Herzogenaurach. Bundeskanzlerin Merkel lobt die Fußballer des Deutschen Fußball Bundes als “Vorbilder für unser ganzes Land“. DFB-Präsident Wolfgang Niersbach nannte die DFB-Elf “Zugpferd und Lokomotive beim Thema Integration“. Auch Ex-Profi Jimmy Hartwig lobt die Integrationsarbeit des DFB - wünscht sich aber noch einen dunkelhäutigen Spielmacher.

Für Bundeskanzlerin Angela Merkel sind Deutschlands Fußballer "Vorbilder für unser ganzes Land", für DFB-Präsident Wolfgang Niersbach "Zugpferd und Lokomotive beim Thema Integration": Die deutsche Multi-Kulti-Truppe wirkt weiterhin als Musterbeispiel für ein gemeinsames Miteinander und trägt laut Manager Oliver Bierhoff "das Bild eines neuen Deutschlands in die Welt".

Die Spieler mit Migrationshintergrund in Polen, der Türkei, Tunesien, Spanien oder Ghana haben die "deutschen Tugenden" wunderbar bereichert. Doch manche von ihnen mussten vor ihrer Wahl für den DFB Druck aus der Familie aushalten und wurden danach vereinzelt in der "alten Heimat" angefeindet. Auch deshalb wird Bierhoff wütend, wenn in Deutschland eine Diskussion hochkocht, warum manch einer die deutsche Hymne nicht mitsingt. "Das ärgert mich ungemein", sagt er: "Sie haben alle ein klares Bekenntnis für Deutschland abgegeben."

Khedira ärgert sich über Hymnen-Debatte

Auch Sami Khedira, der bei der Hymne schweigt, ärgert sich dann. "Es ist ein gutes Zeichen, wenn man die Nationalhymne singt. Aber man wird dadurch kein guter Deutscher", erklärt der Sohn eines Tunesiers. Wenn man nach dem Singen der Hymne geht, "dann hätte man auch Gerd Müller nie spielen lassen dürfen", meint derweil Niersbach schmunzelnd: "Der hat auch nie mitgesungen."

Am heikelsten war die Entscheidung wohl bei in Deutschland geborenen Türken. Mesut Özil oder Ilkay Gündogan entschieden sich für den DFB, die Altintop-Zwillinge Hamit und Halil oder Nuri Sahin für die Türkei. Nach seiner Entscheidung habe er Kritik abbekommen, erzählte Gündogan der FAZ. Und so war es fast sein größter Sieg, "dass ich türkische Landsleute überzeugt habe. Ich war im Winter in der Türkei in Urlaub mit meinen Eltern. Und da gab es sehr viele Menschen, die sagten: Auch wenn du für Deutschland spielst, wir sind stolz auf dich."

Deutsch-Türken haben es in der türlischen Nationalelf schwer

Mustafa Özil, Vater von Mesut, berichtet in einem Welt-Interview davon, dass die "türkischstämmigen Spieler, die in Deutschland aufgewachsen sind und sich für die Türkei entschieden haben, dort nicht glücklich sind. Sie werden im Team nicht akzeptiert, werden ausgegrenzt. Ihre Mentalität ist anders, weil sie anders aufgewachsen sind."

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Dieses Schicksal teilen viele Kollegen: Sie fühlen sich hüben wie drüben heimisch, aber auch fremd. Ob er sich in beiden Ländern als Ausländer oder in beiden Ländern als Einheimischer fühle sei "eine gute Frage", erklärt der gebürtige Brasilianer Cacau. Für den 23-malige Nationalspieler ist es ein schwieriger Spagat, beide Einflüsse zu ordnen. "Ich lebe seit 13 Jahren in Deutschland. Und ich merke, wie ich immer deutscher werde", erklärt er: "Aber es ist auch wichtig, seine Wurzeln nicht zu verlieren."

Jimmy Hartwig wünscht sich dunkelhäutigen Spielmacher 

Mesut Özil trägt inzwischen sogar eine dritte Kultur in sich. Der gebürtige Gelsenkirchener spielt seit 2010 für Real Madrid. "Bin ich nun ein deutsch-türkischer Spanier oder ein spanischer Deutsch-Türke? Warum denken wir immer so in Grenzen?", fragt er.

Am wichtigsten für die Integration sei die Sprache, versichert Özils Klubkollege Khedira: "Ich habe mich immer aufgeregt, wenn ausländische Spieler nicht schnell die deutsche Sprache gelernt haben. Ich kann nicht in ein fremdes Land gehen, dort mein Geld verdienen und verlangen, dass alle so leben, wie ich es kenne. Ich muss mich anpassen."

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Entscheidend ist für Cacau, "dass beide Seiten etwas tun. Der Ausländer muss die Sprache lernen. Und der Einheimische muss so offen sein, ihn akzeptieren und aufnehmen zu wollen."

Niersbach: "Dem Ball ist es egal, wer ihn tritt."

Niersbach zitiert gerne die Worte seines Vorgängers Theo Zwanziger: "Dem Ball ist es egal, wer ihn tritt." Damit sei es auf den Punkt gebracht, erklärt der DFB-Präsident: "Im Fußball spielen alle zusammen. Egal, woher sie kommen, welche Hautfarbe sie haben oder welcher Religion sie angehören."

Das war nicht immer so. Auch nicht beim DFB. Jimmy Hartwig, Sohn eines Afroamerikaners, bestritt 1979 nur zwei Länderspiele. "Mindestens 50 hat man mir geklaut", sagt er dem SID: "Deshalb stand ich mit dem DFB lange auf Kriegsfuß. Jetzt ist alles super. Was ich mir wünsche würde, wäre nur ein schwarzer Spielmacher. Aber das wird bald auch noch kommen." (sid)