Essen. Trotz jahrelanger Lippenbekenntnisse der Parteien sind Frauen im nächsten Landtag erneut unterrepräsentiert. Der Ruf nach Reformen wird laut.

Der Deutsche Frauenrat kritisiert nachdrücklich einen zu geringen Anteil von Frauen im nächsten NRW-Landtag und fordert verbindliche Regeln, um Frauen stärker als bislang in der Politik zu fördern. Elke Ferner vom Deutschen Frauenrat spricht von einem „großen Ärgernis“, dass gerade einmal ein Drittel der künftigen 195 NRW-Abgeordneten weiblich ist. Frauen machen mehr als die Hälfte der Wahlberechtigten in NRW aus.

Mehr als 100 Jahre nach Einführung des Frauenwahlrechts sind wir immer noch nicht da, dass Frauen die gleiche Chance auf Beteiligung an politischen Entscheidungen haben wie Männer“, sagt Ferner. „Wir brauchen endlich verbindliche Regelungen.“

Frauenrat fordert Quotenregelung und neue Vorgaben für Wahlkreis-Kandidierende

Konkret forderte sie eine Reform des Wahlrechts hin zu quotierten Landeslisten und größeren Wahlkreisen, in denen dann aber jeweils eine Frau und ein Mann gewählt werden könnten. „Es gibt ganze Gebiete ohne eine weibliche Abgeordnete“, kritisiert die frühere SPD-Bundestagsabgeordnete. Damit gingen wichtige Perspektiven und Lösungsansätze verloren.

„Frauen gehen anders an Politik heran, sie nehmen andere Themen in den Blick und schauen ganzheitlicher auf Probleme“, sagt Ferner, die Mitglied in der Kommission zur Reform des Bundeswahlrechts ist.

Eine Frau in der AfD-Fraktion, knapp 60 Prozent bei den Grünen

Laut dem vorläufigen Ergebnis der NRW-Landtagswahl werden 66 Frauen zum nächsten Landesparlament gehören. Nach Daten des Landtags ist die Frauenquote mit rund einem Drittel zwar die zweithöchste in der Geschichte des Parlaments – nur von 1995 bis 2000 unter Rot-Grün war sie höher. In den Fraktionen gibt es aber deutliche Unterschiede.

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Zur zwölfköpfigen AfD-Fraktion gehört nur eine Frau, die FDP kommt bei gleicher Größe auf zwei Frauen. Bei der CDU machen Frauen ein Fünftel aus. Die SPD kommt auf über 40 und die der Frauenförderung und Diversität verpflichteten Grünen auf knapp 60 Prozent.

Ministerin: Frauen gezielt auf Direktkandidatur vorbereiten

Dass gerade die CDU und damit wahrscheinlich die größte Fraktion der künftigen Landesregierung lediglich 16 weibliche Abgeordnete haben wird, sorgt für viel Kritik. Ina Scharrenbach, Vorsitzende der Frauen-Union in NRW und NRW-Gleichstellungsministerin, stellt klar, beim Bundesparteitag im September müsse es auch darum gehen, wie die CDU Frauen, Menschen mit Zuwanderungsgeschichte und andere Gruppen noch besser in der Partei abbilden könne.

„Wir brauchen eine strategische Frauenförderung, um frühzeitig vor Wahlen zu prüfen, in welchen Wahlkreisen Frauen gezielt auf eine Direktkandidatur vorbereitet werden können“, so Scharrenbach zu dieser Redaktion. „Denn die Landesliste, auf der auf den ersten 20 Plätzen abwechselnd Frauen und Männer stehen, hat bei der CDU nicht gezogen.“

Politik-Experte warnt vor Folgen fehlender Parlaments-Vielfalt

Stefan Marschall, Politikwissenschaftler an der Heinrich-Heine-Universität in Düsseldorf, sieht die Parteien in der Pflicht. Sie müssten schon auf kommunaler Ebene ansetzen, um Frauen stärker zu ermutigen und zu fördern. „Parlamente sollten möglichst die Vielfalt einer Gesellschaft abbilden“, sagt Marschall und warnt zugleich vor einem Akzeptanzproblem, wenn das nicht der Fall ist.

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„Wenn Wahlberechtigte unter den Abgeordneten Menschen mit ähnlicher Lebenswirklichkeit finden, sorgt das für mehr Akzeptanz des Parlaments und damit auch der Politik, die dort gemacht wird“, sagt Marschall. Fehlt der Wiedererkennungswert, könne das sogar dazu führen, dass Menschen beim nächsten Mal nicht wählen gehen.

Menschen mit Zuwanderungsgeschichte noch deutlicher unterrepräsentiert

Deutlich würde das auch in Stadtteilen mit vielen zugewanderten Menschen, wo die Wahlbeteiligung oftmals unterdurchschnittlich sei. Tatsächlich sind im nächsten Landtag lediglich 17 Abgeordnete vertreten, die selbst oder deren Eltern einen sogenannten Migrationshintergrund haben. Laut „Mediendienst Migration“ haben nur 8,7 Prozent der Abgeordneten Zuwanderungsgeschichte. Grundlage sind Angaben der Parteien und Kandidierenden. Zum Vergleich: In NRW haben 31,7 Prozent der Bevölkerung einen Migrationshintergrund.

Rein rechnerisch ist die Quote in der AfD-Fraktion mit zwei von zwölf noch am höchsten. In der FDP-Fraktion gibt es keine Abgeordnete mit Migrationshintergrund. Die Fraktion hat rein rechnerisch mit 51 Jahren auch den höchsten Altersdurchschnitt.

Yusus Ulusoy vom Zentrum für Türkeistudien und Integrationsforschung, sagt, gerade CDU und FDP müssten sich stärker öffnen. Menschen mit Zuwanderungsgeschichte seien eine wachsende Gruppe, mit der Wahlen künftig immer stärker gewonnen werden können. Zudem brächten sie wichtige Perspektiven in die politische Arbeit ein. Gerade kleinere Migrantengruppen seien aber schwieriger zu erreichen, weil ihnen Kanäle oder Strukturen fehlten, über die sie anzusprechen sind.

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