Essen. Lena tritt ihren neuen Job an – und wird direkt schwanger. Ihren Chef stört das. Er will sie loswerden. Ist das nachvollziehbar?

Lena (Name geändert) aus Essen hat gerade erst ihre neue Stelle als Projektleiterin in einer kleinen Marketingagentur angetreten. Dann erfährt die 30-Jährige, dass sie zum zweiten Mal schwanger ist. Als sie ihrem Chef von der Schwangerschaft erzählt, will er sie wieder loswerden. Zu Recht? Lenas Geschichte hat für viel Aufsehen gesorgt. Mehr als 2000 Menschen haben sich auf Facebook zu ihren Erfahrungen geäußert – mit sehr unterschiedlichen Meinungen. Die Debatte.

Zum Hintergrund: Da Lenas alter Job nicht gut genug bezahlt wurde, bewarb sie sich bei einer kleinen Agentur als Projektleiterin. „Mein Chef zeigte großes Vertrauen und gab mir direkt einen unbefristeten Vertrag“, erzählt sie. Was Lena zu diesem Zeitpunkt allerdings noch nicht wusste: Sie war bereits mit ihrem zweiten Kind schwanger. „Als ich dies meinem Chef mitteilte, war er geschockt – meinte aber, dass ,wir das schon hinkriegen‘“, erinnert sie sich.

Schwanger im neuen Job: „Mein Chef war geschockt“

Doch schnell kamen die ersten Herausforderungen: Das Kind wurde krank, die Eingewöhnung verlief nicht wie geplant, die Familie musste umziehen. „Nach einer Woche, in der ich zu Hause bleiben musste, äußerte mein Arbeitgeber die ersten Bedenken“, sagt Lena.

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Nach einiger Zeit sei sie gebeten worden, eine Lösung zu finden, um bis zum Mutterschutz nicht mehr zu arbeiten. „Mein Arbeitgeber argumentierte, dass meine Anwesenheit wegen Fehlzeiten und meiner allgemeinen Situation Unruhe ins Unternehmen bringen würde“, sagt Lena. Sie findet: „Es ist bedauerlich, dass immer noch nicht alle Arbeitgeber die nötige Sensibilität für die Situation von Müttern aufbringen.“

Kind und Karriere: Mütter kritisieren Arbeitgeber

Mit ihrer Forderung ist Lena nicht allein. „So lausig, wie Mütter im Beruf diskriminiert werden“, kommentiert eine Userin bei Facebook. „Da hat ein Arbeitgeber noch nicht verstanden, wie wertvoll die Frau noch wird. Abgesehen davon, dass Kinder nun mal die zukünftigen ArbeitnehmerInnen sind“, eine andere.

Einige Userinnen haben sogar ähnliche Erfahrungen gemacht. „Ich wurde nach der Elternzeit rausgeekelt. Auf einmal haben sich angeblich die Arbeitszeiten geändert. Ich wollte halbtags wieder anfangen, hätte aber direkt meinen Kleinen bis spätnachmittags in die Kita geben müssen, mit den neuen Arbeitszeiten. Dann hat man mir einen Auflösungsvertrag angeboten – ohne Abfindung!“, berichtet eine Mutter.

Familie und Beruf lassen sich für viele Eltern im Ruhrgebiet noch nicht problemlos vereinen
Familie und Beruf lassen sich für viele Eltern im Ruhrgebiet noch nicht problemlos vereinen © Shutterstock / NAR studio | NAR studio

Doch nicht alle haben Verständnis für Lenas Situation. Sie unterstützen vielmehr ihren Arbeitgeber. „Ich habe selbst einen Betrieb. Hätte ich genauso gemacht als Chef“, sagt eine Nutzerin. Und eine andere berichtet: „Ich hatte einen kleinen Betrieb mit zwei Mitarbeiterinnen, die zur gleichen Zeit schwanger wurden. Mit den Arbeitsausfällen haben die mich fast in den Ruin getrieben.“ Ein anderer User hält fest: „Ein Arbeitgeber stellt ja jemanden ein, weil er die Arbeitskraft braucht und nicht, weil er so sozial ist.“

Ein Mann fasst die kontrovers geführte Debatte in seinem Kommentar so zusammen: „Betriebe suchen oft nicht zum Spaß und da ist es oft schon schwer genug, kompetente Leute zu finden. Wenn du dann jemanden gefunden hast, vermeintlich für Vollzeit und die Person ist ,andauernd‘ schwanger oder in Mutterschutz, hast du als Betrieb nichts gewonnen. Andererseits gebietet es die Menschlichkeit, der Frau die Schwangerschaft zu gönnen und ihr nicht im Weg zu stehen.“

Personalmangel erschwert Vereinbarkeit von Familie und Beruf

Den Personalmangel in vielen Branchen, der sich weiter zuspitzt, sehen viele als eines der Hauptprobleme. „Wäre keine Personalknappheit, wäre es egal, ob eine Frau schwanger ist. Das kann man dann gut abfangen. Diese Zeiten habe ich auch erlebt. Heute wird man oft betrieblich (moralisch) abgestraft, wenn man schwanger ist“, berichtet eine Mutter.

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Viele sind sich einig, dass sich die grundlegenden Strukturen verändern müssen, um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu verbessern. „Kann ja keine Frau was dafür, dass nur sie die Kinder in der Beziehung austragen kann. Und Mütter werden dann ja auch nicht gerne eingestellt, weil sie ja öfter ausfallen können. Finde es ja schön, dass sich das die Paare mittlerweile immer öfter aufteilen. Bei einer Schwangerschaft ist das nur nicht möglich“, kommentiert ein Nutzer.

Mutter: „Ich wurde nach acht Wochen im neuen Job schwanger“

Doch nicht allen Eltern fällt es so schwer, Familie und Beruf zu vereinen. Einige Arbeitgeber machen bereits vor, wie sich die Situation für (werdende) Mütter verbesser kann. Das zeigen die positiven Beispiele, von denen Facebook-User berichten. „Ich war zwei Monate im Betrieb und wurde schwanger. Aufgrund der ,Lage‘ wurde ich in einer anderen Abteilung bis zum Mutterschutz versetzt. In der Zeit habe ich mehrere Jobangebote innerhalb des Betriebes erhalten, ebenso bekam ich einen Unbefristeten“, erzählt etwa eine Mutter.

Eine andere berichtet: „Ich wurde nach knapp acht Wochen im neuen Job schwanger und mein Chef behielt mich. Arbeite heute 50 Prozent, die Arbeit ist erledigt und alle sind zufrieden. Nun arbeite ich schon drei Jahre dort. So sollte es auch sein.“

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Auch Arbeitgeber selbst erzählen von positiven Erfahrungen zur Schwangerschaft im Job. Ein Chef kommentiert zum Beispiel: „Wir haben mal eine Schwangere zwei Wochen vor der Babypause eingestellt. Sie ist eine unserer besten Mitarbeiterinnen geworden.“

„Wie gut können Sie Familie und Beruf vereinbaren? Und wie familienfreundlich ist Ihr Arbeitgeber?“ Das haben wir unsere Userinnen und User für den großen WAZ-Familiencheck gefragt. Mehr als 7000 Menschen aus dem Ruhrgebiet haben an der nicht-repräsentativen Umfrage teilgenommen. Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf bewerten sie im Durchschnitt mit der Schulnote „Zwei minus“. Besser schneiden die Arbeitgeber selbst ab: Ihre Familienfreundlichkeit wird durchschnittlich mit einer glatten Zwei benotet. Auffällig ist dabei allerdings, dass die Arbeitgeber anscheinend zu selten eine spontane Kinderbetreuung (Schulnote 2,9) oder Home-Office (Schulnote 3,6) ermöglichen. Vor welchen Herausforderungen stehen Eltern im Alltag? Und wie muss sich die Arbeitswelt verändern? Weitere Texte unseres Schwerpunkts lesen Sie hier: