Astana. Ohne Glanz, aber auch ohne Mühe kam die deutsche Nationalmannschaft in der WM-Qualifikation zu einem 3:0-Erfolg in Kasachstan. Und zu der Erkenntnis, dass das „spanische System“ ohne Stürmer durchaus eine Variante für die Zukunft sein kann. „Das macht uns unberechenbar“, meint Mario Götze.
Das erfolgreiche Ende eines verrückten Trips und den ersten Sieg als „Spanier“ feierten Deutschlands Fußball-Stars mit dem ein oder anderen Bierchen. Schon eine Stunde nach dem Start in Astana waren die Vorräte an Bord der Sondermaschine LH 343 erschöpft.
Umso besser schlief dann auf dem Rückflug nach Nürnberg auch die Mehrzahl der 20 deutschen Profis - in der Gewissheit, dass der mühelose, aber auch glanzlose 3:0 (2:0)-Erfolg in Kasachstan eine wichtige Erkenntnis für das Rückspiel am Dienstag in Nürnberg (20.45 Uhr/ARD und live in unserem Ticker) gebracht hat: Die Deutschen können es auch spanisch.
Zwar wollte nach der Pflichtspiel-Premiere ohne echten Mittelstürmer, durch die Deutschland der WM 2014 in Brasilien wieder ein Stück näher kam, niemand den kompletten Philosophie-Wechsel beschwören. Doch klar war: Die DFB-Elf wird künftig häufiger so spielen.
Götze findet Position „völlig in Ordnung“
„Es ist eine Variante“, sagte Bundestrainer Joachim Löw, dem diese offenbar am Herzen liegt und der wohl auch ohne den kurzfristigen Ausfall des letzten Mittelstürmers Mario Gomez mit Mario Götze als „falscher Neuner“ begonnen hätte. Der Dortmunder, der die Rolle gut ausfüllte und das 2:0 erzielte (22.), beteuerte, seine neue Position „völlig in Ordnung“ zu finden: „So haben wir die Möglichkeit, zu variieren. Das macht uns unberechenbar.“
Verhalten positiv fiel auch das Fazit seiner Mitspieler aus. „Es hat Vorteile und Nachteile, wenn man so spielt“, sagte Bastian Schweinsteiger: „Aber man hat gesehen, dass wir es spielen können.“ Der fast beschäftigungslose Torhüter Manuel Neuer meinte: „Es war gar nicht so schlimm, dass wir keinen Großen da vorne drin hatten. So konnten wir unsere fußballerische Klasse ausspielen.“
Doch als ultimativer Härtetest für das spanische System konnte die Partie auf Kunstrasen gegen einen limitierten und eisern verteidigenden Gegner nicht herhalten. Zumal nicht alles reibungslos lief. „In der ersten Halbzeit hat es gut geklappt, weil wir variabel waren“, sagte Löw: „In der zweiten war es schlechter, weil die Positionen nicht gehalten wurden“.
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Der Bundestrainer betonte erneut, „die Stürmer nicht abschaffen“ zu wollen. Nationalmannschaftsmanager Oliver Bierhoff, selbst einst ein kantiger, kopfballstarker Mittelstürmer, meinte: „Alles in allem hat es gut funktioniert. Aber es wird auch wieder Spiele geben, wo wir Keilstürmer wie Mario Gomez oder Miroslav Klose brauchen.“
Gomez ist nicht das einzige Sorgenkind
Ob Löw am Dienstag in Nürnberg erneut gegen die Kasachen wieder zur alten Spielweise zurückkehren wird, hängt auch davon ab, ob Gomez (Oberschenkelzerrung) bis dahin wieder fit ist. Im Falle von dessen Genesung wäre es gut möglich, dass er das klassische System wählen wird, um innerhalb von vier Tagen gegen denselben Gegner eine Vergleichsmöglichkeit zu haben.
Doch Gomez ist aktuell nicht das einzige Sorgenkind. Auch Benedikt Höwedes (Oberschenkelverhärtung), der auf seiner Lieblingsposition in der Innenverteidigung überzeugte, und dessen Schalker Klubkollege Julian Draxler drohen auszufallen. Der 19 Jahre alte Draxler hatte bei seinem zunächst durchaus verheißungsvollen Startelf-Debüt den Platz schon nach 19 Minuten mit einer Gehirnerschütterung wieder verlassen müssen. Draxler kann am Dienstag im Rückspiel gegen Kasachstan nicht mitwirken und reiste aus dem DFB-Teamquartier ab.
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Und da auch Vize-Kapitän Bastian Schweinsteiger wegen einer Gelbsperre ausfällt und direkt nach München reiste, berief Löw noch am Samstagmorgen Sven Bender nach. Der Dortmunder war zunächst nominiert worden, hatte dann aber wegen einer Grippe abgesagt. Weitere Nachrücker könnten folgen, denn schon in Astana standen Löw nur noch 16 Feldspieler zur Verfügung, zu denen allerdings der dort gesperrte Marco Reus stoßen wird.
Löw ärgert sich über Nachlässigkeiten
Zudem sieht Löw nach dem mühelosen Sieg zur Geisterstunde (24 Uhr Ortszeit) „schon ein bisschen eine Gefahr im Unterbewusstsein. Wir müssen die Spieler daran erinnern, dass wir nur gewinnen, wenn die Seriösität und die Einstellung zu 100 Prozent vorhanden sind.“ Er habe in der schwächeren zweiten Halbzeit „nicht daran gezweifelt, dass wir das Spiel aus der Hand geben. Aber die Nachlässigkeiten und die Chancen für Kasachstan ärgern mich schon“.
Doch einer seiner Spieler war noch nach dem Schlusspfiff auf Torjagd. „Das kann er sich abschminken, dass ihm das Tor gehört“, sagte Thomas Müller schmunzelnd in Richtung Schweinsteiger, nachdem er dessen Schuss zum 0:1 (20.) ins Tor verlängert hatte. „Von mir aus kann er das Tor haben“, meinte der Vize-Kapitän: „Thomas' Hühnerbrust war noch im Weg. Und ohne die Berührung wäre der Ball wohl nicht reingegangen.“ Die Fifa wertete den Treffer aber zunächst für Schweinsteiger, Müller holte sich 'sein' Tor dann in der 74. Minute. (sid)