Essen. Warnstreik im Tarifkonflikt der Länder: An Unikliniken, Schulen und Unis sind Beeinträchtigungen zu erwarten. Es stehen unruhige Wochen bevor.

Im Tarifstreit um die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes der Länder erhöhen die Gewerkschaften den Druck: Auf Warnstreikaufrufe für Beschäftigte der Universitätskliniken folgen nun weitere Streik-Aktionen.

„Die Arbeitgeber der Länder reagieren weder auf die Belastungssituation noch auf die unzureichende Bezahlung der Beschäftigten“, erklärte Verdi-Landesleiterin Gabriele Schmidt vorab. Ayla Çelik, die Vorsitzende der GEW NRW, betonte, dass sie damit rechne, dass viele Beschäftigte in Schule und Hochschule den Warnstreikaufrufen folgen werden. Das werde sicherlich zu Beeinträchtigungen führen. „Die Kolleg*innen sind enttäuscht und verärgert darüber, dass die Arbeitgeber ihnen die Anerkennung für die geleistete Arbeit verweigern“, so Çelik.

Wieso denn schon wieder Tarifverhandlungen?

Erst im April ist ein erbitterter Tarifstreit im öffentlichen Dienst beigelegt worden. Dabei ging es um Tarifbeschäftigte der Städte und des Bundes, also Angestellte in Rathäusern und Kitas, bei Sparkassen oder der Müllabfuhr. Diesmal geht es um die Beschäftigten der Länder.

Wer zählt zum öffentlichen Dienst der Länder?

Tarifbeschäftigte der Länder arbeiten zum Beispiel an Schulen und Hochschulen, in Unikliniken und Finanzämtern oder bei der Polizei. Da Tarifabschlüsse in der Vergangenheit auch auf Beamtinnen und Beamten übertragen worden sind, ist der Betroffenenkreis der Verhandlungen aber größer: Bundesweit geht es um rund 2,5 Millionen Menschen.

In NRW betreffen die Tarifverhandlungen rund 206.000 Angestellte und 338.000 Beamtinnen und Beamte. Den größten Anteil dürften die 213.000 Lehrkräfte an Schulen und Hochschulen ausmachen, von denen laut Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) NRW etwa 45.500 Menschen und damit mehr als jede fünfte Lehrkraft im Land angestellt ist. Bei der Polizei ist die Zahl der Angestellten zuletzt deutlich gestiegen und wird mit rund 10.000 der etwa 56.000 Sicherheitskräfte angegeben.

Worum geht es bei den Tarifverhandlungen?

Ums Geld. Die Gewerkschaften fordern 10,5 Prozent mehr Einkommen, mindestens aber 500 Euro mehr. Nachwuchskräfte sollen 200 Euro mehr erhalten. Die Laufzeit soll zwölf Monate betragen. Verdi verweist auf die hohe Inflation und spricht von einem riesigen Nachholbedarf.

„Wir nehmen nicht hin, dass die Länderbeschäftigten bei der Bezahlung im öffentlichen Dienst weiterhin dramatisch hinterherhinken“, sagte Verdi-Landesleiterin Schmidt dieser Redaktion. „Die Arbeitgeber sehen nicht, dass Belastungsgrenzen mehr als erreicht sind. Reallohnverluste im zweistelligen Prozentbereich sind seit dem letzten Tarifabschluss vor zwei Jahren traurige Realität für unsere Kolleginnen und Kollegen. So kann es nicht weitergehen!“

Verdi-Landeschefin Gabriele Schmidt sieht großen Nachholbedarf bei den Gehältern der Tarifbeschäftigten der Länder.
Verdi-Landeschefin Gabriele Schmidt sieht großen Nachholbedarf bei den Gehältern der Tarifbeschäftigten der Länder. © Fabian Strauch / FUNKE Foto Services | Fabian Strauch

Michael Mertens, Chef der Gewerkschaft der Polizei in NRW, hatte bereits im Vorfeld der zweiten Verhandlungsrunde die Notwendigkeit betont, am Arbeitsmarkt konkurrenzfähig zu sein: „Es geht im öffentlichen Dienst gerade nicht um die Frage, neue Leute zu gewinnen - sondern darum, unsere guten Köpfe überhaupt zu halten.“

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Ayla Çelik, NRW-Vorsitzende der Bildungsgewerkschaft GEW, verwies auf die vielen Seiteneinsteiger, Alltagshelfer und Schulsozialarbeiter in Zeiten des Lehrermangels. „Diese wertvolle Arbeit wird aber nicht ansatzweise angemessen honoriert“, so Çelik. „Wir erwarten, dass sich in dieser Tarifrunde für die Beschäftigten etwas bewegt.“

Was bieten die Länder in den Tarifverhandlungen an?

Bislang nichts, aber das ist nicht ungewöhnlich. Am 26. Oktober hatte die erste von drei Verhandlungsrunden stattgefunden, die traditionell ohne Ergebnis auseinandergeht. Nach der zweiten Runde, die am 2. und 3. November in Potsdam stattgefunden hat, waren die Parteien ebenfalls ohne Ergebnis auseinander gegangen.

Erwartbar haben die Länder die Forderungen der Gewerkschaften als zu hoch zurückgewiesen. Sie umzusetzen würde mindestens 19 Milliarden Euro kosten. Das rechnete die Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) vor, die mit Ausnahme von Hessen diese Tarifverhandlungen für die Länder führt.

Die Länder befänden sich „in einer sehr schwierigen haushalterischen Situation“, sagte Hamburgs Finanzsenator Andreas Dressel (SPD) als Verhandlungsführer der Arbeitgeber-Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL). Er verwies auf die Ministerpräsidentenkonferenz am Montag, bei der wichtige Weichenstellungen für die Länderfinanzen erwartet würden. Das werde den Rahmen für die weiteren Tarifverhandlungen bestimmen.

Welche weiteren Aktionen planen die Gewerkschaften?

Für den 5. Dezember und damit kurz vor der entscheidenden dritten Verhandlungsrunde am 7. und 8. Dezember haben die Gewerkschaften eine Großdemonstration in Düsseldorf auf der Kö angemeldet. Es ist mit unruhigen Wochen zu rechnen. Neben den jetzt bekanntgewordenen Warnstreikterminen plant die Bildungsgewerkschaft GEW NRW auch Aktionen mit wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, für die derzeit kein Tarifvertrag besteht.

Die Streikbereitschaft unter den Beschäftigten des Landes schätzen Verantwortliche als hoch ein – selbst bei Tarifbeschäftigten der NRW-Polizei. Ein Grund: die Kritik am Tarifabschluss von 2021. „Der letzte Tarifabschluss war unter dem Druck der Corona-Pandemie entstanden und lag für viele nur knapp an der Grenze des Machbaren“, sagte GdP-Chef Mertens. Damals hatten die Beschäftigten 2,8 Prozent mehr Lohn und einen Coronabonus in Höhe von 1300 Euro erhalten - zu wenig aus Sicht der Beschäftigten.

Michael Mertens ist Landeschef der Gewerkschaft der Polizei (GdP) in NRW. Er schätzt die Bereitschaft zum Streik unter den Tarifbeschäftigten als hoch ein.
Michael Mertens ist Landeschef der Gewerkschaft der Polizei (GdP) in NRW. Er schätzt die Bereitschaft zum Streik unter den Tarifbeschäftigten als hoch ein. © FUNKE Foto Services | Lars Heidrich

Erstmals bereitet die GdP mit dem Innenministerium nun sogar eine Notdienstvereinbarung für die Tarifbeschäftigten in Verwaltung, IT oder Laboren vor. „Abläufe bei der Auswertung von Spuren oder DNA-Analysen, Hilfen bei IT-Ausfällen werden sich im Streikfall deutlich verzögern“, so Mertens. Beamte arbeiten weiter – die 110 ist also auch im Streikfall zu erreichen.

Wie geht es weiter in dieser Tarifrunde für den öffentlichen Dienst der Länder?

Eine Einigung vor Weihnachten halten beide Seiten nach bisherigem Stand für möglich. Offenbar ist der Druck diesmal besonders groß: Die Tarifeinigung für den öffentlichen Dienst der Städte und des Bundes war im April erst nach hartem Ringen und einer Schlichtung möglich gemacht worden. Der Abschluss gilt mit Gesamtkosten in Höhe von 17 Milliarden Euro als der teuerste aller Zeiten und setzt vor allem finanzschwache Städte unter enormen Druck.

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Anders als bei den Städten und dem Bund gibt es zwischen Gewerkschaften und Länder-Arbeitgebern allerdings keine Schlichtungsvereinbarung. Würden die Tarifverhandlungen scheitern, blieben den Gewerkschaften nur Erzwingungsstreiks. mit dpa