New York. Bei der Anklage wegen Dopings könnten dem US-Radsportler Lance Armstrong 38 Blutproben zum Verhängnis werden. Die Anti-Doping-Behörde USADA sieht stark schwankende Hämatokrit-Werte als klares Indiz für Blutdoping. Armstrongs Anwäte wiesen die Vorwürfe erneut als “haltlos“ zurück.

Die amerikanische Anti-Doping-Agentur USADA ist bei ihrer Anklage gegen Lance Armstrong offenbar im Besitz von 38 Blutproben des siebenmaligen Toursiegers mit teils verdächtigen Schwankungen beim Hämatokritwert. Das berichtet die amerikanische Zeitung "New York Daily News". Mit diesen Proben will die USADA offenbar neben den Aussagen von zehn Zeugen beweisen, dass Armstrong gedopt hat.

Besonders auffällig seien dabei die Unterschiede in den Proben vom 31. Mai und 16. Juni 2009. Dort war Armstrongs Hämatokritwert, der vor allem einen Rückschluss auf den Anteil der roten Blutkörperchen erlaubt, von 38,2 auf 45,7 Prozent gestiegen. Eine Erhöhung, die nach Ansicht der Dopingermittler ein klares Indiz für Manipulation ist.

Medizinprofessor nennt Schwankungen "ungewöhnlich"

Gary Wadler, ein amerikanischer Medizin-Professor und in leitender Funktion bei der Welt-Anti-Dopingagentur WADA, nannte den sprunghaften Anstieg erklärungsbedürftig: "Aus rein medizinischer Sicht ist eine solche Erhöhung des Wertes ungewöhnlich." Wadler ist nicht in den Fall involviert und wurde unabhängig von Namen nach einer Einschätzung gefragt.

Die USADA hatte bereits in einem ersten Schreiben an Armstrong und fünf weitere Angeklagte von Blutproben des Texaners aus den Jahren 2009 und 2010 gesprochen, die 'übereinstimmen mit Proben, an denen Blutmanipulationen, einschließlich EPO-Missbrauch und/oder Bluttransfusionen vorgenommen wurden'.

Armstrong-Lager führt Werte auf Höhenveränderungen zurück

Im Armstrong-Lager hält man die Argumentation der USADA für wenig stichhaltig und stützt sich auf Gutachten, die belegen sollen, dass ein Anstieg des Hämatokritwertes von 7,5 Prozent innerhalb 16 Tagen durch äußere Einflüsse wie starke Höhenveränderungen möglich sind. Der Test am 31. Mai war nach der Schlussetappe des Giro d'Italia in Rom durchgeführt worden, kurz darauf hielt sich Armstrong zur Geburt seines vierten Kindes Max in Aspen/Colorado auf, das in einer Höhe von rund 2400 m liegt.

"Lance hat jeden Test im Jahr 2009 bestanden. Genauso, wie er jeden Test davor und danach bestanden hat", sagte Armstrongs Anwalt Robert Luskin. Die USADA bringe alte und haltlose Vorwürfe auf.

Die USADA hatte den Anfang 2011 endgültig zurückgetretenen Armstrong im Juni formal des Dopings angeklagt. Bei einer Verurteilung drohen ihm neben einer lebenslangen Sperre die Aberkennung seiner Titel. Armstrong klagte gegen das Verfahren.

US-Politiker springt Armstrong bei - USADA zeige "Mangel an Fairness" 

Unterdessen bekommt der siebenmalige Toursieger Armstrong Unterstützung aus der Politik. Der Kongressabgeordnete Jim Sensenbrenner hat in einem Brief an das Büro für Nationale Drogenkontrollpolitik ONDCP das Vorgehen der amerikanischen Anti-Doping-Agentur USADA infrage gestellt und eine Überprüfung gefordert.

"Wir haben großes Interesse daran, wie die Steuergelder ausgegeben werden. Als wichtigster Geldgeber sollte das ONDCP Interesse an der Vorgehensweise der Agentur haben", schrieb Sensenbrenner, ein Politiker aus Wisconsin, und sprach der USADA die Berechtigung ab, Armstrong zu sanktionieren und monierte einen Mangel an Fairness. Die USADA wies indes in einem Brief an Sensenbrenner die Vorwürfe zurück und lud den Abgeordneten zu einem Gespräch ein.

Öffentlichkeitswirksam stellte Sensenbrenner sein Schreiben an das ONDCP auf seine Internetseite. Darin kritisierte er, dass der US-Kongress die USADA erst im Jahr 2000 ins Leben gerufen, die Agentur aber schon von 1998 beginnend mögliche Sanktionen gegen Armstrong aussprechen wolle.

Anklage gegen Armstrong womöglich "eine Verschwörung"

Außerdem habe eigentlich der Radsport-Weltverband UCI und nicht die USADA die Autorität, Strafen gegen den früheren Radstar auszusprechen. Darüber hinaus verweist Sensenbrenner auf die zahlreichen negativen Dopingkontrollen Armstrongs und zieht eine mögliche Befangenheit in Betracht. Die Anklage durch das ONDCP, das im Weißen Haus angesiedelt ist und die USADA jährlich mit neun Millionen Dollar unterstützt, sei womöglich eher eine Verschwörung, als dass sie auf Beweise basiere. Armstrong hat offensichtlich seine Beziehungen in die Politik spielen lassen, denn Sensenbrenner folgt nahezu exakt den Argumenten des Rad-Idols.

"Um die Zuständigkeitsfragen und eine mögliche Verjährung zu umgehen hat die USADA eine Verschwörungstheorie aufgestellt. Die Agentur behauptet nicht, dass Armstrong in Wettkämpfen gedopt hat, sondern dass er Teil einer groß angelegten Verschwörung beim Verstoß gegen Anti-Doping-Regeln ist, die 1998 begann und bis in die Gegenwart andauert", bemängelt Sensenbrenner und betonte, dass die einzige juristische Überprüfung nur in der Schweiz stattfinden könne.

USADA weist die Vorwürfe Sensenbrenners zurück

Die USADA wies dies in einem Schreiben des Vorsitzenden Travis Tygart an Sensenbrenner zurück. Die Aufgabe der USADA bestehe darin, für einen sauberen Sport einzutreten, egal wie berühmt oder anonym der Verdächtige sei. "Die Beweise sind überwältigend. Hätten wir den Fall nicht weiter verfolgt, würden wir uns mitschuldig machen, Beweise für Doping zu vertuschen", schrieb Tygart.

Armstrong wird beginnend von 1998 an Blutdoping sowie die Einnahme von Testosteron, Corticosteroiden, Wachstumshormonen und demaskierenden Mitteln vorgeworfen. Bei seinem Mentor Johan Bruyneel geht es um den Besitz, Handel und die Verabreichung von verbotenen Substanzen sowie Komplizenschaft beim Verstoß gegen Anti-Doping-Richtlinien. (dapd/sid)