Essen. Im August ist Kita-Start in NRW. Einige Eltern haben keinen Platz bekommen. Welche Alternativen es gibt, erklären Träger und Erzieher.

„Suche Betreuungsplatz für meine Tochter. Start flexibel”, schreibt Jana S. „LilleVilla braucht U2-Mädchen ab August“, schreibt Katharina K. „Biete sicheres Umfeld und freie Bewegung. Rufen Sie mich an“, schreibt Noura N. „Unser Sohn ist nachgerückt. Platz im Eulen-Nest wird frei“, schreibt Jasmin V. In einer Essener Facebookgruppe handeln Eltern und Tagesmütter mit Kinderbetreuungsplätzen. Der Grund: Zum August ist Kita-Start, die offizielle Platzverteilung über Portale wie „Little Bird“ (Essen, Oberhausen) oder „Kita Place“ (Duisburg) ist aber seit März abgeschlossen. Trotzdem stehen viele Eltern ohne Betreuung da.

Laut einer Bertelsmann-Studie fehlen in diesem Jahr allein in NRW über 100.000 Betreuungsplätze. Nach der offiziellen Vergabe sind Warteliste entstanden, wer oben steht hat noch Chancen auf einen Kitaplatz. Denn: „Wenn Plätze kurzfristig frei werden, weil eine Familie zum Beispiel umzieht, rücken Kinder nach, die im Verteilerportal registriert sind und noch keinen Kitaplatz haben“, erklärt Lina Strafer vom Kita-Zweckverband im Bistum Essen. Aber was können Eltern tun, die kein Nachrück-Glück haben und kurzfristig auf eine Betreuung für ihre Kinder angewiesen sind? Ein Überblick:

Kommt man nur noch über Portale wie „Little Bird“ an einen Platz?

„Offiziell ja“, sagt Oliver Kern, Geschäftsführer der AWO im Kreisverband Essen. „Doch es besteht auch die Möglichkeit, sich direkt an uns als Träger zu wenden.“ Die AWO habe einen Überblick darüber, wo noch letzte Plätze frei seien. „Little Bird“ soll die Kitaplatz-Verteilung einfacher und effizienter gestalten. Wer sein Kind dort registriert, kann sieben Wunsch-Kitas angeben und steht bei diesen Einrichtungen so lange auf der Warteliste, bis es mit einem Platz funktioniert hat – so die Theorie. Doch das Programm steht bei öffentlichen und privaten Trägern in der Kritik. „Ich fand es besser, als Eltern von Anfang an den direkten Kontakt zu den Kitas hatten“, so Kern.

„Eltern konnten sich schlichtweg überall anmelden und hatten dadurch viel mehr Möglichkeiten, einen Platz zu bekommen“, ergänzt Jutta Behrwind, Betreiberin von drei privaten Kitas in Essen. Sie biete daher zusätzlich eine Anmeldung in Papierform an.

Ist es sinnvoll, bei den einzelnen Kitas nach freien Plätzen zu fragen?

„Großer Aufwand für geringe Chancen“, meint die Essener AWO. Denn es gäbe nur noch eine Handvoll freier Plätze. „Bei uns macht das Durchtelefonieren keinen Sinn, weil wir strikt nach der Warteliste gehen, und die ist lang“, sagt Jutta Behrwind. Abgesehen davon störe es den Kita-Alltag, wenn ständig das Telefon klingele oder verzweifelte Eltern vor der Tür ständen. Woanders scheint sich Hartnäckigkeit jedoch schon bewährt zu haben. „Im August 2022 habe ich einen letzten Kitaplatz bekommen, indem ich etliche Einrichtungen persönlich kontaktiert habe“, erzählt die alleinerziehende Mutter Patricia Flockenhaus aus Dortmund. Allerdings nur einen Halbtagsplatz. Somit sei sie zusätzlich auf die Hilfe ihrer Mutter angewiesen.

Bringt Vitamin-B bei der Platzvergabe Vorteile?

Einrichtungen und Träger sagen „Nein“ und so sollte es in einem fairen Prozess auch sein. Die Duisburgerin Janine Schumacher hat im Jahr 2018 jedoch die Erfahrung gemacht, dass es durchaus helfen kann, seine Kontakte spielen zu lassen. „Wir kannten jemanden bei der Stadtverwaltung“, so die Mutter. „Man organisierte uns zunächst eine Tagesmutter in der Nachbarstadt Oberhausen. Die Mehrkosten wurden übernommen, weil ich definitiv wieder arbeiten musste und es keine andere Option gab“, erzählt sie weiter. Ein Jahr später habe ihre Tochter durch „Mundpropaganda“ in den Kindergarten wechseln können, weil ihre Nachbarn mit dessen Leitung befreundet waren.

Sollte man Ausschau nach alternativen Betreuungsangeboten halten?

„Allein in Essen fehlen über 1000 Plätze“, sagt AWO-Chef Kern. Komplett werde man den Bedarf nicht decken können. In den Tagespflegeeinrichtungen scheint es allerdings noch ausreichend Plätze zu geben. „Wir streiten uns quasi um die Kinder“, sagt Tagesmutter Doreen Steigerwald, die ihre Großtagespflege „Waldzauber“ auf Facebook bewirbt.

„Das Gefecht um die Kinder wird von Jahr zu Jahr schlimmer, weil immer mehr Kitas auch U3-Gruppen anbieten“, sagt auch Tagesmutter Lisa H. aus der „Villa Vielfalt“. „Die Kitaplätze werden knapper, weil sie auch an Unter-Dreijährige vergeben werden und wir bekommen unsere Gruppen nicht mehr voll“, beklagen die Essenerinnen.

Tagespflegeplätze sind in der Regel etwas teurer als Kita-Plätze. Dafür sind die Gruppen mit maximal fünf bis neun Kindern deutlich kleiner und Kinder werden im Durchschnitt 41 bis 45 Stunden pro Woche betreut. Dennoch präferieren Eltern oft Kitaplätze, weil sie ein Jahr später ungern wieder wechseln möchten oder Angst haben, dass sie keinen Platz mehr bekommen, wenn sie einmal einen abgelehnt haben. Tagespflegeeinrichtungen sind nämlich in der Regel nur auf Unter-Dreijährige ausgerichtet.

Einen Überblick zu Tagespflegeeinrichtungen inklusive Telefonnummern erhält man das ganze Jahr über ebenfalls in Verteilerportalen wie „Little Bird“. Wer sich das Rumtelefonieren sparen möchte, könnte alternativ einen Blick auf Börsen im Internet, wie Facebookgruppen werfen oder persönlich bei den Einrichtungen vorbeischauen.

Wann kann ich klagen und was bringt es mir?

„Eltern, die keinen Kitaplatz erhalten haben, können einen Rechtsanspruch beim Jugendamt geltend machen, wenn das Kind mindestens ein Jahr alt ist“, erklärt Behrwind. Das Jugendamt habe dann sechs Monate Zeit, einen adäquaten Platz anzubieten oder sich im Zweifel um eine geeignete Tagespflege zu kümmern.„Je mehr Eltern klagen, desto deutlicher wird die Versorgungsnot“, ergänzt Kern. Das könne dazu führen, dass die Träger mehr Kitaplätze vom Jugendamt genehmigt bekommen. „Und wenn am Ende trotzdem nur eine Tagespflege infrage kommt, kann man auch die zusätzlichen Kosten dafür einklagen“, so der AWO-Chef.

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