Göttingen. . Ab dem 1. Juli 2011 wird das telefonieren per Handy im europäischen Ausland billiger. Dafür sorgt ein neuer Roaming-Kostendeckel der Europäischen Union. Viele Anbieter schalten den neuen Tarif bei Vertragskunden jedoch nicht automatisch frei.
Pünktlich zum Start in die Hauptreisesaison wird Telefonieren mit dem Handy im EU-Ausland billiger. Ab 1. Juli kostet ein Anruf vom Pool aus nach Deutschland pro Minute noch 41,65 Cent, fast fünf Cent weniger als bisher. Für ankommende Gespräche sind jetzt 13,09 statt 17,85 Cent pro Minute fällig. Diese Kostendeckel hat die Europäische Union für alle 27 Mitgliedstaaten festgelegt - eine schöne Entlastung für die Urlaubskasse.
Doch wer glaubt, dass er unter der Sonne Spaniens oder Italiens automatisch zum günstigen EU-Tarif spricht, der irrt, wie Rafaela Möhl vom Online-Ratgeber Teltarif sagt. Mobilfunkbetreiber versuchten trickreich, die Obergrenzen zu umgehen. Vertragskunden würden häufig stärker zur Kasse gebeten als eigentlich nötig. Bei neueren Handyverträgen seien teurere Verbindungen meist voreingestellt, hat Teltarif herausgefunden. Das betreffe Kunden von Telekom, Vodafone, E-Plus und O2. Nur mit Prepaid-Guthaben-Karte lasse sich tatsächlich zum günstigsten Preis telefonieren, sagt Möhl.
Selbst kümmern oder draufzahlen
Nur wer noch vor der Abreise aktiv bei seinem Anbieter die günstigsten Gebühren verlangt und einstellen lässt, kann sicher sein, dass er wirklich vom gedeckelten EU-Tarif profitiert, raten die Experten von Teltarif. Sonst kann es passieren, dass bei abgehenden Gesprächen beispielsweise Kosten von 29 bis 30 Cent pro Minute anfallen plus einmalig 75 Cent pro Verbindung. "Kurze Anrufe daheim werden damit immer tendenziell teurer als mit dem EU-Tarif", erläutert Möhl. Für ankommende Telefonate können ihren Angaben zufolge ebenfalls die 75 Cent pro Verbindung fällig werden, allerdings bei vergleichsweise besseren Minuten-Preisen. "Das lohnt sich gegenüber dem Euro-Tarif aber auch erst ab der sechsten Minute Telefonieren", erklärt Möhl.
Dass deutsche Anbieter neben dem EU-Preismodell von sich aus andere Roaming-Optionen schalten, ist zwar alles andere als kundenfreundlich, aber erlaubt. "Der Kunde kann sich nur auf sich selbst verlassen und sollte deshalb immer aktiv den EU-Tarif einfordern", empfiehlt die Fachfrau. Vorsicht ist auch beim Verschicken von MMS-Fotonachrichten ratsam. Die Gebühren für diesen Service sind innerhalb der EU nach wie vor nicht gedeckelt. Wer gern Handy-Schnappschüsse vom Strand nach Hause schickt, sollte sich lieber vor der Reise über die Kosten informieren. "Die Preise sind sehr unterschiedlich und hängen von Anbieter, Land und Datenvolumen ab", betont Möhl. Außerdem kostet der MMS-Empfang im Ausland meist Geld.
Tückische Apps
Weitere Kostenfallen warten vor allem auf die Besitzer von Smart- und iPhones, warnt die Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz. Wer ein modernes Handy mit in den Urlaub nimmt, sollte Navigations- oder Serviceprogramme wie Apps vorher am besten ausschalten. Diese sind so eingestellt, dass sie sich auch im Ausland ständig selbst ins Internet einwählen und Daten aktualisieren. Das wird ganz schnell ein teurer Spaß. Gleiches gilt für Laptops, die automatisch Updates laden oder im Fünf-Minuten-Takt Emails abrufen.
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Auch im Urlaub schnell mal Fußballergebnisse oder Nachrichten per Smartphone oder Internetstick checken, kann richtig ins Geld gehen, vor allem außerhalb der EU, beispielsweise bei Reisen in die Schweiz, die Türkei oder nach Ägypten. Kurz mal die Emails abrufen kann etwa in Tunesien 19 Euro pro übertragenem Megabyte (MB) kosten. Wer sich mit Bildern oder Videos große Datenmengen herunterlädt, muss nach wie vor mit Hunderten Euro Gebühren rechnen - je mehr MB, desto teurer. Nur EU-weit kann es keine Schockrechnungen mehr geben. Statt bislang maximal 80 Cent pro Megabyte dürfen Mobilfunkanbieter hier nur noch 50 Cent abbuchen. Außerdem schützt eine automatische Kostensperre. Bei 59,50 Euro für Datenverbindungen ist Schluss. Die Verbindung wird dann gekappt. Zuvor müssen die Mobilfunkanbieter den Nutzer zudem per SMS warnen.
Die Vorgaben wurden bereits im Jahr 2007 beschlossen. Die EU-Kommission will bis 2015 die Kosten für Telefongespräche, SMS und Datentransfer im Ausland auf das gleiche Niveau wie Inlandsgespräche senken. Bislang klafft noch eine Lücke. Zwar sind die Gebühren für Auslandsgespräche nur noch ein Viertel so hoch wie 2005. Trotzdem ist ein Anruf aus dem europäischen Ausland immer noch drei Mal so teuer wie ein Inlandsgespräch. Außerdem gibt es laut EU-Kommission zu wenig Wettbewerb unter den Mobilfunkanbietern. Deswegen will die Kommission in der kommenden Woche neue Pläne zur Senkung der Roaming-Gebühren ab 2012 vorstellen. (mit dapd)