Duisburg. Nach dem 1:2 gegen Nordmazedonien wächst die Kritik an Bundestrainer Löw. Der DFB geht dennoch mit ihm in die EM. Wer dann kommt, ist offen.
Es gibt tatsächlich ein wenig Osterruhe für Joachim Löw: Der 61-Jährige wird sich an diesem Samstag nicht das Topspiel zwischen RB Leipzig und Bayern München und auch nicht das Verfolgerduell Borussia Dortmund gegen Eintracht Frankfurt anschauen. „Ich bin nicht eingeteilt“, lautet die seltsam anmutende Begründung aus dem Mund eines Bundestrainers. Erst am Mittwoch ist er wieder im Stadion, wenn Bayern im Champions-League-Viertelfinale auf Paris Saint-Germain trifft.
Dann kann Löw wieder einmal einen genauen Blick auf Thomas Müller werfen und sich einer der großen Fragen im deutschen Fußball widmen: Reaktiviert der Bundestrainer die aussortierten Weltmeister Müller, Mats Hummels und vielleicht sogar Jerome Boateng?
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Diese Frage wird noch einmal lauter gestellt seit dem 1:2 in der Qualifikation zur Weltmeisterschaft 2022 gegen Nordmazedonien. Einem Spiel, nach dem die Gelehrten noch streiten, ob es die Bezeichnung Debakel oder Blamage verdient, ob es schlimmer oder weniger schlimm ist als das 0:6 gegen Spanien im November. Und vor allem: welche Folgen daraus erwachsen?
Der Glaube an den Bundestrainer ist angeknackst
„Wir dürfen auf keinen Fall das Gefühl verlieren, dass wir in der Lage sind, ein gutes Turnier zu spielen“, appelliert der Bundestrainer. Doch dieser Glaube ist gehörig angeknackst nach dem desolaten Spiel gegen den Fußballzwerg Nordmazedonien. Und auch der Glaube an Löw hat wieder Schaden genommen.
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Nach dem 0:6 gegen Spanien hatte der ewige Bundestrainer, der seit 2006 amtiert, ja mit Verzögerung seinen vorzeitigen Rückzug erklärt. Nach der EM ist Schluss – zu spät, finden manche nun. Die Bild-Zeitung, die sich gerne als Zentralorgan des deutschen Fußballs begreift, erklärte bereits in großen Buchstaben: „Es ist vorbei, Jogi!“
Ein Löw-Rauswurf ist kein Thema
Zu früheren Zeiten war ein solcher Satz durchaus geeignet, Schockwellen im deutschen Fußball auszulösen. Aktuell aber will man sich beim DFB nicht treiben lassen. Die Verbandsspitze um Präsident Fritz Keller, der das Spiel im Duisburger Stadion verfolgte, war zwar konsterniert – aber nach einigen Telefonaten stand fest, dass ein sofortiger Löw-Rauswurf kein Thema ist.
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Löws selbsterklärter Abschied hat der Diskussion die Wucht genommen. Im Sommer ist er eh weg, so denkt auch mancher beim DFB. Und es weiß ja niemand, ob einer, der jetzt sofort einspringen würde, ein besseres Ergebnis garantieren könnte bei einem Turnier, bei dem in der Vorrunde die Schwergewichte Frankreich und Portugal warten und der ganz große Triumph mit der aktuellen deutschen Mannschaft eher unwahrscheinlich erscheint. Dann lieber ein sauberer Abgang und ein Neustart nach dem Turnier. Aber mit wem?
Flick bleibt die Wunschlösung
Diese Frage muss Oliver Bierhoff beantworten. Es liegt am Direktor Nationalmannschaften, dem DFB-Präsidium einen Kandidaten vorzuschlagen. Auch in der Liga hat er sich dazu umgehört, und von den Klubverantwortlichen bekam er vor allem zwei Namen genannt: Hansi Flick und Ralf Rangnick.
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Flick, der frühere Löw-Assistent, ist die Wunschlösung, auch wenn er bis 2023 beim FC Bayern unter Vertrag steht. Beim DFB aber gibt man die Hoffnung nicht auf, man will abwarten, wie sich in den kommenden Wochen die Situation in München entwickelt – wo sich Flick und Sportdirektor Hasan Salihamidzic nicht immer grün sind.
Treffen mit Rangnick nach Ostern
Mit Rangnick hat Bierhoff ein Treffen nach Ostern anberaumt. Für den 62-Jährigen spricht, dass er die Aufgabe ganzheitlich angehen würde, dass er auch die Frage aufwerfen würde, was abseits des Rasens falsch läuft beim DFB und seiner Nationalmannschaft. Rangnick würde sich einmischen wollen in die Akademie, in die Nachwuchsförderung, in die Trainerausbildung.
Bierhoff hat signalisiert, dass er mit einem unbequemen Mitarbeiter wie Rangnick arbeiten könnte, anderswo im Verband aber gibt es Bedenken, ob das wirklich gutgehen kann.
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Mancher schielt auch auf die interne Lösung Stefan Kuntz. Der U21-Trainer wird im Verband sehr geschätzt, er gilt als Menschenfänger. Aber klappt das, was bei der U21 gelingt, auch mit einer Ansammlung an hochdekorierten Stars? Bierhoff gibt sich bei all diesen Fragen demonstrativ gelassen: „Zeit ohne Ende haben wir nicht, aber wir haben keinen Zeitdruck“, sagt der DFB-Direktor.