Berlin. Die Bundesregierung kalkuliert bis Ende März mit sieben Millionen Impfdosen von Biontech und Moderna. Die Briten sind deutlich weiter.

Sie ist die große Hoffnung: die Impfaktion. Mit ihr verbindet sich die Sehnsucht nach einer Zeit ohne Corona. „Das ist keine Übernachtsache“, warnt Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU). Eine grandiose Untertreibung.

„Wir müssen durch den Winter kommen, ohne darauf setzen zu können, dass wir schon in einem großen Maße solche Impfstoffe zur Verfügung haben“, sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am Mittwoch nach einem Treffen mit den Ministerpräsidenten . Die Bundesregierung kalkuliert für das erste Quartal 2021 mit sieben Millionen Impfdosen der Firmen Biontech/Pfizer und Moderna. Weil jeder zweimal geimpft werden muss, können 3,5 Millionen Bürger gegen Covid-19 immunisiert werden. „Das ist das, was ich heute sagen kann.“

Corona-Impfstoff: Hat Bundesregierung aufs falsche Pferd gesetzt?

Was Merkel noch nicht sagen kann: Die Regierung orderte zusätzlich Dosen der Firma Astrazeneca, die „ein bisschen eine Verzögerung erlebt“ (Merkel). Wird der Stoff rechtzeitig zugelassen, könnten im ersten Quartal aus sieben noch elf Millionen Dosen werden.

Großbritannien hat den Impfstoff längst genehmigt, sich 40 Millionen Dosen gesichert. Die Briten ordern ausgerechnet BNT162b2 von Biontech in Mainz . Dass sie die Merkel-Regierung im eigenen Land vorführen, sorgt für Irritationen. Riskieren die Briten mehr oder waren sie nur schneller? Biontech-Gründer Ugur Sahin lobte im ZDF, die britischen Behörden träfen Entscheidungen so, „dass schneller agiert werden kann“.

Lagerhalle als Impfzentrum: Um Aufbau, Organisation und Abläufe möglicher Impfungen zu testen, hat Rheinland-Pfalz Proberäume eingerichtet.
Lagerhalle als Impfzentrum: Um Aufbau, Organisation und Abläufe möglicher Impfungen zu testen, hat Rheinland-Pfalz Proberäume eingerichtet. © dpa | Andreas Arnold

Die Deutschen warten das Zulassungsverfahren der Europäischen Arzneimittel-Agentur ab. Es heißt, dass die Zulassung von Biontech am 29. Dezember erfolgen könnte, so Merkel. Der Rückstand gegenüber den Briten um fast einen Monat wäre aufholbar, wenn man sich nur genügend Stoff gesichert hätte.

Um die Kalkulation einordnen zu können, kehrt man zum Start des Rennens zurück: Astrazeneca setzte auf Vektorimpfstoffe. Die bestehen aus für den Menschen harmlosen Erregern, die ein oder mehrere Antigene des Krankheitserregers tragen und im Körper eine Immunantwort auslösen. Das ist die erprobte und sicherste Variante.

EU hat sich 1,3 Milliarden Dosen Impfstoff gesichert

Dagegen war das Vorgehen von Biontech und Moderna radikal neu: Zellen im Muskelgewebe werden genetisch so manipuliert, dass sie Proteine produzieren, die eine Immunantwort auslösen. Diese Methode ist schneller, die Aussichten sind aber ungewisser.

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Nun machte aber der Außenseiter aus Mainz das Rennen, während die Bundesregierung vornehmlich auf Astrazeneca setzte. Es sei nicht klar, ob dieser Impfstoff im ersten Quartal 2021 bereitgestellt werden könne, sagte Merkel. „Wenn ja, haben wir uns ziemlich viele Dosen gesichert.“ Im zweiten Quartal werde sich die Sache „schon sehr viel besser darstellen“.

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Laufe alles nach Plan, werde man im dritten Quartal „sehr viel Impfstoff zur Verfügung haben“. Zumal sich die EU-Kommission 1,3 Milliarden Dosen Impfstoff gesichert hat, von denen 20 Prozent Deutschland zustehen. Die EU versuchte, das Risiko zu streuen, und schloss viele Verträge ab:

  • Mit Astrazeneca über 300 Millionen Dosen plus Option auf 100 Millionen.
  • Mit Sanofi-GSK (Zulassung bis Juni 2021 erwartet): 300 Millionen Dosen.
  • Mit Johnson & Johnson (im Frühjahr Zulassung?): 200 Millionen plus Option auf weitere 200 Millionen.
  • Mit Biontech-Pfizer: 200 Million Impfdosen plus weitere 100 Millionen.
  • Mit Curevac (Zulassung für Frühjahr erhofft): 225 Millionen Impfdosen plus 180 Millionen als Option.
  • Mit Moderna: 80 Millionen Impfdosen plus Option auf 80 Millionen.

Hat Donald Trump „alles richtig gemacht“?

Der abgewählte US-Präsident Donald Trump habe „alles richtig“ gemacht, sagt ein Epidemiologe hinter vorgehaltener Hand. Angeblich könnten die USA sechsmal so schnell impfen wie Deutschland. Die USA haben sich bei Pfizer, Moderna und Sanofi jeweils die Hälfte des Impfstoffs vertraglich gesichert, dazu kleinere Anteile bei Astrazeneca und Johnson & Johnson.

Insgesamt haben sie laut dem Informationsdienst Airfinity Zugang zu drei Milliarden Impfdosen. Trump ermunterte die Firmen, auf Staatskosten Fabriken zu bauen, bevor ein Impfstoff gefunden war. Nun zahlt sich das Wagniskapital aus: Die Massenherstellung kann sofort starten. Bei Biontech ist eine neue Produktionsstätte in Hessen gerade erst im Aufbau.