Essen. Seit einem Jahr gilt das verschärfte Rauchverbot in NRW. Begleitet wurde das neue Gesetz von heftigen Diskussionen. Raucher fühlten sich ausgeschlossen, Wirte fürchteten um ihre Existenz, die Städte erwarteten eine Vielzahl an Beschwerden. Zumindest ein Teil der Sorgen war jedoch unbegründet.

Die Diskussionen um das verschärfte Rauchverbot in NRW sind zwar größtenteils aus der Öffentlichkeit verschwunden. Das Thema sorgt aber nicht nur bei Rauchern nach wie vor für Unmut. Viele Wirte kämpfen seit der Einführung vor einem Jahr mit hohen Umsatzeinbußen - manche mussten ihre Kneipe bereits schließen. Ordnungsämter und Gesundheitsexperten hingegen ziehen eine positive Bilanz.

Kaum Gäste, die das Rauchverbot gutheißen

"Ich glaube nicht, dass sich das einpendelt", sagt Manuela Nordvall. "Es werden noch mehr Kneipen schließen. Wenn nicht aus finanziellen Gründen, dann wegen dem Theater mit der Lärmbelästigung." Mit ihrem Mann Benny betreibt sie die Rock'nRoll Bar "Freak Show" in Essen-Steele. Die beiden stehen zwar nicht vor dem Aus, merken aber die Umsatzeinbußen nach wie vor deutlich. "Wir vermissen den Qualm nicht, da wir beide Nichtraucher sind; Aber für unsere Gäste ist es ein Grund, seltener oder gar nicht mehr zu kommen." Viele seien halt Raucher. Freunde des Ehepaars, eigentlich Stammgäste, kommen seit dem Rauchverbot gar nicht mehr. "Das hat uns besonders getroffen und ist leider kein Einzelfall."

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Bereits am Eingang zur "Freak Show" hat das Ehepaar einen Zettel angebracht, der sich an Gäste richtet: "Bitte seid leise, wenn ihr draußen raucht", heißt es da oder "Kommt ganz schnell wieder zu uns runter." Die Wirte suchen immer wieder das Gespräch mit ihren Gästen. Es gebe kaum welche, die das Verbot gut fänden. Viele stehen länger draußen um zu rauchen, als sie in der Bar verbringen. "Die Leute bestellen dann auch weniger." Selbst Bekannte, die vor dem Verbot als Vorwand immer anführten, sie könnten nicht kommen, weil es so verqualmt sei, sind bis heute nicht in der Bar gewesen. "Dass durch das Verbot mehr Nichtraucher kommen, ist eine Illusion."

Auch wenn die "Freak Show" sich in einem Mischgebiet aus Gewerbe und Wohngebiet befindet, gibt es häufiger Beschwerden von Anwohnern über draußen rauchende Gäste. "Unsere Stoßzeiten sind nun mal nachts", sagt Manuela Nordvall. "Aber ich kann gut verstehen, dass die Leute da ihre Ruhe haben wollen." Der Kontakt mit der Polizei und dem Ordnungsamt ist gut. "Die verstehen unser Dilemma. Aber die Polizisten sind ja verpflichtet rauszufahren, wenn jemand etwas meldet."

Gesetz ist unsozial für Wirte

Benny Nordvall ist gebürtiger Schwede und findet die Situation in seiner Heimat besser geregelt: "Bei uns ist es so, dass es in den Kneipen Raucherboxen oder Raucherräume gibt", erklärt er. "Das ist ein guter Kompromiss." Die Regelung in Deutschland empfinden beide als unsozial den Wirten gegenüber. "Die Gäste bestrafen uns für ein Gesetz, für das wir ja gar nichts können", betont Manuela Nordvall. Nichtraucherschutz finden beide wichtig. Aber schließlich kämen keine Kinder oder Jugendliche in die Rock'n'Roll-Bar. "Und die Erwachsenen können doch selber entscheiden, ob sie sich Qualm aussetzen möchten oder nicht."

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Auch befreundete Kneipen- und Barbesitzer klagen über Umsatzeinbußen. "Wir haben im letzten Jahr versucht, mit den Wirten vom Südrock und dem Nord zu klagen, aber ohne Erfolg - trotzdem machen wir weiter." Sorge macht den beiden der nahende Sommer. "Als Kellerbar ist es natürlich noch schwieriger, die Leute zu motivieren, wenn es draußen warm ist und sie bei uns nicht rauchen dürfen."

Umsatzeinbußen in den Betrieben 

"Grundsätzlich ist es so, dass wir in den Betrieben durchweg Umsatzeinbußen feststellen können", sagt Thorsten Hellwig, Pressesprecher des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes (Dehoga). Dabei müsse zwischen getränke- und speisenorientierten Gastronomiebetrieben unterschieden werden. "Kneipen, Bars und Discotheken haben deutlich höhere Einbußen als Restaurants." Vor allem die kleineren Eckkneipen, die im Ruhrgebiet noch recht gut vertreten sind, hätten stark zu kämpfen. Auch wenn hier noch andere Faktoren als das Rauchverbot mit einspielen würden.

"Der Gast möchte trinken, quatschen und rauchen und sucht sich dementsprechend seinen Weg an Orte, an denen er all das kann. So kommt es, dass immer mehr viel Zeit draußen verbringen", erklärt Thorsten Hellwig. Dies schlage sich direkt in der Bilanz der Wirte nieder, da die Gäste draußen meist weniger konsumierten als drinnen.

Situation ist immer noch angespannt

"Bislang kann ich noch keine wirkliche Befriedung der Situation ausmachen", sagt Hellwig. Die Quote derer, die das Rauchverbot strikt ablehnten, sei nach wie vor sehr hoch. Vor allem Gastronome, die hohe Bilanzeinbußen verzeichnen, zeigen wenig Akzeptanz. "Konkrete Zahlen zu Betriebsschließungen haben wir aber nicht, da uns als Verband das nicht einzeln gemeldet wird."

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Problematisch finde der Dehoga vor allem die Tatsache, dass es keinerlei Ausnahmeregelungen gäbe. "Aus anderen Bundesländern wissen wir, dass es dort Ausnahmen gibt für Raucherräume und Raucherkneipen." Ein Drittel der Bevölkerung zähle praktisch nicht mehr, sobald es um den Nichtraucherschutz geht. E-Zigaretten spielten in den Gaststätten kaum eine Rolle. "Obwohl es in diesem Bereich eine erste Ausnahmeregelung gibt", sagt Hellwig. Das Verwaltungsgericht Köln gab der Klage eines Wirtes statt, der seinen Gästen den Konsum von E-Zigaretten erlauben möchte.

Gastronomen, Hoteliers und Wirte stellen sich auf die Erwartungshaltung der Kunden und Gäste ein: So gibt es in Hotels kaum noch Raucherzimmer - früher sei die Verteilung 80 Prozent Raucher- und 20 Prozent Nichtraucherzimmer gewesen. Dies sei heute genau umgekehrt. "Auch in Restaurants gehen die Gäste davon aus, dass es dort rauchfrei ist." Aber überall, wo Getränke ausgeschenkt werden und Menschen gemütlich zusammenkommen, erwarteten sie, dass sie auch rauchen dürfen.

Gesetz rüttelt an Grundfesten der Gastronomie 

"Das Gesetz darf die Gastronomie nicht als missionarische Einheit missverstehen, die den Menschen zeigt, was gesund für sie ist und was nicht", betont Thorsten Hellwig. Mehr Reglementierungen führten nur dazu, dass immer mehr Gäste ausbleiben. "Darüber hinaus rüttelt dieses Gesetz an den Grundfesten der Gastronomie. Denn schließlich ist es unsere Aufgabe, gute Gastgeber zu sein und nicht den Leuten Vorschriften zu machen."

Initiativen fordern Abkehr vom strikten Rauchverbot

Auch wenn die Erfahrungen der Städte durchweg positiv sind, wollen sich manche nicht mit dem Gesetz abfinden. Die Initiative "NRWgenießt" ist beispielsweise dabei, ein Volksbegehren gegen das Rauchverbot in die Wege zu leiten. Sie fordert, dass das Gesetz wieder auf den vorherigen Stand geändert wird. Das bedeutet, dass Raucheräume und -kneipen wieder zugelassen werden sollen, damit Menschen die freie Wahl haben. Die Initiative organisiert außerdem regelmäßig Protestaktionen. Unterstützt wird das Begehren unter anderem von "Frida - Freie Initiative Dampfaktiv."

Demgegenüber stehen Umfragen wie die des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ) in Heidelberg. Demnach waren im Oktober 2013 bundesweit 82 Prozent der Bürger für ein striktes Rauchverbot.

Ein weiteres Problem für Wirte seien Anwohner, die sich über den Lärm rauchender Gäste vor der Kneipe beschweren. Nicht jeder Gastwirt verfüge über eine Außengastronomie: "Die meisten Wirte haben sich allerdings gut mit dem Ordnungsamt arrangiert, sodass sie vieles selbst mit den Gästen regeln können. Schwierig wird es nur, wenn diese uneinsichtig oder stark alkoholisiert sind."

Tendenziell sei es so, dass manche Gäste seit dem Inkrafttreten des Gesetzes den Kneipen und Lokalen ganz fern bleiben. Andere blieben deutlich kürzer. "Es gibt deutlich weniger, die vom Gesetz profitieren, als die, die darunter leiden", resümiert Thorsten Hellwig. "Auch die angekündigte Flut an Nichtrauchern, die vermehrt ausgehen, ist ausgeblieben."