Essen/Manchester. Manchester Citys Ilkay Gündogan trifft am Dienstag auf seinen Ex-Klub BVB. Im Interview spricht der DFB-Star über das Wiedersehen und Haaland.
Selten strahlte das Rampenlicht so grell auf Ilkay Gündogan wie an diesem Dienstag. Dann trifft der 30-Jährige mit Manchester City im Champions-League-Viertelfinale auf seinen ehemaligen Klub Borussia Dortmund. Und das in einer Phase, in der der deutsche Nationalspieler als einer der besten Profis in England gilt. Im Interview spricht er über sein großes Spiel und warnt vor dem BVB.
Herr Gündogan, Sie haben erzählt, dass Sie während der Corona-Krise viel Fußball-Manager spielen. Kaufen Sie sich selbst?
Ilkay Gündogan: Ich starte in den meisten Fällen mit unterklassigen Teams, da kann ich mir diesen Achter von Manchester City meist nicht leisten. Und wenn ich dann nach ein paar Saisons theoretisch könnte, ist er mir zu alt. (lacht)
Spaß beiseite. Wie haben Sie sich auf Ihr aktuelles Hoch geschwungen?
Gündogan: Um ehrlich zu sein, habe ich auch nichts anders gemacht als die Jahre zuvor. Seit dem Winter spiele ich im System eine etwas offensivere Rolle. Mit dem einen oder anderen Tor kam dann natürlich noch das notwendige Selbstvertrauen hinzu, sodass daraus zwischenzeitlich ein Lauf wurde.
Sie waren schon oft verletzt. Haben Sie deswegen etwas verändert in Ihrer Lebensweise?
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Gündogan: Ich habe durchaus einige Dinge angepasst. Ich ernähre mich noch sorgsamer, achte noch mehr auf meinen Schlaf und vor allem ziehe ich vor jeder Trainingseinheit und jedem Spiel sehr sorgfältig mein Aufwärmprogramm durch. Mit 20 Jahren bin ich auf den Platz gegangen und wollte so schnell wie möglich mit dem Ball arbeiten. Inzwischen wird aber erstmal locker gelaufen, und alles wird gedehnt und gestreckt.
Was bedeutet Ihnen die Partie gegen Dortmund?
Gündogan: Auf der einen Seite freue ich mich sehr auf diese Spiele, auf der anderen Seite ist es extrem schade, dass alles ohne Zuschauer stattfinden wird. Ich hätte die Gelbe Wand in Dortmund sehr gerne wieder erlebt, auch wenn sie dieses Mal gegen meine Mannschaft gewesen wäre. Zudem habe ich sehr viele Freunde und vor allem Familie im Ruhrgebiet, die ansonsten auch sicher alle im Stadion gewesen wären. Wir alle wissen, wie schade es ist, dass Fußball derzeit ohne Zuschauer stattfindet, aber bei diesem Duell ärgert es mich dann nochmal doppelt. Dort vor einem ausverkauften Haus in einem Champions-League-Viertelfinale aufzulaufen, wäre bei meiner Vergangenheit ein echtes Highlight gewesen.
City gilt als klarer Favorit. Gibt es überhaupt etwas, was für Dortmund spricht?
Gündogan: Der BVB hat vor allem in der Offensive so viel individuelle Klasse, dass sie jedem Gegner in ganz Europa sehr weh tun können. Wir müssen unbedingt verhindern, dass sie sich in einen Rausch spielen, sonst wird es für uns verdammt schwer.
Was denken Sie über Erling Haaland?
Gündogan: Ich denke, dass er neben Robert Lewandowski derzeit der beste Stürmer der Bundesliga ist. In seiner Altersklasse gibt es auch in der Welt kaum bessere. Seine Wucht und Torgefährlichkeit sind beeindruckend. Es ist fast nicht möglich, ihn komplett aus dem Spiel zu nehmen. Es ist schon kurios, welche Top-Stürmer der BVB die letzten Jahre hatte: Haaland, Lewandowski, Aubameyang und auch wenn er damals nicht so gut funktioniert hat, gehört Ciro Immobile heute ebenfalls zu den besten Stürmern Europas.
Soll Haaland zu Manchester City wechseln?
Gündogan: Da wollen Sie mir jetzt eine Schlagzeile in den Mund legen. (lacht) Ich sage es mal so: Ich gehe davon aus, dass Haaland derzeit in allen Notizblöcken der europäischen Top Teams steht. Man wird sehen, wie er sich entscheiden wird.
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Wie ist Ihnen Ihre Zeit in Dortmund in Erinnerung geblieben?
Gündogan: Es war eine extrem geile Zeit mit einer überragenden Mannschaft und einem Top-Trainer. Es hatte einfach alles gepasst. Die Moral in der Mannschaft war sensationell.
Was waren die schönsten Erlebnisse?
Gündogan: Höhepunkte waren natürlich der Double-Sieg 2012 sowie das Champions League Finale 2013 in London.
Ex-BVB-Star Gündogan: Rückenverletzung war die schwierigste Phase meiner Karriere
Sie waren in Dortmund zwischen 2013 und 2014 aber auch über ein Jahr lang verletzt.
Gündogan: Die Zeit während meiner Rückenverletzung war die schwierigste Phase meiner Karriere. Es gab eine Zeit, als ich nicht mal sicher wusste, ob ich meine Karriere fortsetzen kann als Fußballer. Es war auch nicht einfach, sich mental aus diesem Loch wieder zu befreien, weil ich nicht wusste, welche Behandlungsmethode überhaupt greifen wird. Mit dieser Ungewissheit umzugehen, war sehr kompliziert. Ich habe daraus aber viel Positives ziehen können. Es hat mich mental noch stärker gemacht und ich bin heute umso dankbarer, dass ich fit und gesund bin.
Warum haben Sie 2016 dann den Sprung nach England gewagt?
Gündogan: Ich hatte nach den erfolgreichen Jahren beim BVB das Gefühl, dass ich ein neues Abenteuer brauche in einer neuen Umgebung. Bereits 2015 stand ich schon kurz vor einem Wechsel zum FC Barcelona, der dann kurz vor knapp doch noch scheiterte. 2016 wurde der Austausch mit Pep Guardiola immer intensiver, sodass für mich schnell klar wurde, dass ich unter ihm bei Manchester City meine Zukunft sehe.
Sie kennen die Trainer Jürgen Klopp, Thomas Tuchel und Pep Guardiola. Wer ist der beste?
Gündogan: Es ist für mich ein sehr großes Privileg, mit all diesen Trainer zusammengearbeitet zu haben. Jeder Trainer ist auf seine Art und Weise Weltklasse. Kloppo ist der Meister der Motivation, Thomas Tuchel ist in der taktischen Vorbereitung absolute Weltspitze. Ich finde übrigens, dass er insbesondere in den deutschen Medien etwas unterschätzt wird. Er hat beim BVB das Optimum herausgeholt in meinen Augen und hatte jetzt auch bei Chelsea einen sehr erfolgreichen Start. Und Pep hat es geschafft, als Spieler sehr erfolgreich zu sein und all dies dann als Trainer auf einem mindestens ebenso hohen Niveau auf eine extrem authentische Art und Weise weiterzuvermitteln. Er war auch der Hauptgrund, warum ich damals zu City gekommen bin und auch warum ich dann meinen Vertrag nochmals verlängert habe.
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Was macht Guardiola besonders?
Gündogan: Ihm gelingt es wie keinem anderen, einzelne Spieler immer besser zu machen und individuell zu fördern. Er ist sehr erfolgshungrig und greift jedes Mal knallhart durch, wenn er das Gefühl hat, dass irgendein Spieler im Kader mal nur zu 95 Prozent fokussiert ist. Es gab die letzten Jahrzehnte viele erfolgreiche Trainer in Europa, aber ich kann mich an keinen erinnern, der es schafft, seinen eigenen Stil des Ballbesitzfußballs so klar strukturiert durchzuziehen und damit so enorm erfolgreich zu sein.
Gewinnen Sie in dieser Saison endlich die Champions League?
Gündogan: Das mag jetzt wie eine Parole klingen, aber alles, woran ich gerade denke, ist, dass wir gegen den BVB erfolgreich sein werden. Das wird schwer genug. Sollten wir uns durchsetzen, lasse ich Diskussionen über das Halbfinale zu. Aber wir tun gut daran, uns auf das nächste Spiel zu fokussieren und nicht an Ende Mai zu denken.
Was sind die Unterschiede zwischen der Premier League und der Bundesliga?
Gündogan: Ich denke, dass wir hier in England mehr Qualität in der Liga haben. Nicht nur in der Spitze, sondern vor allem auch im Mittelfeld der Tabelle bei den Teams, die gar nicht international spielen. Die Top-Teams sind zudem auch längst mit den besten Trainern der Welt ausgestattet.
Glauben Sie, dass der BVB die zweite Kraft in Deutschland bleiben kann?
Gündogan: Der Bundesliga wünsche ich, dass Dortmund oder auch RB Leipzig mittelfristig noch mit dem FC Bayern mithalten können. Sollten sich die Bayern von der Konkurrenz noch weiter absetzen die nächsten Jahre, dann kann man davon ausgehen, dass die Liga auch für das internationale Publikum leider uninteressanter wird. Die Stadien und die Fans bleiben in Deutschland aber natürlich weiterhin Weltspitze.
Nicht weit von Dortmund entfernt sind Sie ausgerechnet in Gelsenkirchen aufgewachsen. Wie muss man sich Ihre Jugend vorstellen?
Gündogan: Wie bei jedem anderen fußballliebenden Jungen im Ruhrgebiet auch. Wir haben täglich nach der Schule im Hinterhof gekickt. Meine Eltern haben trotzdem immer sehr stark darauf geachtet, dass ich auch die Schule nicht vernachlässige, obwohl ich mit meinen Freunden so viel am Kicken war. Ich denke, ich hatte eine sehr schöne Kindheit und Jugend. Wir waren nicht reich, aber auch nicht arm. Ich konnte ein ganz normales Leben führen.
Pochte Ihr Herz für Schalke?
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Gündogan: Fan in meiner Kindheit war ich ehrlich gesagt familiär bedingt vor allem von der türkischen Liga. In Deutschland hatte ich keinen Lieblingsverein. Nichtsdestotrotz verfolge ich es durchaus mit einem weinenden Auge, was die letzten Jahre bei Schalke 04 geschehen ist. Es ist einfach nur unerklärlich, wie man so eine Saison spielen kann. Ich denke, auch viele BVB-Fans werden Schalke in der Ersten Liga vermissen. Das Derby war immer etwas ganz Besonderes. Da spreche ich aus eigener Erfahrung. Aus der 2. Liga wieder zurückzukommen wird bei all den Unruhen ebenso kein Kinderspiel. Ich hoffe aber wirklich sehr, dass bei Schalke Ruhe einkehrt und zeitnah eine Verbesserung eintritt.
Wie sind Sie zum Fußball gekommen?
Gündogan: Ganz einfach eigentlich: Wie jeder in meiner Nachbarschaft habe ich in der Kindheit einfach gerne gekickt in den Straßen. Ab einem gewissen Punkt hat sich dann herausgestellt, dass ich möglicherweise ein ganz ordentliches Talent darin habe. So wurden dann nach und nach auch ein paar größere Vereine auf mich aufmerksam, wie eben Schalke und später Bochum.
Sie haben während der Corona-Krise Hilfsprojekte gestartet. Warum?
Gündogan: Als sich im Frühling 2020 die Corona-Lage europaweit verschlimmert hatte, wollte ich überall dort helfen, wozu ich einen persönlichen Bezug habe. In Westdeutschland habe ich ein Großteil meines Lebens verbracht. Entsprechend wollte ich in dieser schwierigen Phase helfen, und so sind dann Projekte in Heinsberg (Einkaufsservice), aber auch in Gelsenkirchen (Maskenspenden) entstanden. Anschließend sind dann auch Projekte in Nürnberg, meiner 1. Profistation, sowie in meiner heutigen Heimat Manchester umgesetzt worden. Ich möchte das aber nicht an die große Glocke hängen. Letztendlich bereitet es mir Freude, wenn ich Gutes tun kann in schwierigen Zeiten, in denen viele hart zu kämpfen haben.
Was bedeutet für Sie Heimat?
Gündogan: Heimat ist für mich ein Gefühl. Ich muss mich dort sehr wohl fühlen können, und das habe ich eigentlich immer getan. Dort, wo ich gelebt habe. Natürlich denke ich dann zuallererst an meine Familie, die heute noch in Gelsenkirchen lebt. Aber auch meine Großeltern aus der Türkei gehören dort dazu – wenn ich in der Türkei meinen Sommerurlaub verbringe, fühle ich mich ebenfalls sehr wohl und heimisch. Zu guter Letzt ist auch aber Manchester inzwischen eine Art Heimat für mich. Es ist ähnlich wie im Ruhrgebiet. Ich mag die Leute hier sehr und mische mich – wenn nicht gerade Corona ist – auch sehr gerne unter das Volk. Auch dann fühle ich mich nach all den Jahren durchaus heimisch hier.
Wie erleben Sie es nach der Aufregung 2018, nun sogar manchmal Kapitän der Nationalmannschaft zu sein?
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Gündogan: Kapitän zu sein, ist immer etwas sehr Besonderes. In der Nationalmannschaft sicherlich nochmal mehr als im Verein. Es ist aber auch gleichzeitig eine Aufgabe mit viel Verantwortung. Ich versuche daher so gut es geht gerade den jungen Spielern zu helfen.
Was sind Ihre Ziele für die EM?
Gündogan: Wir haben eine sehr schwierige Vorrundengruppe. Aber wir wollen trotzdem zumindest ins Halbfinale kommen. Mein persönliches Ziel ist es, dass ich dabei eine tragende Rolle spiele. Ich habe verletzungsbedingt die eine oder andere Endrunde leider verpasst, umso motivierter bin ich aber dieses Jahr.
Sie sind nun 30 Jahre alt. Wollen Sie noch einmal in die Bundesliga zurück?
Gündogan: Ich habe noch zwei weitere Jahre Vertrag in Manchester und fühle mich hier gerade pudelwohl und kann mir nichts Besseres vorstellen. Mein nächster Vertrag könnte dann möglicherweise bei dem Verein sein, bei dem ich auch meine Karriere beenden werde. Von diesen Gedankengängen bin ich gerade aber noch sehr weit entfernt.
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Sie waren an Corona erkrankt. Wie haben Sie dies erlebt?
Gündogan: Es hatte mich sehr hart erwischt und war definitiv unangenehmer als meine letzten grippalen Infekte. Der Wiedereinstieg ins Training gestaltete sich auch sehr kompliziert, und ich hatte noch etliche Tage einige Konditionsprobleme. Zum Glück hat sich dies aber wieder gelegt und ich konnte nach und nach wieder Richtung 100 Prozent meiner Fitness gelangen. Wie bereits mehrfach erwähnt, kann ich nach wie vor nur davor warnen, das Virus zu unterschätzen.
Wie beurteilen Sie unter diesem Gesichtspunkt, das nun für die Champions League gereist werden muss?
Gündogan: Wenn mir vor eineinhalb Jahren jemand gesagt hätte, dass ich ich für zwei Champions-League-Spiele gegen Mönchengladbach zweimal nach Budapest fliege, hätte ich ihn natürlich auch für verrückt erklärt. Ich bin froh, dass ich nicht darüber entscheiden muss, wie und wo welche Spiele ausgetragen werden.