Dortmund. Schon früh muss Nuri Sahin unangenehme Fragen beantworten. Der Trainer muss aufpassen, dass ihm nicht alles aus den Händen gleitet.

Es gibt das Wort Ambiguitätstoleranz; ein Begriff, der selbst Zungenbrecher-Virtuosen vor Probleme stellen dürfte und die Fähigkeit meint, Vieldeutigkeit und Komplexität zu akzeptieren und damit umzugehen. Es also anzunehmen, dass eine Maßnahme richtig sein und trotzdem zum falschen Ergebnis führen kann. Dass es Für und Wider gibt, dass es nie einfach den einen Hebel gibt, der alles geraderückt.

Und nun zu Borussia Dortmund.

Am Freitag krallen sich an der Adi-Preißler-Allee die letzten bunt gefärbten Blätter an die drei Bäume vor dem Trainingszentrum, der Wind lässt die schwarz-gelben Fahnen am Mast zappeln, die warme Luft fühlt sich nach Spätsommer an, doch schon bald beginnt der November. Was bedeutet, dass Nuri Sahin bereits seit vier Monaten die Dortmunder Mannschaft mit den hohen Zielen und den vielen Einbrüchen formt. Langsam sollten sich da Fortschritte zeigen. Eigentlich, so die Vorgabe, sollte der BVB unter Sahin wieder Spaß machen.  

BVB - spannende Geschichte rund um Borussia Dortmund

BVB und Nuri Sahin - wenn der Stein einmal ins Rollen kommt

Stattdessen rumpelt es nach dem 2:5 bei Real Madrid gewaltig. Im Boulevard taucht bereits die Frage auf, ob Borussia Dortmund eine Nummer zu groß sei für den 36-jährigen Sahin, der nur mal beim Vorgänger Edin Terzic nachfragen muss, wie schwierig es ist, diesen einmal ins Rollen geratenen Stein wieder aufzuhalten. Mit jedem weiteren Rückschlag wird er größer und schneller werden.

In den kommenden beiden Partien geht es deswegen darum, dass sich die Kritik nicht noch weiter auftürmt. Der Klub befindet sich an einem Kipppunkt. An diesem Samstag (15.30 Uhr/Sky) treten die Dortmunder beim FC Augsburg an, am Dienstag (20.45 Uhr/ARD) geht es im DFB-Pokal beim VfL Wolfsburg weiter. In der Bundesliga hat der BVB auswärts noch gar nicht gewonnen. Dies muss sich ändern, wenn der Königsklassen-Finalist in der Bundesliga-Tabelle von Rang sieben aus nach oben klettern möchte.  

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BVB in Madrid: Erst sensationell, dann desaströs

Man kann nun aus zwei Blickwinkeln auf den mitreißenden Abend im Estadio Santiago Bernabéu blicken. Auf der einen Seite beeindruckte die Borussia in Hälfte eins, schnupperte nach der 2:0-Führung an der Sensation. Auf der anderen Seite rollten die Königlichen in der letzten halben Stunde über Sahins Elf hinweg. Der Trainer, noch neu auf dieser Bühne, hatte selbst seinen Anteil daran, weil er von einer Vierer- auf eine Fünferkette umstellte. Auf dem Papier vielleicht die richtige Überlegung, auf dem Platz führte sie zu Chaos. Und da die Ambiguitätstoleranz, um zu diesem Zungenbrecher zurückkommen, unter den BVB-Fans nicht gerade ausgeprägt ist, überwiegt nun vor allem das Negative. Dunkle Wolken im goldenen Oktober.

„Das ist das Schicksal eines Trainers, das Schicksal eines Fußballers, dass alles, was wir machen, in der Öffentlichkeit bewertet wird“, sagt Nuri Sahin am Freitag. Es dauert etwas, bis er bei der Pressekonferenz vor dem Augsburg-Spiel das erste Mal lächelt, spurlos geht die Debatte um seine Arbeit anscheinend nicht an dem ehemaligen Sechser vorbei. Auch wenn er sagt, dass er damit umgehen könne. „Keiner von den Kritikern will mir ja persönlich was. Das muss du auf dem Niveau aushalten, ansonsten hast du bei Borussia Dortmund nichts verloren. Der Anspruch ist riesig.“

Da kann der BVB nur staunen: Vinicius Junior trifft und trifft und trifft für Real Madrid.
Da kann der BVB nur staunen: Vinicius Junior trifft und trifft und trifft für Real Madrid. © Getty Images | Denis Doyle

BVB: Nuri Sahin muss auf Niklas Süle verzichten

Die Muster gleichen sich dabei, meist richtet sich die Entrüstung gegen den Trainer und den Kapitän, derzeit Emre Can. In der vergangenen Saison blies der Gegenwind vor allem Edin Terzic und Can ins Gesicht, davor Terzic und Marco Reus, davor Marco Rose und Reus, davor Lucien Favre und Reus. Der BVB ist seit Jahren nicht im Reinen mit sich, zu spüren bekommen dies die, die an vorderster Front werkeln.    

Nuri Sahin stellt sich deswegen hinter Emre Can. „Es ist bei ihm eine extreme Schwarzmalerei. Das macht etwas mit einem Menschen“, meint Sahin. „Das lasse ich nicht zu. Wenn jemand verantwortlich ist, dann bin ich das: der Trainer. Ich gehe für meine Jungs durchs Feuer.“

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Dass Can in Augsburg in der Startelf steht, bedeutet dies trotzdem nicht. Fest steht hingegen, dass Verteidiger Niklas Süle aufgrund einer Sprunggelenkverletzung aus dem Madrid-Duell wochenlang fehlen wird. Auch Julien Duranville, Karim Adeyemi, Yan Couto und Giovanni Reyna können beim Tabellenfünfzehnten Augsburg nicht helfen.

Es gehört zur Bewertung von Sahins Arbeit dazu, dass wichtige Spieler in dieser wichtigen Phase fehlen. In Augsburg muss trotzdem gewonnen werden, damit der Ärger der Fans nicht noch größer wird und die Situation dem jungen Trainer nicht früh aus den Händen gleitet. Ambiguitätstoleranz hin, Ambiguitätstoleranz her.

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