Berlin. Nach der Völlerei an Weihnachten setzen im Januar viele Menschen freiwillig auf Verzicht. Ein Experte sagt, was solche Challenges bringen.
Es war das Jahr 2013, da rief die britische Initiative „Alcohol Change UK“ zum ersten Mal zum sogenannten „Dry January“, also zu einem alkoholfreien Monat, auf. Mittlerweile ist die britische Erfindung zu einer weltweiten Bewegung geworden. Auch in Deutschland entscheiden sich jedes Jahr zigtausende Menschen, nach dem Silvesterabend für vier Wochen auf alkoholische Getränke zu verzichten. Andere versuchen sich an einer Zuckerfrei-Challenge oder dem „Veganuary“, essen also einen Monat lang ausschließlich vegan.
Aber kann diese zeitlich begrenzte Form der Enthaltsamkeit der Gesundheit überhaupt nützen? Und welche Effekte sind tatsächlich mess- und spürbar? Ernährungsmediziner Dr. Matthias Riedl hält Ernährungs-Challenges im Januar für eine sinnvolle Gelegenheit, Gewohnheiten zu reflektieren: „Wir haben oft ein gutes Gespür dafür, was wir im Übermaß konsumieren und was uns schadet. Der Jahresbeginn motiviert viele, eingefahrene Gewohnheiten zu hinterfragen und zu verändern.“
Ein klarer, zeitlich begrenzter Rahmen macht es leichter, ungesunde Verhaltensweisen zu durchbrechen und neue Routinen zu erproben. Challenges wie der „Veganuary“ oder der „Dry January“ schärfen laut Riedl nicht nur das Bewusstsein für bestimmte Lebensmittelgruppen, sondern können langfristig auch zu einem nachhaltigeren und bewussteren Konsum führen.
Auf Zucker verzichten: schwieriger Start, lohnende Ergebnisse
Beim Verzicht auf Zucker zeigen sich die positiven Effekte besonders schnell: Schon nach wenigen Tagen verbessern sich die Fettwerte in der Leber und im Blut. Auch die Blutzuckerwerte sinken. Wichtig sei es aber, den Zuckerverzicht auch wirklich einen Monat lang durchzuziehen, um die positiven Effekte zu spüren, so der Experte. Vor allem, wenn der Konsum hoch war, kann der Start in die Challenge holprig sein.
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Bei manchen Personen kommt es in den ersten Tagen zu Müdigkeit, Gereiztheit oder sogar depressiven Verstimmungen. Der Grund: Durch den Zuckerentzug wird das Belohnungssystem im Gehirn nicht mehr aktiviert. Wir fühlen uns antriebslos und weniger motiviert, da der schnelle Energieschub und die positive Rückkopplung durch den Zuckerkonsum fehlen.
Gegensteuern lässt sich beispielsweise mit alternativen Belohnungen, wie einer Tasse Tee oder einem Espresso. „Wie bei anderen Abhängigkeiten geht es auch bei einer ‚Zuckerabhängigkeit‘ darum, alternative Gewohnheiten aufzunehmen“, so Riedl. Nach ein bis zwei Wochen wird der Verzicht gewöhnlich einfacher, das Verlangen nach Süßem verschwindet und auch der Geschmackssinn verändert sich: „Plötzlich erscheinen uns zuckerhaltige Lebensmittel extrem süß, oft sogar unangenehm intensiv. So soll es sein.“
Krebsrisiko, Kalorien, Entzündungen senken: Alkoholverzicht im Januar zahlt sich aus
Auch der Verzicht auf Alkohol im Rahmen des „Dry January“ lohnt sich. „Erhöhte Leberwerte normalisieren sich rasch, wenn man nicht mehr trinkt. Die Leber regeneriert sich und das Risiko für Entzündungen der Magenschleimhaut sinkt“, erklärt Riedl. Zudem verbessern sich Schlaf und Blutdruck und die Anfälligkeit für Infekte nimmt ab. Langfristig reduziert sich sogar das Krebsrisiko erheblich.
„Wer zu Jahresbeginn sein Gewicht optimieren möchte, profitiert ebenfalls von einem ‚Dry January‘ – oder noch besser von einem dauerhaften Verzicht auf Alkohol“, betont der Experte. Alkohol ist nämlich ein echter Kalorienlieferant: Er enthält sieben Kalorien pro Gramm, nur knapp weniger als Fett mit neun Kalorien pro Gramm. Werden diese Kalorien eingespart, macht sich das schnell auf der Waage bemerkbar.
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Auf Fleisch verzichten: Kurze Veränderungen im „Veganuary“ können langfristig wirken
Auch mit dem Verzicht auf tierische Lebensmittel können viele Kalorien eingespart werden. Doch das ist nicht alles. „Eine Challenge wie der ‚Veganuary‘ kann ein Einstieg in eine Ernährung mit mehr Obst, Gemüse und insgesamt mehr pflanzlichen Produkten sein“, sagt Riedl. Eine pflanzenbetonte Ernährung kann zu Gewichtsverlust, einer Senkung des Blutdrucks und einer gesteigerten Leistungsfähigkeit führen. Zudem wirkt sie sich positiv auf die Blutfettwerte aus, indem sie Lipide wie Cholesterin reduziert und das Herz-Kreislauf-System entlastet.
Wichtig dabei: Fleisch und Wurst nicht durch hochverarbeitete Ersatzprodukte ersetzen, sondern auf eine vollwertige und ausgewogene Ernährung achten. Auch wenn man nach einem Monat wieder zu einer Mischkost zurückkehrt, empfiehlt Riedl, den „Veganuary“ einfach mal auszuprobieren: „Die positiven Effekte treten schon nach kurzer Zeit ein. Und viele Menschen finden Geschmack an der neuen Form der Ernährung und übernehmen Teile davon in den Alltag.“
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Dafür reicht übrigens auch schon eine Umstellung auf vegetarische Kost. Das zeigt ein Experiment des Studierendenwerks Bonn: In einer Mensa wurden über einen Monat hinweg ausschließlich vegetarische Gerichte angeboten. Nach Ende dieses Zeitraums untersuchten Forschende die Auswirkungen auf das Essverhalten und die Verkaufszahlen. Die Ergebnisse zeigten, dass der Fleischkonsum bei den Studierenden auch Wochen später um bis zu zwölf Prozent niedriger war. Der Grund dafür war weniger ein bewusster Verzicht als vielmehr die Tatsache, dass viele Studierende neue vegetarische Speisen ausprobierten und diese in ihre Ernährung integrierten.
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Fazit: Ein „Monat ohne“ lohnt sich – nicht nur für die Gesundheit, sondern auch, um die eigene Selbstwirksamkeit zu erfahren, betont Dr. Matthias Riedl: „Zu erleben, dass der Körper positiv auf Veränderungen reagiert, kann Mut machen und den Anstoß für weitere gesunde Lebensgewohnheiten geben. Solche Challenges zeigen, dass wir mehr schaffen können, als wir oft denken.“
Buch-Tipp: Auf der Suche nach Inspiration für gesunde Ernährung im neuen Jahr? Dr. Riedls Buch „100 geniale Tricks für eine gesunde Ernährung“, erschienen im GU Verlag, liefert zahlreiche praktische Tipps, um den Alltag ganz einfach gesünder zu gestalten.