La Manga. . Helmut Schulte, Manager des Zweitligisten Fortuna Düsseldorf, sprach am Rande des Trainingslager im spanischen La Manga über den neuen Trainer Köstner, den kurzfristigen Traum vom Aufstieg in die Bundesliga und über mögliche Reizverluste im Fußball-Geschäft.

Helmut Schulte und Fortuna. Das ist ein Arbeitsverhältnis in der Findungsphase. Der neue Sportvorstand findet das genau richtig, weil „explodierte Schreibtische“ im Fußball-Metier ja an der Tagesordnung seien. Seine persönliche Sicht der Dinge, nicht nur über den Zweitliga-Zehnten, schildert der 57-jährige Diplom-Sportlehrer aus Olpe im Interview in La Manga/Spanien.

Welche Frage ist tabu?

Helmut Schulte: Meine Zusammenarbeit mit Wolf Werner ist hinreichend beleuchtet.

Sie haben als Trainer, Manager und Nachwuchskoordinator einen ähnlichen Werdegang wie Werner. Muss man da noch in die Lehre oder ist die Zusammenarbeit nur ein vertraglicher Sachzwang?

Schulte: Grundsätzlich finde ich es gut, dass ein Nachfolger eingearbeitet wird. Das ist nicht selbstverständlich. Als ich St. Pauli 2012 zum dritten Mal verließ, habe ich mich mit Rachid (Azzouzi, Pauli-Sportchef, d.Red.) verabredet und drei Stunden geredet. Weil er Dinge wissen sollte, die ich wichtig fand.

Mit welchen Erkenntnissen haben Sie Ihr Auslandsengagement bei Rapid Wien beendet?

Schulte: Österreich ist nicht Chile. Trotzdem habe ich einiges mitgenommen. Dass man dem Menschen gegenüber aufmerksamer ist. Man bekommt auch einen anderen Blick gegenüber den Aufgeregtheiten im deutschen Fußball.

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Einen gelasseneren als zuvor?

Schulte: Auf jeden Fall.

Sie haben sich selbst mal als Fußball-Romantiker bezeichnet.

Schulte: Stimmt. Deshalb halte ich auch nichts davon, einen Videobeweis bei Torentscheidung einzuführen

Dann gäbe es aber vermutlich mehr Gerechtigkeit im Fußball.

Schulte: Man muss aber Sieg und Niederlage im Sport aushalten können. Ungerechtigkeiten gibt es im Leben immer. Schiedsrichter-Entscheidungen zählen dazu.

Haben Sie das auch schon so als Jungtrainer gesehen?

Schulte: Diese Gelassenheit hatte ich damals noch nicht. Fehler gehören zum Menschen und zum Sport dazu. Englands 3:2 gegen Deutschland aus dem WM-Finale 1966 wäre längst vergessen ohne Wembley-Lattenunterkante.

Wird das Netzloch-Kopfballtor von Stefan Kießling auch noch in 40 Jahren diskutiert?

Schulte: Weiß ich nicht. Aber: Das Ding in Hoffenheim war sensationell, das wurde weltweit gesehen. Dabei war’s schlicht menschliches Versagen eines Platzwarts. Kießling hat genau gesehen, dass der Ball neben das Tor geht. Und dann flutscht der exakt an der einen undichten Stelle durch.

In Sportarten wie Eishockey oder Football gehören TV-geprüfte und korrigierte Entscheidungen des Referees dazu. . .

Schulte: Vielleicht haben diese Sportarten nicht die weltweite Strahlkraft des Fußballs, der sich über außergewöhnliche Momente definiert.

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Das größte Problem des Fußballs seien die Spieler. Wenn man die abschafft, wäre alles gut – haben Sie mal gesagt. . .

Schulte: Trauen Sie mir zu, dass ich so deppert bin und es ernst gemeint habe?

Ironie hin oder her: Die meisten Fehler werden ja nun mal von den Spielern begangen.

Schulte: Das ist systemimmanent. Der Satz ist meine Art von Humor.

Wenn man im dritten Anlauf lacht.

Schulte: Oder gar nicht.

Britische Journalisten hätte ihre helle Freude an Ihnen.

Schulte: Vielleicht wäre mein Humor nicht schwarz genug. Mir gefällt der Wiener Schmäh. Eine nette Form von Intelligenz, bei der man sich gern selber auf den Arm nimmt. Mehr an Humor geht gar nicht.

Schulte über den neuen Fortuna-Coch: "Köstner ist raues Wetter gewohnt." 

Gab’s für Sie eine Alternative zum Profifußball?

Schulte: Ich hatte nicht den kühnsten Alptraum, in der Bundesliga auf der Bank zu landen. Ich habe als Sportlehrer einen Job gesucht, was in den 80-er Jahren nicht einfach war. Beim Fußball-Lehrer-Lehrgang habe ich Michael Lorkowski (damals Cheftrainer bei St. Pauli) kennengelernt. So kam ich als hauptberuflicher Jugendtrainer nach Hamburg.

Und 1987 waren Sie plötzlich Cheftrainer, Erfolgstrainer, Aufstiegstrainer.

Schulte: Es war eine glückliche Situation. Pauli hatte natürlich andere vor mir gefragt. Unter anderem Horst Hrubesch. Der wollte als HSV-er aber nicht. Ich muss ihn mal anrufen und mich nachträglich noch bedanken für seine Absage.

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Bei Ihrem Zweitliga-Start in Oberhausen gelang gleich ein 6:1.

Schulte: Da lagen wir erst hinten. Nach dem Ausgleich habe ich an der Bank nur noch gesagt: Das Imperium schlägt zurück!

Es kam ja dann auch Großes hinterher. Kannten Sie damals „Krieg der Sterne“?

Schulte: Nein, den Film habe ich erst viel später gesehen. Den gewaltigen Spruch kannten jedoch alle.

Kann die Fortuna ähnlich in der Rückrunde auftrumpfen wie Pauli damals?

Schulte: Ich muss erst einmal ein Gefühl entwickeln, um Fortuna beurteilen zu können. Die Hinrunde ist gelaufen, wie sie ist. Ruckelig.

Hat die Mannschaft einen erfahreneren Trainer mit klarer Ansprache gebraucht?

Schulte: Vielleicht. Wir haben jedenfalls genauso einen verpflichtet. Lorenz-Günther Köstner hat viel erlebt. Er ist raues Wetter gewohnt.

Der Coach mag das sogar, oder?

Schulte: Er ist ein knorriger Typ. Wenn der Wind von vorn kommt, fühlt er sich wohl.

Hat Fortuna auch mit Helmut Schulte einen guten Fang gemacht?

Schulte: Möglicherweise. Es hat schließlich noch nie einen so gut ausgebildeten Helmut Schulte gegeben.

Gibt es Winter-Verstärkungen?

Schulte: Wir vertrauen in die Leistungsfähigkeit derer, die wir haben. Gerade im Januar hat die Transferperiode etwas von pausenloser Tauschbörse.

Manchmal gibt es aber doch gute Spieler auf dem Markt, oder?

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Schulte: Ich kenne da so einen kleinen Argentinier (Lionel Andrés Messi, d. Red.). Wenn der keine Lust mehr auf Barcelona hätte …

… oder dort das Geld ausgeht. Ist’s aus Ihrer Sicht gefährlich, wenn ein, zwei, drei Teams qua Finanzkraft zu dominant werden – wie in Spanien?

Schulte: Ich sehe das als große Bedrohung für den Fußball insgesamt. Selbst die US-Amerikaner, die ohne Auf- und Abstieg leben, machen sich Gedanken um die Spannung. In der NFL darf bei einer Spieler-Auswahl alljährlich das schwächste der 32 Teams den vermeintlich stärksten Universitätsspieler auswählen.

Besondere Szenen und Bilder machen für Schulte den Reiz am Fußball aus 

Haben Sie einen Vorschlag, den möglichen Reizverlust zu stoppen?

Schulte: Die Beibehaltung der 50+1-Regel (Kein externer Geldgeber darf die Alleinmehrheit im Verein halten, d. Red.) ist wichtig. Mein Vorschlag wäre: 25 Spielerlizenzen pro Verein und ende! Fände ich toll. Aber das will nur ich, keiner sonst.

Haben Sie weitere Träume, den Fußball betreffend?

Schulte: Kurzfristig?

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Zum Beispiel.

Schulte: Mit der Fortuna in die Bundesliga aufsteigen!

Manchester, Madrid oder Maracana: Wie wäre Ihre Wahl?

Schulte: Wembley! Ich hatte 1996 fast Tränen in den Augen, als ich bei der EM im alten Stadion saß. Und das lag nicht daran, dass ich einen Restricted-view-Platz hatte. Mit eingeschränkter Sicht.

Sondern?

Schulte: Dort lief ja auch 1966 meine erste bewusst erlebte WM. Mein erstes Live-Fußball-Spiel habe ich 1966 bei meiner Tante gesehen. Dortmund gegen Bill Shanklys Liverpooler in Glasgow. Im Schwarz-Weiß-Fernsehen.

Der BVB hat durch eine weite Bogenlampe von Libuda in der Verlängerung mit 2:1 gewonnen.

Schulte: Das ist richtig. Und ein Liverpooler hat sich, um den Treffer in den linken Winkel zu verhindern, dabei fast noch im Tornetz aufgehängt. Solche besonderen Szenen bleiben haften.