Düsseldorf. Von Schule bis van Laack-Affäre: Hier läuft das Corona-Krisenmanagement in NRW zurzeit überhaupt nicht rund.
Auch nach fünf Wochen „Lockdown light“ bleiben die Corona-Infektionszahlen in NRW bedrohlich hoch. Die Kritik am zögerlichen Krisenmanagement von Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) wird immer lauter. Das sind die sechs drängendsten Probleme:
Corona-Baustelle in NRW: Digitalunterricht
Bayern erhöht mit seiner Entscheidung, ab Stufe 8 Klassen konsequent zu teilen und in den Wechselunterricht zu schicken, den Druck auf NRW. Seit Monaten verlangen Lehrer-, Schulleiter-, und Elternverbände sowie Grüne und SPD von der NRW-Regierung, sie solle sich an den Empfehlungen des Robert-Koch-Institutes (RKI) orientieren und ab einer Wocheninzidenz von 50 in einer Kommune Schulklassen teilen. Die Regierung hält aber eisern am Präsenzunterricht sogar in Corona-Hotspots fest und will nur einzelnen Schulen die Möglichkeit geben, im Notfall Kinder nach Hause zu schicken.
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SPD-Landtagsfraktionschef Thomas Kutschaty warf der Landesregierung „vorsätzliche Verbohrtheit“ beim Schutz der Schulen vor. Die bayerische Staatsregierung habe sich offenbar von Solingen inspirieren lassen. Die bergische Stadt wollte an allen Schulen Klassen teilen, wurde aber vom Land zurückgepfiffen.
Maike Finnern, Landeschefin der Lehrergewerkschaft GEW, sagte dieser Redaktion: „Nicht nur in Bayern, sondern auch in NRW sind die Inzidenzwerte besorgniserregend hoch. Maskenpflicht und regelmäßiges Lüften reichen nicht aus. Die Zahl der Infektionen bei den Lehrkräften ist überdurchschnittlich. In den Schulen ist die Belastung extrem hoch.“ Die Schulen benötigten mehr Infektionsschutz und zusätzliches Personal.
Corona-Baustelle in NRW: Kurz-Quarantäne
Schulen und Kitas in NRW werden noch wochenlang auf die versprochenen Schnelltests für Lehrer und Erzieher warten müssen. Die Antigen-Schnelltests stünden frühestens nach den Weihnachtsferien zur Verfügung, musste das NRW-Gesundheitsministerium einräumen. Bei der zwischen Bund und Ländern vereinbarten neuen Kurz-Quarantäne mit dem „Frei-Testen“ einer ganzen Klasse nach fünf Tagen ist ebenfalls erst „eine Umsetzung zum Schulstart nach den Winterferien“ geplant.
Corona-Baustelle in NRW: Hotspot-Strategie
Noch immer haben sich das Land und die Städte mit einer Inzidenz von über 200 Neuinfektionen (pro 100.000 Einwohner/Woche) nicht auf eine „Hotspot-Strategie“ mit speziellen Maßnahmen verständigt. Dabei hatten Bund und Länder dies für Krisen-Kommunen vereinbart. Das NRW-Gesundheitsministerium erklärt bisher nur, es stehe in engem Kontakt mit den derzeit vier betroffenen Kommunen.
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„NRW hat keine Hotspot-Strategie“, kritisierte SPD-Oppositionsführer Kutschaty. Eigene Vorschläge des Landes gebe es bislang nicht. Auch beim Thema Böllerverbot drücke sich NRW um landesweite Vorgaben. „Der fehlende Mumm dieser Regierung geht zu Lasten der Kommunen“, so Kutschaty.
Corona-Baustelle in NRW: Van Laack-Affäre
Ministerpräsident Laschet steht seit Tagen wegen Klüngel-Verdachts bei einer millionenschweren Bestellung von Corona-Schutzausrüstung unter Druck. Es ist nicht das erste Mal in neun Monaten Pandemie, dass der Regierungschef vor allem mit Selbstverteidigung beschäftigt ist. Laschet hatte sich Ende März persönlich für das Mönchengladbacher Mode-Unternehmen van Laack verwendet, das später einen 45-Millionen-Auftrag erhielt – ohne Ausschreibung.
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Die Kontaktanbahnung hatte sein ältester Sohn Johannes übernommen, der als Model „Joe“ mit van Laack geschäftlich verbandelt ist. Andere Textilunternehmen aus NRW beklagen, dass sie sich über ein Portal des Gesundheitsministeriums um Aufträge des Landes bewerben mussten. Derweil wurde der van Laack-Chef persönlich vom Ministerpräsidenten angerufen und musste laut SPD-Oppositionsführer Kutschaty kein förmliches Verfahren durchlaufen, um mit der Produktion von Schutzausrüstung im große Stil betraut zu werden. Nun stehe der Verdacht eines Vergabeverstoßes des Landes im Raum.
Corona-Baustelle in NRW: ffp2-Masken
Die Ministerpräsidentenkonferenz hatte bereits am 25. November beschlossen, dass ältere und vorerkrankte Bürger weitgehend auf Kosten des Bundes im Dezember gegen eine geringe Eigenbeteiligung insgesamt 15 Masken des ffp2-Standards erhalten, um sich und andere besser schützen zu können. Am 7. Dezember zeichnet sich allenfalls ab, dass die Krankenkassen die Berechtigten per Brief informieren werden und die Apotheken mit der Ausgabe der Masken beauftragt werden dürften.
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Da es bundesweit 27 Millionen Berechtigte gibt und somit mehr als 400 Millionen Masken fällig werden, sehen die Apothekerverbände eine logistische Herkulesaufgabe auf sich zurollen. Nicht alle Berechtigten sollen schließlich gleichzeitig in die Ladenlokale strömen. Hat die Politik hier den Mund zu voll genommen? Verantwortlich für die Abwicklung ist diesmal das Bundesgesundheitsministerium.
Corona-Baustelle in NRW: „November-Hilfe“
Die angekündigte schnelle und unkomplizierte Hilfe für Gastronomen und Hoteliers, die seit Wochen nicht arbeiten dürfen, erweist sich offenbar als leeres Versprechen. Von der „November-Hilfe“ zum Beispiel ist bei den Unternehmern am 7. Dezember noch kaum etwas angekommen.
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Es hapert an der technischen Umsetzung der Bund-Länder-Beschlüsse. Erst Ende Januar soll das Geld fließen. Abschlagszahlungen sind bis dahin so gedeckelt, dass Betriebe um ihre Zahlungsfähigkeit fürchten. Allein die NRW-Gastronomie erwartet ein Horror-Geschäftsjahr mit Umsatzausfällen um die 50 Prozent. 75 Prozent der Wirte und Hoteliers sehen sich in ihrer Existenz gefährdet, wenn die Corona-Krise noch länger andauert. Schwacher Trost: In anderen Bundesländern läuft es auch nicht besser.
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