Herne. Mit einem Cocktail haben Menschen in Herne auf ihre Impfung angestoßen. In anderen Städten blieb der Ansturm während der „Woche des Impfens“ aus.
Das rote Bändchen am Handgelenk ist das Zeichen für Barkeeper Rocco: Oliver Sohn ist geimpft, hat sich soeben im Impfzentrum eine Spritze geben lassen. Er bekommt einen Cocktail aufs Haus. „Etwas Fruchtiges mit Limette“ darf es für den 20-Jährigen sein, so kurz nach dem Piks natürlich ohne Alkohol. Der angehende Elektriker hatte früher Feierabend und ist mit seinem Bruder „ganz spontan“ zum Impfzentrum nach Herne gefahren. Dort hat das Deutsche Rote Kreuz (DRK) im Rahmen der „Woche des Impfens“ eine besondere Aktion organisiert: Hernerinnen und Herner ab 16 Jahre können sich ohne Termin impfen lassen und anschließend in der „Impflounge“ in der angrenzenden Event-Arena bei Musik auf ihren Corona-Schutz anstoßen.
„Unsere Mutter hat uns von der Aktion erzählt“, sagt Oliver Sohn. „Sie ist etwas besorgt“, ergänzt sein Bruder Maik. Auch der 18-Jährige nimmt das Impfangebot wahr. Zwar hätten sich die Geschwister auch längst beim Hausarzt impfen lassen können. „Aber der hat immer nur geöffnet, wenn ich arbeiten muss“, sagt Oliver Sohn. Am Freitag habe es „perfekt gepasst“.
Niederschwellige Impfangebote: „Gelegenheit macht Impfung“
„Nicht alle Menschen, die noch nicht geimpft sind, sind Impfverweigerer“, sagt Martin Krause, DRK-Chef und organisatorischer Leiter des Herner Impfzentrums. Die Schwelle, beim Arzt anzurufen oder einen Termin im Impfzentrum zu vereinbaren, sei für einige Menschen zu hoch. Vor einer Woche startete das NRW-Gesundheitsministerium daher die „Woche des Impfens“. Städte und Kreise sollen mit „kreativen“ und „möglichst niederschwelligen“ Impfangeboten zum Beispiel in Einkaufsstraßen, an Sportplätzen oder in Shopping-Centern die Impfquoten in ihren Kommunen ankurbeln. Denn „Gelegenheit macht Impfung“, ist auch Martin Krause überzeugt.
Und so bekommt auch Sigrid Wiesche ein rotes Bändchen und schlürft anschließend genüsslich ihre Piña Colada. „Ich habe von der Aktion gar nichts gewusst“, gibt die 66-Jährige zu. Auf Drängen ihrer Tochter sei sie zum Impfzentrum gefahren. Dort sind seit vergangener Woche täglich ab 16 Uhr Impfungen ohne Termin möglich. „Ich habe gehört, dass Genese nun schon nach vier Wochen geimpft werden können“, sagt Tanja Wiesche-Martin. Dass ihre Mutter nun vor einer erneuten Erkrankung geschützt ist, beruhigt die 47-Jährige.
Auch Lena Grotzki (17) lässt sich bei der Aktion impfen – obwohl ihre Mutter Bedenken gehabt habe wegen möglicher Nebenwirkungen. „Wir haben uns dazu entschlossen, ihr die Entscheidung zu überlassen,“ sagt Dirk Grotzki, der seine Tochter zum Impftermin begleitet. „Noch sind die Infektionszahlen niedrig, aber sie steigen langsam wieder“, begründet Lena Grotzki ihren Entschluss. Jedes Mal einen Test machen zu müssen, wenn sie mit Freundinnen shoppen gehen will – „darauf habe ich keine Lust“.
Impfaktion in Herne: „Wir haben überlegt, auf was die Leute mal wieder so richtig Lust haben“
Eine dreistellige Zahl hat sich Martin Krause am Freitagabend gewünscht, am Ende waren es „nur“ 78 Hernerinnen und Herner, die sich bei Musik und anschließendem Cocktail impfen ließen. Dennoch sei die „Woche des Impfens“ in Herne ein voller Erfolg gewesen. 770 Menschen habe man mit verschiedenen Angeboten erreichen können. „Wir haben überlegt, auf was die Leute mal wieder so richtig Lust haben“, sagt Krause. Neben der Impflounge am Freitag- und einer Impfdisco am Samstagabend sorgte der Herner Circus Schnick Schnack am Sonntag mit Mitmachaktionen und Vorführungen für die Kinderunterhaltung, während Eltern sich impfen lassen konnten.
Auch viele andere Städte im Ruhrgebiet beteiligten sich an der Aktion des NRW-Gesundheitsministeriums. In Bochum rollte in der vergangenen Woche ein Impfbus durch das Stadtgebiet. 668 Impfungen wurden von Dienstag bis Donnerstag an neun Stationen vorgenommen. Björn Sperber, organisatorischer Leiter des örtlichen Impfzentrums, zeigte sich mit dem Ergebnis zufrieden. Schon bei dem ersten Halt im Stadtteil Querenburg habe sich vor dem Bus eine lange Schlange gebildet. Darunter viele Studierende der Ruhr-Universität, aber auch Rentnerinnen und Rentner, Familien sowie Migrantinnen und Migranten.
Impfung ohne Termin in Essen: „Ich hatte deutlich mehr erwartet“
In Duisburg dagegen blieb der erhoffte Ansturm aus. 64 Duisburgerinnen und Duisburger ließen sich am vergangenen Mittwoch zwischen 10 und 16 Uhr in einem Einkaufszentrum impfen – 700 Impfdosen hätten zur Verfügung gestanden. Aufgrund des geringen Interesses sprach das Impfteam die Bürgerinnen und Bürger gezielt an – auf Deutsch, Englisch, Türkisch und Arabisch. „Wir freuen uns über jeden, der sich hier impfen lässt“, sagte eine Mitarbeiterin. „Einfacher geht es wirklich nicht.“
Auch in Gelsenkirchen macht sich eine gewisse Impfmüdigkeit breit. Seit einer Woche brauchen die Bürgerinnen und Bürger für die Impfung im Impfzentrum keinen Termin mehr. Laut dem stellvertretenden Leiter Julius Leberl seien am ersten Tag jedoch gerade einmal zehn Prozent der zur Verfügung stehenden Impfdosen verabreicht worden. Die Impfquote sei insbesondere bei den Jüngeren noch zu niedrig. Als Gegenmaßnahme setzt die Stadt seit Samstag einen mobilen Impfbus ein. Das Impfzentrum wird aufgrund der geringen Nachfrage in den kommenden zwei Wochen nur an ausgewählten Tagen geöffnet sein.
Stefan Steinmetz, medizinischer Leiter des Impfzentrums in Essen, warnt ebenfalls vor einer allgemeinen Impfmüdigkeit in der Bevölkerung. Seit vergangener Woche können sich Bürgerinnen und Bürger in der Messehalle ohne Termin impfen lassen. Nach einem vielversprechenden Morgen sei das Interesse jedoch bereits am Nachmittag des ersten Tages stark gesunken. So seien zum Auftakt gerade einmal 500 Bürgerinnen und Bürger ohne Termin erschienen. „Ich hatte deutlich mehr erwartet“, bedauert Steinmetz. Nun habe man genügend Impfstoff, „aber keine interessierten Bürger“.
Impfung ohne Termin weiter möglich
■ In einigen Städten im Ruhrgebiet können sich Bürgerinnen und Bürger auch in dieser Woche noch an spontanen Impfaktionen beteiligen. Bis einschließlich Mittwoch, 21. Juli, haben Duisburgerinnen und Duisburger über 18 Jahre von 12 bis 18 Uhr vor dem Hauptbahnhof die Möglichkeit, sich mit Moderna impfen zu lassen.
■ Auch in Bochum sind weitere Impfaktionen geplant: Bis einschließlich Samstag, 24. Juli, wird jeweils von 14 bis 18 Uhr im Ruhrpark in einem Pop-Up-Impfzentrum nahe der Bushaltestelle „Am Ruhrpark“ geimpft.
■ In vielen Impfzentren in NRW sind außerdem weiterhin Impfungen ohne Termin möglich.