Ruhrgebiet. Nach dem Zuchtverbot wollen die Niederlande auch die Haltung des Mopses untersagen. Züchter in NRW kämpfen längst gegen „gruselige“ Qualzucht.
So niedlich, wie sie schnaufen! So putzig, wie sie watscheln! So treuherzig, wie sie gucken! Flache Nasen, kurze Beine, große Kulleraugen: Das gilt als Schönheitsideal für den Mops. Nur, der Mensch liebt, der Hund leidet. Findet der niederländische Landwirtschaftsminister und will nach der Zucht bald auch die Haltung solcher Tiere verbieten. Seriöse Züchter in NRW sind entsetzt: Eine ganze Rasse würde verschwinden.
In seinen ersten Mops verliebte sich Andreas Wemhoff wegen des Charakters. Äußerlichkeiten Nebensache? Nicht für den Hund: „Das arme Tier hat kaum Luft bekommen.“ Wemhoff aus Everswinkel bei Warendorf musste am eigenen Mops erfahren, was die sogenannte „Qualzucht“ bedeutet: Aus der Rasse, vor etwa 2000 Jahren als chinesischer Kaiserhund gezüchtet, war ein Schoßtier geworden, dessen angeblich niedliche Knautschnase pure Atemnot bewirkt, dessen Augen ständig entzündet sind. Und das nur, weil Herrchen und Frauchen das schön finden. Der Züchter wollte es besser machen, im doppelten Sinn: Aus Amerika holte er einen Mops mit „ausgeprägtem Näschen“, geteilter Nasenfalte, weniger Augendruck. Und begann, mit ihm gesündere Tiere zu züchten. Der Amerikaner, inzwischen bekannter Stammesvater derer „vom Kahlen Asten“, heißt passenderweise Casanova.
Tierschutzgesetz verbietet Qualzucht auch in Deutschland
Seine Nachkommen entsprechen den Regeln des Zuchtverbands MPRV, der auf mehr Lebensqualität achtet, alle Tiere werden von den Veterinärämtern untersucht und haben geprüfte Gesundheitszeugnisse. Augen, Rücken, Patellasehne – alles ohne Befund. So will es auch das deutsche Tierschutzgesetz: Das verbietet die Zucht von Wirbeltieren, bei deren Nachkommen „damit gerechnet werden muss, dass erblich bedingt Körperteile … untauglich oder umgestaltet sind … und die Haltung nur unter Schmerzen oder vermeidbaren Leiden möglich ist“. Der Paragraf 11b heißt auch „Qualzuchtparagraf“.
Seine Kontrolle allerdings ist schwierig. Deutschland setze auf Aufklärung und amtliche Überwachung, sagt das Landwirtschaftsministerium NRW: Die Behörden könnten die Zucht in Einzelfällen verbieten oder anordnen, betroffene Tiere unfruchtbar zu machen, etwa durch Kastration. Die Niederlande gehen da deutlich weiter. Schon seit 2014 ist dort die Zucht von Möpsen und anderer betroffener Arten wie etwa verschiedener Bulldoggen, Pinscher oder Katzen mit schmerzhaften Faltohren, komplett untersagt. Nun aber will der zuständige Minister auch ein Haltungsverbot.
Niederlande: Wer künftig einen Mops kauft, macht sich strafbar
Es könne nicht sein, dass Haustiere Schmerzen hätten und „nach Luft schnappend durchs Leben gehen“, sagt Piet Adema von der Christenunion. „Wir machen unschuldigen Tieren das Leben sauer, nur weil wir das ,schön’ und ,niedlich’ finden.“ Er wolle erreichen, dass kein Lebewesen mehr unter seinem Äußeren leiden müsse. Ein Gesetz, dass die Haltung solcher Tiere untersagt, ist derzeit in Arbeit. Wer wegen des niederländischen Zuchtverbots einen Mops im Ausland kauft, würde sich damit künftig strafbar machen.
Allerdings, das weiß Adema auch, muss dafür eine Liste her, die betroffene Rassen zweifelsfrei benennt. An einer solchen Aufzählung wird auch in Deutschland gearbeitet: Eine Projektgruppe der Arbeitsgemeinschaft Tierschutz der Bundesländer erstellt derzeit für alle Hunderassen einen Kriterienkatalog mit konkreten Qualzuchtmerkmalen, auch NRW ist beteiligt. In einem ersten Schritt wurde zuletzt ein Ausstellungsverbot für qualgezüchtete Hunde auf den Weg gebracht, um die Tiere „nicht auch noch öffentlich zu bewerben“, wie das NRW-Landwirtschaftsministerium sagt. In Dortmund versuchte die Messe „Hund & Katz“ es 2022 mit Gesundheits-Bescheinigungen und Einlasskontrollen – die Teilnehmerzahlen gingen um ein Drittel zurück.
Züchter: „Die Eliminierung einer ganzen Rasse kann keiner wollen“
Ein komplettes Verbot aber halten Züchter in NRW für die „allerletzte aller Maßnahmen: Die Eliminierung einer ganzen Rasse kann keiner wollen“, sagt Andreas Wemhoff im Münsterland. Zudem sei das Ansinnen, so Doreen Näwy vom Zuchtverband, ein „Schlag ins Gesicht der Züchter, die sich abmühen“. Auch die Mülheimerin Susanne Ney wählt die Formulierung vom „Schlag ins Gesicht der verantwortungsvollen Züchter“. Die Hobbyzüchterin, die seit mehr als 30 Jahren Möpse hat, verweist auf Zuchtrichtlinien, Gen-Untersuchungen und Röntgenauflagen, um dem Mops mehr Lebensqualität zu geben. „Natürlich bekommt man nicht innerhalb kürzester Zeit das verbessert, was seit Jahrzehnten falsch gemacht wurde, aber wir sind … auf einem sehr guten Weg.“ Ihr Hund Berta, sagt Susanne Ney, sei „ein gutes Beispiel für einen Mops der Zukunft“.
Wie sie pochen viele seriöse Züchter auf die sogenannte „Zuchthygiene“. Aber auch in NRW, gibt das zuständige Ministerium zu, werde „leider eine hohe Nachfrage“ nach qualgezüchteten Hunden beobachtet. Dabei war die Zahl der in Deutschland geborenen Mopswelpen in den Zehner-Jahren zurückgegangen: Wurden 2010 mit 791 die meisten Welpen gezählt, waren es 2020 nur noch 251. Mit Beginn der Corona-Krise aber, in der sich viele Menschen einen Hund anschafften, stieg die Zahl wieder auf knapp 300. Für 2022 liegen noch keine Zahlen vor.
Ein Mops aus seriöser Zucht kostet etwa 2000 Euro
„Wegen Corona wollten alle einen Hund, egal woher“, bestätigt Züchter Andreas Wemhoff. Der Bedarf habe dazu geführt, dass „ein Heer von Hobbyzüchtern“ auf den Markt gekommen sei. Wemhoff formuliert es drastisch: „Jeder Beliebige ohne Sachverstand, der eine Hündin hatte, hat einen Rüden drauf gelassen. Den nächstgelegenen, der mal Spaß haben will.“ So nahegelegen oft, dass die Partnertiere „sehr nah verwandt“ gewesen seien – und ihre Jungen in der Folge krank. Solche Zucht, weiß Wemhoff, sei ein einträgliches Geschäft: Ein Mops ohne Papiere sei ab 750 Euro zu haben. Ein nach den Regeln des Gesetzes gezüchteter Mops koste ca. 2000 Euro.
Für das NRW-Landwirtschaftsministerium ist es „ein großes Problem, dass ein Großteil der Hundekäufe online erfolgt“. So könne man kaum verhindern, dass Tiere außerhalb jeder Kontrolle im Ausland bestellt würden: Es sei zu sehen, dass „der Anteil gehaltener qualgezüchteter Hunde eher ansteigt als sinkt“.
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Andreas Wemhoff macht das „unendlich wütend“: Da werde „Elend gezüchtet“, das sei furchtbar und „gruselig“. Der Züchter weiß, was Menschen über ihre Möpse denken: „Der schnurrt, der redet mit mir.“ Oder er schnarcht (auch wenn er wach ist). Tatsächlich indes keuche der Hund, „wir wollen lieber einen, der atmen kann“. Niemand unterscheide aber zwischen Qualzüchtern und jenen, die sich verantwortungsvoll um die beliebte Rasse bemühen. Und auf ihren Internetseiten allesamt mit jenem Bonmot von Loriot werben: „Ein Leben ohne Mops ist möglich, aber sinnlos.“
>>INFO: NRW ARBEITET AUCH AN EU-PROJEKT MIT
Nordrhein-Westfalen beteiligt sich an einem Koordinierten Kontrollprogramm der EU-Kommission, das den illegalen Welpenhandel besser überprüfen will. Tierschutzverstöße bei Hunden aus dem Ausland werden über ein Schnellwarnsystem der EU an das Herkunftsland gemeldet. Dort können dann ebenfalls Tierschutzkontrolle veranlasst und Maßnahmen eingeleitet werden.
Die Projektgruppe „Ausstellungsverbot von Hunden mit Qualzuchtmerkmalen“ der Arbeitsgruppe Tierschutz in der Länderarbeitsgemeinschaft ist seit Mitte 2022 damit beschäftigt, die Kriterien für einen möglichen Ausschluss eines Hundes von einer Veranstaltung festzulegen. Ihr gehören neben NRW Vertreter aus fünf weiteren Bundesländern sowie Tierärzte an. Erste Ergebnisse liegen den Veterinärämtern vor. Auch hier arbeiten Tierärzte und Wissenschaftler mit.