Gelsenkirchen/Essen. Der Ex-Essener und Ex-Schalker Willi Landgraf über Schalker Weltstars, das Georg-Melches Stadion, zweite Mannschaften und seine Beziehung zu RWE.
Mit 508 Zweitliga-Spielen ist Willi Landgraf auch 15 Jahre nach seinem letzten Einsatz für Alemannia Aachen noch einsamer Rekordhalter. „Diese Marke wird mir niemand mehr wegnehmen. Und wenn doch, dann ziehe ich den Hut und gratuliere ganz herzlich“, sagt der 52-Jährige, der seine Profi-Laufbahn 1986 bei Rot-Weiss Essen begonnen hatte und zum Ausklang seiner Karriere noch drei Jahre für die zweite Mannschaft des FC Schalke 04 spielte. Vor dem Regionalliga-Duell zwischen RWE und der königsblauen U23 (Samstag, 14 Uhr, Stadion Essen) blickt Landgraf auf alte Zeiten bei beiden Vereinen zurück.
Herr Landgraf, Sie sind seit 2009 als Nachwuchstrainer auf Schalke tätig. Haben Sie Ihren früheren Verein Rot-Weiss Essen eigentlich noch im Blick?
Willi Landgraf: Natürlich. Die Essener Spiele im DFB-Pokal gegen Bayer Leverkusen und Holstein Kiel habe ich mir natürlich im Fernsehen angeschaut. Auch in der Familie ist RWE bei uns Thema. Mein Schwager hat seit Jahren zwei Dauerkarten, auch wenn er wegen der Corona-Pandemie im Moment keinen Gebrauch davon machen kann. Rot-Weiss Essen wird für uns immer ein großer Verein bleiben. Auch, wenn wir irgendwann nicht mehr auf der Welt sind.
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Trotz Ihres Lobes droht Rot-Weiss eine weitere Saison in der Regionalliga West. Der Rückstand auf Spitzenreiter Borussia Dortmund U23 beträgt sechs Punkte. Was wünschen Sie Ihrem Ex-Verein?
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Egal, wo man arbeitet und wie groß die Rivalität auch sein mag: Solche Traditionsvereine wie RWE gehören einfach in den Profibereich. Es ist wichtig, dass diese Klubs irgendwann wieder aufsteigen. Je länger man von den ersten drei Ligen weg ist, desto schwieriger wird es allerdings. Für die Essener war in dieser Saison wichtig, dass sie durch den DFB-Pokal zusätzliches Geld eingenommen haben. Damit sind die Kassen schon mal etwas gefüllt.
Stichwort Kasse: Was haben Sie früher bei RWE erlebt?
Zu meiner Zeit war da einiges los. Ich habe in Essen mal eine Phase erlebt, in der wir Spieler drei Monate kein Geld bekommen haben, weil einfach nichts da war. 1991 wurde RWE die Lizenz entzogen. Zur damaligen Zeit hat Manfred Ommer Essen unterstützt. Es gab damals das sogenannte Ommer-Modell, bei dem Spieler erst gekauft und dann regelrecht verscherbelt wurden. Ich bin dann beim FC Homburg gelandet, bei dem Manfred Ommer die Geschicke mitgelenkt hat. Drei Jahre später bin ich noch mal zu RWE zurückgekehrt.
Was hat sich bei Ihrem alten Verein am meisten verändert?
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Das Stadion. Wenn man früher im alten Georg-Melches-Stadion aufgelaufen ist, dann war das Gänsehaut pur. Das war alles schon in die Jahre gekommen, hatte aber ein gewisses Flair. Es durfte halt nur nicht auf die Haupttribüne regnen (lacht). Wenn man sieht, was da heute für ein schönes, modernes Stadion steht, dann hat der Verein schon einen Riesenschritt in die Zukunft gemacht.
Bei RWE waren sie zunächst das Talent und danach der Rückkehrer, bei Schalkes U23 später der älteste Spieler im Kader. Warum sind Sie zu den Königsblauen gewechselt?
Für mich war es nach der Zeit in Aachen genau das Richtige. Ich hatte Bock darauf, als erfahrener Spieler die vielen jungen Leute zu führen. Mir hat das unheimlich viel Spaß gemacht. Wir hatten damals auch eine Riesentruppe. Ich habe mit dem jungen Benedikt Höwedes, mit Manuel Neuer, Ralf Fährmann, Tim Hoogland, Alexander Baumjohann zusammengespielt - und mit Danny Latza, der ja zur neuen Saison aus Mainz zurück zu Schalke kommt. Wir hatten eine unglaubliche Qualität.
Haben Sie damals schon erkannt, dass Spieler wie Manuel Neuer einmal in die Weltspitze durchstarten würden?
Bei Manuel konnte man das Riesen-Talent schon früh erkennen. Wenn er im Tor stand und ein gegnerischer Spieler mit dem Ball auf unseren Kasten zugelaufen ist, habe ich mich weggedreht, weil ich genau wusste: Der Ball geht niemals rein.
Sie wären auf Schalke fast noch zu Bundesliga-Ehren gekommen. Was war der Auslöser?
Wir hatten im Januar 2007 nicht genug deutsche Spieler im Kader. Deswegen hat man mich zur Bundesliga-Mannschaft hochgezogen. Ich habe dort mittrainiert, stand auch in der offiziellen Kaderliste, habe es aber kein einziges Mal ins 18er-Aufgebot für den Spieltag geschafft. Der Fall wäre nur bei großen Personalsorgen eingetreten. Aber ich war auch so zufrieden mit meiner Schalker Zeit in der U23.
Sie haben mit Rot-Weiss Essen früher in der Regionalliga selbst gegen U-Mannschaften von Bundesligisten gespielt. Warum waren diese Duelle so unangenehm?
Weil du immer etwas zu verlieren hattest. Gerade RWE ist für Nachwuchsteams von Bundesligisten ein Name, das war dann schon etwas Besonderes für junge Spieler. Gegen Rot-Weiss waren immer alle topmotiviert. Du musstest stets ans Limit gehen und wusstest eigentlich nie, was dich genau erwartet. Sind da Profis mit dabei? Welches Talent steht auf dem Sprung nach oben? Das war immer schwierig für den vermeintlichen Favoriten. Für Schalkes U23 ist es am Samstag ein Vorteil, dass Essen ohne seine lautstarken Fans spielt. Wenn die Hütte voll ist, werden noch ganz andere Emotionen frei. Jetzt hört man halt im leeren Stadion jedes Wort vom Trainer (lacht).