Wien. Beim 3:0-Sieg gegen die Färöer zeigte die deutsche Nationalmannschaft teils beeindruckenden Offensivfußball, ließ aber viele Torchancen ungenutzt. Gegen Österreich hofft Bundestrainer Joachim Löw nun auf eine größere Kaltschnäuzigkeit seiner Spieler.

Im Mai hat Jürgen Klopp in einer an Freuden reichen Saison seinen Freudenhöhepunkt erlebt. Nach all den vielen Siegen in der Bundesliga musste der Trainer von Borussia Dortmund ja immer noch all die vielen Chancen, die seine Mannschaft auf dem Rasen liegen gelassen hatte, mit nach Hause nehmen und mental verarbeiten. Nach dem 5:2-Hurra-Erfolg gegen die Bayern im Pokalfinale dagegen konnte er einfach den Cup einpacken und gedankenlos wieder abreisen. Seine ansonsten so verschwenderischen Borussen hatten ihre Möglichkeiten zu Treffern kaltschnäuzig genutzt. Und Klopp schwärmte richtigerweise: einmalig!

Weil der Bundestrainer den BVB für seine Spielweise gelobt hat, wurde zuletzt vermutet, er wünsche sich für das deutsche Ensemble Auftritte im Stil des Doppel-Meisters. Korrekt dürfte sein: Joachim Löw wünscht sich mehr Berlin-Borussia von der Nationalmannschaft. Nach der ersten WM-Qualifikationspartie gegen die Färöer hat er nämlich beklagt, dass trotz eines 3:0-Sieges noch jede Menge Chancen auf dem Feld herumlagen. Zurückgeführt hat der Bundestrainer das auf einen Mangel an Kaltschnäuzigkeit. Für die zweite, weitaus gewichtigere und als weitaus gefährlicher eingeschätzte Qualifikationspartie gegen die Österreicher am Dienstagabend in Wien fordert er deshalb, „dass wir das Spiel ernster und seriöser angehen als gegen die Färöer“. Bedeutet: vor dem Tor weniger verhunzen.

Wie das bewerkstelligt werden könnte, das ist die Frage. Miroslav Klose hat enthüllt, dass es in Spielerköpfen einen Hebel gibt, über den von „Wichtig“ auf „Extrem Wichtig“ umgeschaltet werden kann. Und darauf, dass dieser kleine Akt im Hexenkessel Happel-Stadion gelingen mag, muss der Bundestrainer wohl setzen. Klose, der sich gegen die Färinger verschwenderisch wie ein Dortmunder zeigte, ist schließlich sein einziger gelernter Zentralstürmer im Aufgebot. Und selbst der 34-jährige Senior wird von den jungen Kreativen vor allem dafür geschätzt, dass er sich nicht als Spielflussstaudamm erweist wie manch anderer Strafraumherumlungerer mit Killerinstinkt.

Grundsätzlich soll es beim offensiven Ansatz bleiben

Den Vorstellungen des Bundestrainers (und des BVB-Trainers) entspricht das durchaus. Alles im Spielfluss, vor Ideen sprühend, alles Attacke, egal, ob in der Ballbesitzsituation oder beim Versuch des Kontrahenten, selbst etwas auf die Beine zu stellen. Insofern war der Auftritt gegen die Färöer, für den Löw Miro Klose, Mesut Özil, Thomas Müller und Marco Reus mit dem 20-jährigen BVB-Genius Mario Götze vereinigte, vielleicht doch ein bisschen vorbildlich. Phasenweise wurde kombiniert und gewirbelt, als hätte die Trainermoderne ihre Vision aufs Grün geworfen.

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Wer reichlich Druck erzeugt, wer kombiniert und wirbelt, der beschafft eben mehr von diesen Chancen, ohne die Tore nie fallen würden. Der Dortmunder Klopp findet das generell gut. Ungefähr nach jedem in den vergangenen zwei Jahren eingefahrenen Sieg blockte der Trainer die Kritiker ab, die seiner Mannschaft eines vorwarfen: die Mangelerscheinungen bei der Chancenauswertung. Der Badener Löw muss das generell ebenfalls gut finden. „Unsere grundsätzliche Ausrichtung ist, weiter nach vorne zu spielen und Druck auf den Gegner auszuüben“, hat er in Wien noch einmal erklärt.

Marcel Schmelzer meldet sich fit

Weil der Borusse Marcel Schmelzer wieder zur Verfügung steht, könnte der Bundestrainer nun in der Begegnung, die von Austria mit Inbrunst zum „Spiel des Jahres“ erhoben wurde, über die linke Verteidigungsseite mehr Offensivkraft schicken als in der Färöer-Partie. In der fremdelte der etatmäßige Zentrumsverteidiger Holger Badstuber mit dem Rollenanspruch. Doch wird Löw es auch wieder mit Götze wagen?

Die Arbeitsplatzbeschreibung scheint auf den Dortmunder zugeschnitten. Die drei zentralen Mittelfeldspieler (der Zehner und die Doppelsechser, von denen einer Götze heißen könnte) sollen „in der Abwehr helfen und nach vorne Torgefahr ausstrahlen“. Dass Löw bei der Nummer 42 der Weltrangliste „ein Duell auf Augenhöhe“ ins Visier genommen hat, deutet aber an, dass er auf Sicherheit bedachter vorgehen wird. Den erfahreneren Bayern Toni Kroos an die Seite des Madrilenen Sami Khedira? Oder den robusteren Leverkusener Lars Bender? Oder doch Ilkay Gündogan? Letzterer ist BVB-Angesteller und wird von Jürgen Klopp anders als Mario Götze regelmäßig vor der Abwehr positioniert.