht nur Talent, sondern auch die Situation, die ihm den Sprung in die Bundesliga ermöglicht hat. Wenn Schalke Tabellensechster gewesen wäre und keine Personalsorgen gehabt hätte, wäre es für ihm vermutlich schwer geworden, überhaupt in den 18er-Kader zu kommen. Dass es solche Jungs wie Timo packen, ist aber schön und ein wichtiges Signal, dass es mit jungen Leuten aus unteren Ligen eben doch geht.“ AHa / helm / haro / tt / phz