NRW. Die Sicherheitskonzepte für Karnevalsveranstaltungen in NRW werden stetig überarbeitet. Das kostet Vereine und Städte immer mehr Geld.
Wie sicher sind unsere Sicherheitskonzepte? Wenige Monate nach den Anschlägen von Solingen und Magdeburg stehen mit den Rosenmontagszügen die nächsten Großveranstaltungen an. Doch die Veranstalter ächzten schon im vergangenen Jahr unter den steigenden Kosten. Während die Rufe nach Schutz lauter werden und die Sicherheitskonzepte in den Städten immer umfangreicher, steigen die Ausgaben für die Veranstalter.
Überdimensionierte Legosteine aus Beton, kantige Sicherheitskräfte an metallenen Schleusen und hilfsbereite Sanitäter: So sehen Sicherheitskonzepte für Großveranstaltungen zumeist aus. Doch was simpel klingt, benötigt akribische Planung und mehrere Abstimmungsrunden mit allen Beteiligten. Veranstalter, Polizei und Stadt - sie alle müssen sich auf ein Konzept einigen, um die Besucher zu schützen. Dabei kann ein Plan, der heute sicher scheint, schon morgen Lücken aufweisen.
Nach Terror und Sicherheitspannen auf Weihnachtsmärkten: Wie sicher ist der Karneval?
So wie das Sicherheitskonzept des Bochumer Weihnachtsmarktes. Ein wütender Mann (42) und eine Eisenstange haben gereicht, um Teile des Konzeptes auszuhebeln. Ursprünglich sollten wassergefüllte Plastikcontainer - Indutainer genannt - Zufahrten versperren. Weil der Mann mit der Eisenstange aber gut zwei Drittel der Sperren zerstach, fielen die Container in sich zusammen. Glücklicherweise startete er seine Zerstörungstour in der Nacht, die Überreste der Sperren wurden noch vor der Marktöffnung am Morgen entdeckt. Besucher waren nicht in Gefahr.
Die beschädigten Terrorsperren habe die Bochumer Verwaltung mittlerweile ersetzt, heißt es von der Stadt. Man werde sie auch in Zukunft einsetzen und darüber hinaus auch andere Sperren nutzen. Nun steht der Karneval mit all seinem Trubel an. Ob die Indutainer - wie früher auch - die Umzüge in der Stadt schützen werden, steht noch nicht fest. „Das Sperrkonzept wird derzeit von der Polizei erarbeitet“, sagt der Präsident des Festausschuß Wattenscheider Karneval, Rüdiger Preußner. „Nach Magdeburg ist die Planung nicht einfacher geworden. Ein Weihnachtsmarkt ist eine zentrierte Veranstaltung, unser Umzug ist dynamisch und bewegt sich durch die Stadt.“

Ist der hohe Aufwand gerechtfertigt? Wie hoch ist die Terrorgefahr?
In Bochum übernimmt die Stadt nach einem Ratsbeschluss aus dem Jahr 2019 die Kosten für die Terrorabwehr. Dennoch entstehe laut Preußner in den Vereinen, die ihre Konzepte mit den städtischen Stellen koordinieren müssen, ein hoher Arbeitsaufwand. Dabei ist der Umzug in Wattenscheid am Karnevalssonntag mit seinen 60.000 Besuchern wesentlich überschaubarer, als die Großveranstaltungen in den Karnevalshochburgen - in Köln waren im vergangenen Jahr laut Statista rund 1,5 Millionen Närrinnen und Narren unterwegs. Doch wie hoch ist die Terrorgefahr?
„Die abstrakte Gefährdungslage für die Bundesrepublik Deutschland und damit auch für das Land Nordrhein-Westfalen bewegt sich weiterhin auf einem anhaltend hohen Niveau“, bestätigt ein Sprecher des Innenministeriums NRW „Symbolträchtige Orte, Menschenansammlungen und öffentliche Veranstaltungen“ stünden dabei besonders im Fokus.
Kölner Kostenexplosion: Sicherheitskonzepte werden immer anspruchsvoller
Aus diesem Grund habe man im vergangenen Jahr in Köln einen „sechsstelligen Betrag“ in die Sicherheit investiert, so die Sprecherin des Festkomitees Kölner Karneval, Tanja Holthaus. In diesem Jahr wird es wohl teurer: „Die Kostenexplosion, die uns so sehr zu schaffen macht, erklärt sich auch mit den gestiegenen Ansprüchen an unser Sicherheitskonzept.“ Nach Verlusten im vergangenen Geschäftsjahr werbe das Komitee aktiv für Unterstützung seitens der Stadt Köln, so die Sprecherin. Denn „allein die Kosten für immer mehr vorgeschriebene Absperrgitter sind in den letzten fünf Jahren um 40 Prozent gestiegen.“
Auch in Duisburg steigen die Anforderungen und mit ihnen die verbundenen Kosten. „Zum Beispiel wird die Zahl der Ordner immer weiter nach oben geschraubt - und das bei steigenden Löhnen. Natürlich soll jeder fair bezahlt werden“, so der Präsident des Hauptausschusses Duisburger Karneval (HDK), Michael Jansen. „Seit dem schrecklichen Attentat in Berlin im Jahr 2016 arbeiten wir mit einem Sicherheitskonzept, das verhindert, dass fremde Fahrzeuge in den Zug fahren können. Das Konzept wird stetig erweitert.“ Die Stadt hat beispielsweise erst kürzlich über 200.000 Euro in 34 neue LKW-Sperren investiert. Der Grund: Die alten Sperren, die lange als sicher galten, werden heute nicht mehr als sicher eingestuft.
Zahl der Sicherheitskräfte auf Karnevalsveranstaltungen steigt weiter an
Setzte man in Duisburg im vergangenen Jahr noch auf etwa 160 Security-Kräfte, wird die Zahl in diesem Jahr auf 180 aufgestockt. Den Trend zu mehr Sicherheitskräften vor Ort gibt es nicht nur in Duisburg. „Vieles wird zwar immer noch von Vereinsmitgliedern gestemmt, doch es werden in den letzten Jahren vermehrt zusätzliche Sicherheitsdienste beauftragt“, bestätigt die Pressesprecherin des Bundesverbandes der Sicherheitswirtschaft, Silke Zöller.
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Der Karneval hat sich in den vergangenen Jahren rasant gewandelt, weiß der Landesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP) Michael Mertens. Er sei privat im Kölner Karneval unterwegs und habe beobachtet, wie sich dieser aus einer regionalen Traditionsveranstaltung zu einem internationalen Großereignis gewandelt hat. Das gehe mit einer Vielzahl an Besuchern einher, die sich in der Stadt nicht auskennen und möglicherweise ein Gläschen Kölsch zu viel getrunken haben.
„Auf diese Kostüme sollten Närrinnen und Narren lieber verzichten“
„Alkohol bringt Konflikte mit sich“, betont Mertens und ergänzt: „Der ganze Sicherheitsaspekt ist im Karneval schwieriger, weil man sich hinter einem Kostüm auch verstecken kann.“ Deshalb rät er: Auf Kostüme mit Waffenattrappen sollten Närrinnen und Narren lieber verzichten, da man in Gefahr laufe, falsche Eindrücke zu erwecken. „Ich bevorzuge den Kölschen Jung. Der trägt keine Waffe, sondern ein Lächeln im Gesicht.“