Duisburg. Jüdin Nicole Pastuhoff bangt seit dem Krieg um ihre Familie in Israel – während sie in ihrer Heimat Duisburg antisemitisch angefeindet wird.

Nicole Pastuhoff fühlt sich seit dem Angriff auf Israel wie „paralysiert“. Die 23-jährige Jüdin hat Familie in Israel, um die sie nun täglich bangt. Lesen Sie das Protokoll einer jungen Frau, die mit aller Kraft versucht, aus einem Gefühl der Machtlosigkeit zu kommen:

„Als ich am Samstag aufgewacht bin, habe ich erstmal zum Handy gegriffen, um gemütlich durch meinen Instagram-Kanal zu scrollen. Stattdessen ploppten direkt Nachrichten über den Angriff auf Israel auf. Seitdem bin ich wie paralysiert. Ich habe Familie in Israel, meine Tanten und Cousinen leben dort. Über meine Mutter wusste ich zwar, dass sie leben und in Sicherheit sind. Aber ich habe mich trotzdem anfangs nicht getraut, bei ihnen anzurufen, um zu fragen wie es ihnen geht. Ich hatte zu große Angst vor ihrer Antwort.

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Auch die Videos, in denen man gefangen genommene Israelis sieht, kann ich mir nicht anschauen. Denn ich habe so Angst, dass ich darauf jemanden erkennen könnte. Gleichzeitig sauge ich natürlich jede Nachricht auf und möchte unbedingt wissen, was gerade in Israel passiert.

„Meine Cousine geht nur noch mit Schutzweste und Helm vor die Tür“

Für mich das ist Land meine zweite Heimat, in den Ferien bin ich oft dort, besuche meine Verwandtschaft. Sobald ich am Flughafen ankomme, spüre ich, dass ich zu Hause bin. Umso schlimmer ist es zu sehen, wie der Ort, an dem ich noch im Sommer am Strand lag, plötzlich in einem Ausnahmezustand ist. Sie haben mein Zuhause angegriffen.

Schon immer hat es dort Bombendrohungen gegeben. Die Menschen vor Ort leben damit. Auch meine Familie dachte am Anfang, dass es ein Alarm wie jeder andere ist. Doch dann wurde ihnen das extreme Ausmaß bewusst.

Nicole Pastuhoff auf einer Kundgebung für Israel. Die Duisburger Studentin ist auch Vorsitzende des jüdischen Studierendenverbands in NRW.
Nicole Pastuhoff auf einer Kundgebung für Israel. Die Duisburger Studentin ist auch Vorsitzende des jüdischen Studierendenverbands in NRW. © Unbekannt | Max Gerlach

Meine Cousine, die in einem Krankenhaus im Kriegsgebiet arbeitet, geht nur noch mit Schutzweste und Helm zur Arbeit, weil es auf den Straßen nicht mehr sicher ist. Meine andere Cousine hat gerade ein Kind bekommen. Sie kämpft mit der Herausforderung, es jedes Mal rechtzeitig mit ihrem Baby in den Bunker zu schaffen. Trotzdem versichert mir meine Familie bei jedem Telefonat, dass es ihnen gut geht. Sie sagen immer: ,Wir sind müde, aber es geht uns gut. Es ist schrecklich, aber es geht uns gut.’ Ihre psychische Verfassung spielt gerade keine Rolle, sie sind froh, dass sie körperlich unversehrt sind und noch nicht zum Kämpfen in die Armee einberufen wurden.

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Duisburger Studentin: „Es ist gruselig, dass vor meiner Haustür Antisemitismus passiert“

Hier in Deutschland habe ich in Düsseldorf eine Kundgebung für Israel organisiert. Etwas zu tun, hat mir Kraft gegeben und ich war erleichtert zu sehen, wie viele Menschen am Schicksal mit der jüdischen Community Anteil nehmen. Doch als ich nach Hause gekommen bin, kam der nächste Schock: Im Internet habe ich gelesen, dass palästinensische Aktivisten in Duisburg zu Gegendemos aufrufen. Da habe ich mich plötzlich wieder so machtlos gefühlt. Ich studiere in Duisburg, aber gerade möchte ich die Stadt am liebsten gar nicht betreten. Es ist gruselig, dass vor meiner Haustür Antisemitismus passiert.

Ich habe schon oft Erfahrung mit antisemitischen Aussagen gemacht. Deshalb fällt es mir schwer, auf der Straße offen zu zeigen, wer ich bin. Momentan überlege ich dreimal, ob ich meine Kette mit dem Davidstern tragen möchte. Die habe ich früher oft getragen. Am letzten Wochenende wollte ich es nach langer Zeit mal wieder tun. Doch mir hat die Kraft gefehlt.“

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