Ruhrgebiet. Bei der Einrichtung ihrer Impfzentren sind die Städte im Ruhrgebiet kreativ: Sie entstehen in Messe- und Turnhallen – und in einem leeren Aldi.

Noch ist der Impfstoff gar nicht da und seine Verteilung nicht geklärt. Aber die Städte im Ruhrgebiet stehen gewissermaßen Spritze bei Fuß: Die Impfzentren werden gerade eingerichtet, spätestens in einer Woche kann und sollte es überall losgehen. Theoretisch.

„Licht anmachen, Halle einrichten und loslegen.“ So geht das in der Willy-Jürissen-Halle in Oberhausen, wo im Frühjahr noch Schalkes Basketballer spielten. „Größere Umbauarbeiten sind nicht erforderlich“, frohlockte Anfang Dezember der städtische Krisenstabsleiter Michael Jehn. 14 Immobilien hatte die Stadt angesehen; Feuerwehr, Rotes Kreuz und Immobilienmanagement entschieden sich kurzfristig für die Sporthalle in der Innenstadt.

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Genug Parkplätze, genug Platz, gute Verkehrsanbindung, vielleicht fährt sogar ein Pendelbus: Wie Oberhausen sind die Revierstädte bereit, mit dem Impfen zu beginnen, und das hatte der Staat auch so verlangt. Bis zum 15. des Monats sollen die Impfzentren fertig sein, dabei ist das Medikament bislang noch nicht einmal zugelassen.

Spritze statt Sport oder Musik: Viele Städte lassen in ihren Hallen impfen

So könnte es aussehen: Eine Messe-Mitarbeiterin simuliert eine Impfung in der neuen Impfstraße, hier im norddeutschen Husum.
So könnte es aussehen: Eine Messe-Mitarbeiterin simuliert eine Impfung in der neuen Impfstraße, hier im norddeutschen Husum. © dpa | Axel Heimken

Also machen sie das jetzt überall: ziehen Trennwände in Sporthallen, bauen sterile Räume in Messezentren, tragen Tische, Stühle, Computer in Konzertsäle. In Bochum in den Ruhrcongress, in Düsseldorf in die Arena, in Gelsenkirchen in die Emscher-Lippe-Halle, in Wesel in die Niederrheinhalle, in Essen in der Messe. In Herne ziehen die Impfärzte in den Revierpark Gysenberg und dort in die Dreifach-Sporthalle, der Kreis Unna plant mit der Kreissporthalle, Hagen mit der Stadthalle. Duisburg geht ins Theater am Marientor, wo derzeit auch getestet wird. Dortmund erwog zunächst die Westfalenhallen, entschied sich nun aber für die Warsteiner Music Hall auf dem Gelände des ehemaligen Hoesch-Hochofenwerks auf Phoenix West.

Zur Pressekonferenz erschienen dort am Montag gleich acht offizielle Vertreter von Stadt, Krisenstab und Kassenärztlicher Vereinigung. Letztere stellt das medizinische Personal und die Technik, die Stadt wuppt die Organisation, Bund und Land wollen den Löwenanteil zahlen. Vielerorts sind auch die Hilfsorganisationen mit im Boot. Sie sollen es schaffen, in den kommenden Monaten Tausende zu impfen, bis zu 50.000 monatlich in Bochum, bis zu 2000 am Tag in Essen, bis zu 60 pro Stunde in Mülheim, jedenfalls: zehn Stunden am Tag, sieben Tage in der Woche.

Normalbetrieb muss in den meisten Hallen ausfallen

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Das bedeutet aber auch: In all diesen Hallen wird vorläufig der Normalbetrieb ausfallen, mindestens aber zurückgefahren werden müssen. In Oberhausen etwa geht die Stadt geht davon aus, dass in der Willy-Jürissen-Halle bis zum Herbst kein Sportbetrieb möglich ist, was Schulen und Vereine trifft. Krisenstabschef Jehn bat um Verständnis: „Die Gesundheit der Oberhausener muss jetzt Vorrang haben.“ In Bochum räumte der Ruhrcongress ohnehin gerade den Programmplan für das erste Halbjahr 2021. Durch die Förderung des Impfzentrums aus der öffentlichen Hand könne man weitere Verluste abwenden: Wegen der Corona-bedingten Absage von mehr als 100 Veranstaltungen kalkuliert der Betreiber, eine Stadttochter, schon für 2020 mit einem Umsatzminus von fast fünf Millionen Euro. Düsseldorf will seine Arena so einrichten, dass trotzdem Fußball gespielt werden kann.

Aber es gibt auch andere Möglichkeiten: Der Kreis Viersen fand ein ehemaliges Krankenhaus, der Ennepe-Ruhr-Kreis für unter anderem Witten und Hattingen einen leerstenden Supermarkt: Das Aldi-Gebäude wird für zunächst ein halbes Jahr gemietet, Verlängerung möglich. Mülheim kommt unter im Fortbildungszentrum auf dem früheren Tengelmann-Areal; über den Teppich wurden Grobspanplatten gelegt, es folgt ein Vinylboden. Siegen impft im alten Ladenlokal eines Baustoffhändlers. Das Impfzentrum für den Kreis Recklinghausen wird tatsächlich erst gebaut: Auf dem Konrad-Adenauer-Platz in der Recklinghäuser Innenstadt, nah bei Rathaus und Bahnhof, entsteht eigens eine Leichtbauhalle.

Tausende sollen geimpft werden, trotzdem keine Wartesaal-Atmosphäre

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Eine Impfstraße pro 70.000 Einwohner muss jede Stadt anlegen. Diese „Impfstraßen“ sind dabei Fußgängerwege, es laufen mehrere parallel: von der Kontrolle, ob jemand zur Impfung berechtigt ist – also nach den Vorgaben der Impfkommission „dran“ – zu einem Aufklärungsgespräch in eine Impfkabine und von dort in einen „Nachbeobachtungsbereich“. Denn es wird empfohlen, nach der Injektion etwa eine halbe Stunde zu ruhen. Das alles natürlich unter Einhaltung der Hygienebestimmungen, auch eine Wartesaal-Atmosphäre soll vermieden werden.

Und was machen die anderen? Die großen Städte in Deutschland setzen fast alle auf ihre Messehallen: Frankfurt, München, Hamburg, auch Köln plant das so, in Berlin setzt man gleich auf sechs Zentren, darunter die beiden stillgelegten Flughäfen Tempelhof und Tegel. In Aachen dient die Eissporthalle, im schleswig-holsteinischen Wahlstedt eine Tennishalle als Impfzentrum. In NRW ziehen die Impfteams in Münster in die Halle Münsterland, in Bielefeld in eine Ausstellungshalle, und in Wuppertal auf das Gelände der Universität: Dort wird auf einem Parkplatz ein winterfestes Zelt errichtet.

Wann werden die Hallen wieder dem Publikum gehören?

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Dabei, wie lange alle diese Einrichtungen tatsächlich bleiben, ist derzeit offen. Irgendwann sollen die Impfungen in die Praxen der Hausärzte verlagert werden, bis dahin aber sollen Tausende am Tag geimpft worden sein. Was voraussetzt, dass der Impfstoff zugelassen, produziert und geliefert wird. Bis April/Mai, glaubt Gelsenkirchen. Ende Sommer, Anfang Herbst, rechnet Oberhausen. Wesel hat die Option auf seine Halle für ein Jahr. Oder sogar länger.