Bochum. Der Pudel, Modehund der 60er-Jahre, ist bei der Welpenzahl wieder mit oben. Besitzer schätzen ihn als sensibel – und nahen Verwandten des Wolfs.
Früher hieß das hier Sommerfest. Tombola und flotte Musik, Grillwurst und Bierchen bringen die Leute auf einem Sportplatz ja immer einander näher, aber hier teilen sie gerade auch noch diesen vierbeinigen Gesprächsstoff, der niemals ausgeht: ihre Pudel, die sie mitgebracht haben. Doch „Sommerfest“ war gestern, „Pudelfestival“ nennen sie es heute. Klingt schon durch, das neue Selbstbewusstsein. Denn der Pudel ist zurück. Wenn das keine gute Nachricht ist . . . wäre es eine schlechte.
„Einen Moment bitte noch.“ Am Tag des Festivals ist Michael Potthast der, Verzeihung, der ärmste Hund, der Vorsitzende der Ortsgruppe Bochum des „Verbandes der Pudelfreunde“. Noch was organisieren hier, noch jemanden einteilen da; zur Eröffnung reden, Zuschauer von einem schlecht gewählten Standort verscheuchen, „Michael, kannst du kurz?“
„Man lebt mehr nach den Pudeln, als dass es anders läuft“
Jetzt möchte er einfach mal die Pudel der Familie rennen sehen. Auf einem Hundesportplatz im Süden der Stadt: Einzelzeitrennen, Pudel gegen Stoppuhr. Eine „Miss Marple von der Vossheide“ hat vorgelegt, ein „Fridolin Simply Fantastic“ wird der nächste sein. Jetzt aber kommt erstmal Potthasts „Xandro von Altendorf“ gestürmt, ja, beste Zeit soweit. „Schön“, freut er sich: „Sitz, du bleibst jetzt hier bei Papa. Mama kommt gleich.“
Der Pensionär ist, bei allem gebotenen Respekt, quasi durch seine Frau auf den Pudel gekommen: Sie waren schlichtweg eher in ihrem Leben als er. Vier haben sie jetzt. „Man lebt mehr nach den Pudeln, als dass es anders läuft“, sagt Potthast. Von regelmäßigen Besuchen auf Ausstellungen weiß auch er: „Es werden immer mehr. Seit drei Jahren beobachte ich das jetzt.“
In der Welpenstatistik steht der Pudel seit einiger Zeit auf Platz sechs
Er galt schon fast als ausgestorben. Nicht mehr zu sehen. Das Mammut unter den Hunderassen. Wie hießen die? Pudel? „Die Zeit des größten Pudelbooms war zwischen 1962 und 1972, als er mit an der Spitze aller Rassehunde stand“, heißt es beim Deutschen Pudel-Club. Von da an ging’s bergab: Die verrückten Volahiku-Frisuren, auch in der Fassung Volahila, gerieten entschieden in Verruf, „der Pudel bekam ein seltsames Image als Oma-Hund, vielleicht wegen der Jacob-Sisters“, sagt Udo Kopernik vom „Verband für das Deutsche Hundewesen (VDH)“.
Singende Schwestern aus Sachsen waren das, die man im Fernsehen praktisch nie ohne weiße Pudel auf dem Arm sah. Die Hunde hatte wahrscheinlich mal wieder keiner gefragt, so ist es ja immer. Aber jedenfalls steht der Pudel in der VDH-Welpenstatistik inzwischen stabil auf Rang sechs: weit hinter den führenden Schäferhunden und Teckeln, aber sechster unter 364 anerkannten Rassen; weit vor dem Mops übrigens, der vor Jahren als angesagter Modehund durchs Dorf gejagt wurde.
Leute haben zusehends erkannt, dass der Pudel ein richtiger Hund ist
Vielleicht sollte man einfach Helga Tripp fragen, die Ehrenvorsitzende hier in Bochum; die Hundefrisörin und Pudelzüchterin hat alle Aufs und Abs miterlebt. „Ich habe mit Schwarzen Zwergen angefangen“, erinnert sich die 80-Jährige; spätestens, als der englische Großpudel „Liebchen of Leander“ in ihr Leben trat, erlosch aller Widerstand. 300 Pudel, schätzt sie, habe sie gezüchtet.
„Viele dachten, dass ist nur ein Modehund, ein dressierter Affe, der nur auf dem Sofa sitzt“, sagt Tripp. Heutzutage hätten die Leute zusehends erkannt, „dass das ein richtiger Hund ist, mit dem sie alles machen können. Sogar Schutzhund.“ Er stehe nämlich dem Wolf sehr nah. Woran sieht man das? „Das weiß man.“
„Prügeleien wie mit Schäferhunden haben Sie mit Pudeln selten“
Draußen weiter Rennen. Und an Ständen gibt es Hundebedarf, auch spezielles Pudel-Gut darunter. Ohrringe mit Pudeln, Schlüsselanhänger mit Pudeln, Handtücher mit . . . genau, Halsbänder ,Poodle Power’, Pudeluhren, handgemacht, 25 Euro. „Ihr Liebling als Kissen“, steht an einem solchen Stand geschrieben, aber die werden doch hoffentlich nur ein Foto des Lieblings zum Kissen machen?
Außerhalb des Festivals aber sind die Anfeindungen freilich nicht ganz aus der Welt; die Frau da vorn hat sicher nicht umsonst „Pudel, was sonst?“ auf ihrem Rucksack stehen. Und eine andere erzählt, dass ihr stolzer Ausstellungsrüde „Isi“ wegen seiner Zöpfe oft für eine Hündin gehalten und dann bedauert werde. Der arme Hund! „Ich sage dann immer: Conan der Barbar hatte auch Zöpfe. Und Isi benimmt sich genauso.“ Also bitte nicht: leichtfertig an den Haaren ziehen.
Das war ein bisschen gemein jetzt. Deshalb soll Isis Frauchen Elke Laufenberg das letzte Wort haben zum Thema Pudel: „Ich liebe die Leichtigkeit der Bewegungen. Sie sind extrem sensibel, extrem empathisch und fühlen, wenn man schlechte Laune hat. Prügeleien wie mit Schäferhunden haben Sie mit Pudeln selten.“ Kluger Hund!