Düsseldorf/Herne. Der Ministerpräsident sagte, er habe sich auf der Suche nach Masken die Hände “wund telefoniert“. In der NRW-Branche wundert man sich.
Bei der umstrittenen millionenschweren Kittel- und Masken-Bestellung des Landes beim Mönchengladbacher Modeunternehmen van Laack ist es möglicherweise doch zu einer Ungleichbehandlung verschiedener NRW-Hersteller für Corona-Schutzausrüstung durch Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) gekommen.
Nach Recherchen unserer Redaktion hat der international aktive Blusen- und Hemden-Produzent B.M. Company aus Herne bereits am 27. März dem NRW-Gesundheitsministerium freie Produktionskapazitäten „für medizinische Atemschutzmasken mit der ffp2-Norm“ angeboten. Man sei ebenfalls „in der Lage, Arbeitsschutzbekleidung zu fertigen“, hieß es weiter. Das Herner Familienunternehmen, das seit Jahren eine feste Größe in der Textilbranche ist und hochwertige Blusen in der ganzen Welt verkauft, verwies zudem auf eine Kooperation mit einer weiteren Firma, die bereits das Land Niedersachsen mit Schutzausrüstung ausstatte.
Laschet rief auf Vermittlung seines Sohnes bei van Laack an
Das Angebotsschreiben liegt unserer Redaktion vor. Wenige Stunden später erhielt B.M. Company bloß eine Standard-Mail der „Corona-Stabsstelle“ des Gesundheitsministerium mit Verweis auf ein Angebotsportal, in dem die Offerte konkretisiert werden solle. Ein Auftrag kam am Ende nicht zustande.
Pikant: Zwei Tage nach dem ersten Schreiben aus Herne rief Ministerpräsident Laschet persönlich bei van Laack-Chef Christian von Daniels an. Den Kontakt hatte Laschets ältester Sohn Johannes (31) vermittelt, der in den Sozialen Netzwerken als Influencer-Model „Joe“ unter anderem seit Jahren van Laack-Kollektionen gegen Honorar bewirbt.
Der Anruf des Regierungschefs sei am 29. März, einem Sonntagabend, erfolgt, sagte von Daniels am Donnerstag dem „Handelsblatt“. Nach dem Anruf des Ministerpräsidenten müssen unmittelbar Mitarbeiter der Landesregierung ins Unternehmen gekommen sein und die van Laack-Produkte begutachtet haben. Am 20. April bestellte das Land ohne Ausschreibung in einer ersten Tranche bei dem Mönchengladbacher Unternehmen Schutzausrüstung im Wert von mehr als 45 Millionen Euro brutto.
Der Ministerpräsident wies den Mauschel-Verdacht wütend zurück
Laschet hatte bislang jeden Mauschel-Verdacht wütend zurückgewiesen und auf die Not-Situation in der Frühphase der Corona-Pandemie verwiesen: „Wir waren damals auf der Suche nach seriösen Anbietern, wir haben jeden gefragt, den wir kennen. Wir haben uns die Hände wund telefoniert. Gefragt, gedrängt, gebettelt.“
Der Geschäftsführer der Herner Textilfirma B.M. Company, Stephan Bisping, zeigte sich gegenüber unserer Redaktion erstaunt über Laschets Darstellung. Er ist vielmehr überzeugt, dass die Landesregierung sein Unternehmen zum Zeitpunkt des Kontakts mit dem van Laack-Chef hätte kennen müssen. Zumindest ein Teilauftrag hätte auch nach Herne gehen müssen, meint er. Mit seinen polnischen Werken sei B.M. Company in kurzer Zeit in der Lage gewesen, Millionen von Masken zu produzieren. Schon Anfang März hatten die Herner die Produktion auf Corona-Schutzausrüstung umgestellt und in der Folge mehrere Großaufträge bedient.
Opposition verweist auf möglicherweise benachteiligte Konkurrenten
Womöglich ist die Herner Firma nicht die einzige in der NRW-Textilbranche, die sich über den Exklusivzugang des Mönchengladbacher Konkurrenten van Laack zum Ministerpräsidenten wundert. „Wir haben viele Zuschriften, Mails und Anrufe von Unternehmen bekommen, die sagen, sie hätten dem Land Angebote gemacht und es sei noch nicht einmal eine Antwort erfolgt“, berichtete am Donnerstag SPD-Oppositionsführer Thomas Kutschaty.
Offenbar handelt es sich um Mitbewerber in Mönchengladbach, Dortmund und Wuppertal. In NRW habe es offensichtlich mehrere Anbieter gegeben, die den van Laack-Auftrag des Landes hätten erfüllen können, so Kutschaty: „Wenn Unternehmen das behaupten, muss man sie auch anrufen und in Kontakt treten, bevor man für 45,8 Millionen Euro brutto einen Auftrag an van Laack vergibt.“
Noch im November bestellte das Land weitere Polizei-Masken
Aus dem Gesundheitsministerium hieß es am Donnerstagabend, dem offiziellen Angebot der Herner Firma sei damals nicht zu entnehmen gewesen, "dass medizinische Gesichtsmasken geliefert werden konnten". Die Staatskanzlei erklärte, selbstverständlich habe Laschet "angesichts der breit aufgestellten Wirtschaft des Landes nicht mit allen infrage kommenden Unternehmen gesprochen".
Von Laack hatte in der „Bild-Zeitung“ darauf verwiesen, dass man den Zuschlag erhalten habe, weil man das beste Produkt in der kürzesten Zeit zum besten Preis herstelle. In Katastrophenfällen darf das Land Aufträge ohne Ausschreibung vergeben. Fragen werfen inzwischen aber Folgeaufträge an van Laack für Polizei-Masken im Wert von vier Millionen Euro auf, die zum Teil erst im November veröffentlicht wurden. Die SPD-Opposition will nun vergaberechtlich prüfen lassen, ob das Geschäft wegen zu diesem Zeitpunkt zahlreicher anderer Marktteilnehmer korrekt abgelaufen ist.