Essen. Schüler und Studenten demonstrieren bundesweit gegen die verkürzte Oberstufe, Studiengebühren und Verschulung des Studiums. Über die Unzufriedenheit der jungen Menschen mit den Bildungsbedingungen sprach Christopher Onkelbach mit NRW-Wissenschaftsminister Andreas Pinkwart (FDP).

Minister Pinkwart, würden Sie für eine bessere Bildung auf die Straße gehen?

Pinkwart: Auf jeden Fall würde ich mich auch als Bürger öffentlich für Bildungsinvestitionen stark machen. Das macht die Landesregierung auch: Unsere Hochschulen haben dieses Jahr eine halbe Milliarde Euro mehr zur Verfügung als vor vier Jahren. Es gibt nur eins, was teurer ist als Bildung: keine Bildung.

Verstehen Sie den Bildungsstreik?

Das kommt auf die Botschaft an. Aber dass man für eine bessere Bildung demons-triert, finde ich in Ordnung. Ich beobachte, dass junge Leute mit den Füßen abstimmen. Hochqualifizierte verlassen unser Land, das vollzieht sich schleichend, ohne Großdemonstrationen. Während andere Gruppen ihre Interessen kraftvoll zu vertreten wissen.

Denken Sie an Arcandor, Opel oder andere Betriebe?

Ich denke an die Hilfen für die Steinkohle. Diese Mittel hätte man viel früher in die Bildung investieren sollen.

Viele Studenten fühlen sich seit Einführung der Bachelor-Studiengänge wie im Hamsterrad. Muss man die Bologna-Reform überdenken?

Ich ziehe eine positive Bilanz der Reform. In NRW haben sich in den letzten Jahren die Studienbedingungen verbessert. Das heißt nicht, dass wir nicht noch besser werden können. Man muss jetzt genau hinsehen, ob Programme überfrachtet wurden, etwa ob ein kompletter Diplomstudiengang in einen sechsemestrigen Bachelor-Studiengang gepresst wurde.

Was muss passieren?

Die Hochschulen sind in der Pflicht, das System studierbar zu machen. Ausdrückliches Ziel war ja, die Studiendichte zu erhöhen und zugleich das Studium planbarer zu machen. Zuvor waren die Studienzeiten im internationalen Vergleich inakzeptabel hoch.

Turbo-Abi, Bologna, Studiengebühren – die Jugend lehnt offenbar die offizielle Bildungspolitik ab ...

Dabei verbessert sich vieles: Studienanfänger - und Absolventenzahlen sind auf Rekordhoch. Beim Thema Studienbeiträge wird längst nicht mehr über das Ob diskutiert, sondern darüber, wie die Mittel eingesetzt werden, um die Studienbedingungen zu verbessern. Wir in NRW haben Ernst damit gemacht, dass das Geld nicht an den Finanzminister geht, sondern direkt den Hochschulen zufließt. Einige müssen sich sogar anstrengen, das Geld in angemessener Zeit auszugeben. Wer keine Möglichkeit sieht, das Geld sinnvoll auszugeben, sollte die Höhe der Beiträge überdenken. Diese Freiheit haben die Hochschulen.

Ministerpräsident Rüttgers sagte einmal: Wer die Bildung ökonomischen Zwängen unterwirft, erzeugt Unbildung. Wie sehen Sie das?

Wer sein Studium hinreichend ernst nimmt, kann seine wissenschaftlichen Freiheiten nutzen. Diese Möglichkeiten sind mit der Bologna-Reform größer geworden als in der Massenuni früherer Prägung.

Was raten Sie den Menschen, die jetzt für ihre Zukunft auf die Straße gehen?

Sie sollten auch an sich selbst hohe Anforderungen stellen. In Zeiten der globalen Wissensgesellschaft ist die Konkurrenz groß.