Ruhrgebiet. . Quer durchs Ruhrgebiet schließen die klassischen Eckkneipen. Sie haben kaum noch jüngeres Publikum, das Unterhaltungsangebot ist zu schmal. In dieser anfälligen Lage wirke jetzt auch noch das nordrhein-westfälische Rauchverbot „wie ein Brandbeschleuniger“, so ein Sprecher des Gaststättenverbandes.
Es ist eine dieser Eckkneipen, die es eigentlich gar nicht mehr gibt: Klein, dunkel, mit dominanter Theke und einer Wirtin, die jeden duzt; die Fensterscheiben sind stark getönt, die Luft ist stark verraucht und . . . Moment: verraucht? „Das ist eine geschlossene Gesellschaft, zufällig hat der Herr hinten Geburtstag“, sagt die Wirtin angesichts eines unbekannten Gastes geistesgegenwärtig, ruft dem Geburtstagskind zu: „Ne, Gerd, du hattest doch gerade Geburtstag?!“ Gerd: „Am 30.!“
Hoch soll er leben! Ein Bier, ein Schnaps, es ist schließlich schon zehn nach neun am Morgen bei der Raucher-Guerilla. Diese Kneipe lebt, aber die Kneipe als Gattung stirbt gerade, die typische Eckkneipe praktisch ohne Essensangebote.
(Vorübergehend) geschlossen hat in diesen Wochen das Krombacher-Stübchen in Bochum. Die Klamotte in Hagen. Union-Eck in Herten. Zum alten Jäger, Hattingen. Schlosspark-Stuben, Moers. Röhricht, Recklinghausen. Altes Gasthaus, Oer-Erkenschwick. Ohne Anspruch auf Vollständigkeit. Es gibt noch keine Zahlen, aber aus vielen Ruhrgebietsstädten wird gemeldet, dass kleine Wirte aufgeben.
Zahl sinkt seit Jahren stark
„Alle wollen Geld abziehen, die Gema für Musikgebühren und die Brauereien für das Bier, das nicht preiswerter wird“, sagt Pächter Joachim Bree. Anfang Januar schloss er die Pils-Börse in Witten. „Neunzig Prozent meiner Gäste waren Raucher.“ Ist also das Rauchverbot, das seit acht Monaten gilt in NRW, schuld am Kneipentod?
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Fest steht: Schon zwischen 2001 und 2010 sank die Zahl der reinen Kneipen in NRW deutlich, von 14.200 auf 9700; seitdem wurden es nicht mehr. Sie sind ziemlich aus der Zeit gefallen mit dem schmalen Unterhaltungs- und Verpflegungsangebot, haben oft nur noch ein Rentnerpublikum, kaum jüngere Gäste – das wird auch nicht mehr besser, wenn man doch in ein paar Jahren seine Biere wahrscheinlich zuhause ausdrucken kann.
„Draußen wird mehr gestanden als drinnen getrunken“
In dieser anfälligen Lage kommt das Rauchverbot obendrauf. „Es wirkt sich aus wie ein Brandbeschleuniger“, sagt Thorsten Hellwig, der Sprecher des „Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes Nordrhein.“ Nach einer Umfrage fürchteten 17 Prozent aller Kneipiers in NRW, sie müssten im laufenden Jahr schließen.
Der Dehoga-Hauptgeschäftsführer Klaus Hübenthal bringt das auf den hübschen Satz, es werde „mehr draußen gestanden als drinnen getrunken“. Die Raucher halt, die dazu vor die Tür treten müssen. „Im Sommer ging das ja noch“, sagt ein Wirt: „Aber jetzt im Winter kommen einfach zu wenig Besucher.“ Ende Dezember drehte er seinen Zapfhahn für immer ab, und das, obwohl im bisherigen Winter nur wenige wirklich kalte Abende hereinschneien.
Freilich gibt es gegnerische Beispiele. Bei Speisegaststätten sieht das Bild sowieso anders auch, aber auch in mancher Kneipe. So haben die Wirte des „Alt-Langenberg“ jetzt sogar die Biergärten nach Rauchern und Nichtrauchern getrennt und die Speisekarte erweitert: Sie verloren Stammkunden, gewannen aber eine neue Klientel.
Ähnliches geschah im früheren „Haus Berger“ in Scherlebeck: Das heißt jetzt modisch „ScherleBeck’s im Haus Berger“ , hat den Essensbereich erweitert und hinter der Gaststätte einen überdachten Raucherplatz. „Reine Kneipen funktionieren heute nicht mehr“, sagt Pächter Stefan Promnik.
Nicht viele Verstöße
Jedenfalls scheint es nicht viele Verstöße gegen das Rauchverbot zu geben, zumindest melden Ordnungsämter wenige einschlägige Beschwerden. Da wollte es Oberhausens Ordnungsdezernent Frank Motschull selbst wissen und zog mit zwei Mitarbeitern einen Freitagabend dienstlich um die Häuser. Elf Kneipen schafften sie in zweieinhalb Stunden. „Ich war selbst überrascht“, sagt Motschull: „Bis auf einen einzigen Fall wurde das Nichtrauchergesetz in allen Lokalen strikt befolgt.“ Demnächst will er nochmal gucken gehen, dienstlich.
Doch zurück nochmal in die kleine, heimliche Prohibitionskneipe, wo sie gerade den Geburtstag feiern von Gerd – und ob das wirklich vorschriftsmäßig angemeldet war, sei einfach mal dahingestellt. „Insgesamt ist die Kundschaft schon weniger geworden“, sagt die Wirtin. Dann lächelt sie: „Aber wenn die Tür abgeschlossen ist, läuft es gut.“ Geschlossene Gesellschaft mit offenem Feuer.