Essen. Warten, warten, warten. Die Zahl der Staus in NRW ist laut ADAC 2024 wieder gestiegen. Warum es immer schlimmer wird auf den Autobahnen
Die Verkehrssituation auf Nordrhein-Westfalens Autobahnen hat sich 2024 weiter verschärft. Laut der frisch vorgelegten Staubilanz des ADAC NRW verbrachten Autofahrer insgesamt 154.964 Stunden im Stau – und damit 11.350 Stunden mehr als ein Jahr zuvor. Das entspricht einer Gesamtstaudauer von fast 6457 Tagen. Noch immer aber liegen die Zahlen unter denen des Jahres 2019, dem letzten Jahr vor Corona. Da betrug die Staudauer 170.500 Stunden (7104 Tage).
Wie haben sich die Zahlen im Vergleich zum Vorjahr verändert?
Die Zahl der Staus stieg auf rund 172.000, während sich die Gesamtlänge aller Verkehrsstörungen um sechs Prozent auf nahezu 271.000 Kilometer erhöhte. Das ist, als würde man die Erde fast siebenmal umrunden. NRW behauptet damit seine unrühmliche Spitzenposition als „Stauland Nummer eins“ in Deutschland. Ein Drittel aller bundesweiten Stauereignisse entfiel auf das bevölkerungsreichste Bundesland, gefolgt von Bayern (17 Prozent) und Baden-Württemberg (9 Prozent). Auch bei den Staukilometern und Staustunden hatte Nordrhein-Westfalen unverändert den größten Anteil.
Woran liegt das?
Professor Roman Suthold, Verkehrsexperte des ADAC NRW, kann erklären, warum Nordrhein-Westfalen das Ranking anführt. Hauptursache seien die jahrzehntelangen Versäumnisse bei Investitionen in die Infrastruktur. „Der Sanierungsbedarf auf den .Fernstraßen ist gewaltig“, sagt Suthold. Er kann das mit Zahlen belegen. Im vergangenen Jahr befanden sich bis zu 66 Prozent aller bundesweiten Autobahnbaustellen in NRW, obwohl das Land nur 17 Prozent des deutschen Autobahnnetzes beherbergt. „Pendler fahren oft von einer Baustelle in die nächste. NRW versinkt mehr und mehr im Stau.“
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Welche sind die meistbelasteten Strecken?
Da werden viele falsch liegen mit ihrer Vermutung: Die „schlimmste“ Strecke ist nicht die gerne als „Ruhrschleichweg“ verspottete A40. Sie zählt zwar zu den „besonders stauanfälligen Autobahnen im Land, angeführt aber wird diese Hitparade des Wartens von der A1 mit 16.967 Staumeldungen und einer Gesamtstaulänge von 40.195 Kilometern. Die längste Staudauer verzeichnete die A3 mit 18.723 Stunden. Und der Autobahnabschnitt mit den meisten Stauereignissen war erneut die A42 zwischen Dortmund und Kamp-Lintfort (13.907 Meldungen).
Sind bestimmte Tage in der Woche besonders „stauanfällig“
Laut ADAC-Bilanz ja. Danach sind die schlimmsten Stautage im Wochenverlauf der Dienstag, der Mittwoch und der Donnerstag. Eine Erkenntnis, die viele Pendler seit Jahren bestätigen. Spitzenreiter ist der Mittwoch, für den der ADAC im Durchschnitt die meisten Staumeldungen (625), Staukilometer (1111) und Staustunden (578) ermittelte. Da ist es fast zwangsläufig, dass auch der mit 860 Stunden stauintensivste Tag des Jahres ein Mittwoch war – und zwar der Mittwoch (9. Oktober) vor den Herbstferien. Montags dagegen gab es durchschnittlich lediglich 493 Staus mit 751 Kilometern, die 432 Stunden dauerten. Vor allem die Morgen- und Nachmittagsspitze war montags weiterhin schwächer ausgeprägt.
Eine Ausnahme aber gab es: Den geringsten Berufsverkehr auf den NRW-Autobahnen gab es unter der Woche am Freitagmorgen. Später am Tag sah die Lage aber schon wieder anders aus, weil dann oft Berufsverkehr, Freizeit- und Urlaubsverkehr aufeinandertreffen. Schon ab Mittag (12/13 Uhr) brauchten Autofahrer freitags oft mehr Geduld. Die wenigsten und kürzesten Staus – das wundert nicht - gab es am Wochenende.
Und welche Monate haben die meisten Staus?
Der staureichste Monat des Jahres war in Nordrhein-Westfalen wieder einmal der Oktober. Der ADAC zählte auf den Autobahnen in NRW insgesamt mehr als 16.700 Staumeldungen mit einer Länge fast 29.000 Kilometern. Ähnlich schlimm war die Staulage im November. Viele Pendler steigen mit den kälter werdenden Temperaturen auf das Auto um und müssen sich erst wieder an die schlechten Sicht- und Fahrbedingungen gewöhnen. Außerdem sind bei den meisten Arbeitnehmern die Urlaubstage nahezu aufgebraucht. Absolute Staumagneten waren im Oktober und November die monatlich bis zu 685 Baustellen auf den NRW-Autobahnen.

Was prognostiziert der ADAC für das laufende Jahr?
„Eine weitere Verschärfung der Situation.“ Der anhaltende Sanierungsbedarf in Kombination mit steigendem Verkehrsaufkommen lasse erwarten, dass die Stauzeiten das Vor-Corona-Niveau von 2019 erreichen könnten, heißt es in der Bilanz. Besonders kritische Punkte bleiben das Kreuz Kaiserberg (A3/A40), das Autobahndreieck Heumar bei Köln, der Kölner Autobahnring, das Kamener Kreuz und das Kreuz Herne. Zusätzliche Baumaßnahmen auf der A42, A45, A46, A52 und A57 werden voraussichtlich zu weiteren Verkehrsbehinderungen führen.
Muss denn wieder so viel gebaut werden?
„Die Sanierungen sind alternativlos, um das marode Autobahnnetz zu modernisieren“, sagt Verkehrsexperte Suthold, dem besonders der Zustand der Brücken Sorgen bereitet. Ein Versäumnis bei deren Instandhaltung könnte zu weiteren Totalausfällen führen. Damit verschärfe sich nicht nur das Verkehrschaos, sondern das füge auch dem Wirtschaftsstandort NRW erheblichen Schaden zu.