Düsseldorf. Viele Geschäfte dürfen nun wieder öffnen, Abschlussjahrgänge gehen zur Schulen, aber Spielplätze bleiben dicht. Die Regeln für NRW im Überblick.

NRW lockert ab Montag (20. April) zusammen mit den anderen Bundesländern einige der massiven Einschränkungen, die im Kampf gegen das Coronavirus eingeführt worden waren und die seit Wochen das gesellschaftliche und wirtschaftliche Leben beeinträchtigen. „Ich bin froh, dass sich Bund und Länder gemeinsam auf den Weg hin zu einer verantwortungsvollen Normalität begeben“, sagte NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) nach der Konferenz zwischen Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und den Ministerpräsidenten am vergangenen Mittwoch.

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Mit den behutsamen Lockerungen der Corona-Vorschriften beginne nun am Montag, 20. April, eine „neue Phase des Miteinanders“, so Laschet. Was sich bei den Maßnahmen in NRW ändert und welche Einschränkungen bestehen bleiben – der Überblick:

KONTAKTVERBOT: Die Kontaktbeschränkungen werden mindestens bis zum 3. Mai verlängert. Das bedeutet in NRW, dass Ansammlungen von mehr als zwei Personen verboten bleiben. Ausnahme: enge Verwandte und Lebenspartner bzw. Menschen, die in einem Haushalt leben.

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SCHULEN: Die Schulen in NRW starten ihren Betrieb nicht gleich nach den Osterferien, sondern schrittweise ab dem 4. Mai. Abiturienten und andere Schüler, die vor Prüfungen stehen, sollen aber schon früher in die Schulen zurückkehren: „Nach einer Vorbereitungszeit für Schulleitungen, Lehrkräfte und anderes Personal ab dem 20. April 2020 sollen die Schulen wenige Tage später für die Schülerinnen und Schüler wieder öffnen, für die Abschlussprüfungen anstehen“, sagte Gebauer am Mittwochabend. Seit Donnerstag steht fest, dass dies am Donnerstag, 23. April, der Fall sein wird. Das betrifft auch die Abschlussjahrgänge der Berufsschulen. Die Grundschulen in NRW öffnen ab dem 4. Mai wieder für Kinder, die die vierte Klasse besuchen. Förderschulen bleiben geschlossen. Darüber hinaus wird es in diesem Jahr kein Sitzenbleiben geben, sagte Gebauer.

KITAS: Während sich NRW-Familienminister Joachim Stamp (FDP) noch am Dienstag für eine schnellere Öffnung der Kitas ausgesprochen hatte, ruderte Laschet am Mittwoch wieder weit zurück. Die Kitas bleiben vorerst geschlossen. Allerdings werde nun die Notfallbetreuung in den Kitas auf weitere Berufsgruppen ausgedehnt, darunter Mitarbeiter von Tankstellen, des Lebensmittelhandels, Drogerien und Hausmeister.

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EINZELHANDEL: Geschäfte mit einer Größe von bis zu 800 Quadratmetern dürfen ab Montag, 20. April unter Auflagen wieder öffnen, außerdem Kfz-Händler, Fahrradhändler und Buchhandlungen – unabhängig von der Ladengröße. In NRW wird es zudem eine Sonderregelung für Einrichtungshäuser und Babyfachmärkte geben: Die Beschränkung der Verkaufsfläche greift hier nicht. Für diese Regelung gibt es massive Kritik an der Landesregierung, Galeria Karstadt Kaufhof zieht wegen der 800-Quadratmeter-Grenze vor Gericht. Am Freitagnachmittag deutete das Land ein Einlenken an.

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FRISEURE: Friseure sollen unter Auflagen - etwa zur Hygiene und zur Vermeidung von Warteschlangen - ab dem 4. Mai ihre Betriebe wieder öffnen.

GASTRONOMIE/HOTELS: Hotels, Restaurants, Bars, Diskotheken und Kneipen bleiben bis auf Weiteres geschlossen. Speisen können aber weiter geliefert und abgeholt werden. Die Enttäuschung in der Gastronomie ist entsprechend „riesengroß“, wie Dehoga-NRW-Chef Bernd Niemeier sagt, „weil wir dringend einen Termin gebraucht hätten“. Ein Sprecher des Hotel- und Gaststättenverbands sagte unserer Zeitung: „Wer uns jetzt nicht hilft, nimmt Tausende von Pleiten in Kauf.“ Vor allem viele kleine Restaurants, Hotels, Cafés und Bars seien in Existenzgefahr. Ohne sie gehe aber die Vielfalt des Gastgewerbes verloren.

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FREIZEITANGEBOTE: Messen, Kinos, Freizeitparks, Theater, Opern, Konzerthäuser, Museen, Galerien, Ausstellungen, zoologische und botanische Gärten und ähnliche Einrichtungen bleiben ebenfalls dicht. Gleiches gilt für Spiel- und Sportplätze, Schwimmbäder und Fitnessstudios.

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VERANSTALTUNGEN: Auf Großveranstaltungen werden die Menschen noch lange verzichten müssen. Sie bleiben noch bis mindestens 31. August verboten, und dieses Verbot berührt auch die Fußball-Bundesliga. „Es wird in dieser Saison keine Spiele vor Publikum geben“, sagte Laschet. „Geisterspiele“ ohne Publikum seien aber weiter denkbar. Auch Schützenfeste werden in diesem Sommer nicht gefeiert. NRW habe darauf in den Verhandlungen mit Bund und Ländern gedrungen, um den Vereinen Planungssicherheit zu geben.

Keine Maskenpflicht, aber "dringende Empfehlung"

Auf eine generelle Maskenpflicht konnte sich die Spitzenrunde nicht einigen. Sie sprach aber eine „dringende“ Empfehlung aus, im öffentlichen Personennahverkehr und beim Einkaufen „Alltagsmasken“ zu tragen.​ Sachsen indes hat am Freitag als erstes deutsches Bundesland eine Maskenpflicht für den öffentlichen Nahverkehr sowie für den Einzelhandel beschlossen.

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NRW prescht bei Schulöffnungen für Abschlussjahrgänge vor

Am Tag vor der Konferenz der Länderchefs und der Kanzlerin hatte NRW-Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP) gesagt, sie strebe „unmittelbar nach den Osterferien“ die schrittweise Öffnung der Schulen an. Die Länder vereinbarten allerdings den 4. Mai als Starttermin. Dann sollen zunächst die Klassen, die im nächsten Jahr Prüfungen ablegen und die obersten Grundschulklassen wieder in den Unterricht.

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Gebauer konnte sich aber offenbar mit der Forderung durchsetzen, Schüler, für die aktuell Prüfungen anstehen, schneller wieder in die Schulen zu lassen. Lehrer- und Elternverbände in NRW hatten sich zuletzt für ein prüfungsfreies Schuljahr stark gemacht.

Kritik an Plan für Schulöffnungen in NRW

Große Bildungsverbände zeigten sich mit den Entscheidungen vom Mittwoch nicht zufrieden. „Sicherheit sollte vor Eile gehen“, sagte der NRW-Chef des Verbandes Bildung und Erziehung, Stefan Behlau, dieser Zeitung. Vor einer Schulöffnung müssten noch viele Fragen zu Hygiene und Sicherheit geklärt werden.

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Die Schulleitungen regierten mit gemischten Gefühlen auf die bevorstehende schrittweise Öffnung. Ulrich Elsen, Rektor der Erich-Kästner-Realschule in Gladbeck, hält es grundsätzlich für gut, wieder mit dem Schulbetrieb zu starten. Wirklich wohl fühle er sich aber nicht damit, „wenn so Menschenleben gefährdet werden.“

Fragen nach der Hygiene in Schulen

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Mit Erleichterung nahmen Essener Schulleiter die Nachricht auf, dass der Schulbetrieb erst Anfang Mai wieder starten soll. „Wir hätten uns nicht in der Lage gesehen, die nötigen Hygienemaßnahmen bis Montag umzusetzen“, sagt Olaf Kehlert, Leiter der Geschwister-Scholl-Realschule in Borbeck und Sprecher der Essener Realschulen.

Der Landesvorsitzende der Grünen, Felix Banaszak, kritisierte den Schul-Fahrplan: Die Situation ist für Schüler, die kurz vor ihren Abschlüssen stehen, sehr belastend. Dass sie und ihre Lehrer aber schon ab diesem Montag wieder die Schulen besuchen sollen, ohne dass Infektionsschutzmaßnahmen überall vor Ort gewährleistet sind, halten wir angesichts des extrem kurzen Vorlaufs für fahrlässig“, sagte Banaszak.

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SPD-Landeschef Sebastian Hartmann findet die Regierungspläne „abenteuerlich“: „Die Schulen sind auf eine Ad-hoc-Öffnung nicht vorbereitet. Es fehlt an wichtigen Hygienevoraussetzungen wie Seife, Desinfektionsmittel und oft sogar warmem Wasser. Es geht nicht um den schnellstmöglichen Start, sondern um den sichersten."

Merkel: "Zerbrechlicher Zwischenerfolg" im Kampf gegen Corona

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Im Kampf gegen die Ausbreitung des Virus sei lediglich ein „zerbrechlicher Zwischenerfolg“ erzielt worden, sagte Angela Merkel nach der Videoschalte mit den Ministerpräsidenten. Sie sei sich mit den Länderchefs einig, „dass es jetzt kein falsches Vorpreschen geben“ dürfe. Bei Lockerungen müsse „mit äußerster Vorsicht“ vorgegangen werden.

​Laschet zufrieden mit ersten Lockerungen

Sieht NRW auf dem Weg in eine
Sieht NRW auf dem Weg in eine "verantwortungsvolle Normalität": NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) nach der Bund-Länder Videokonferenz am Mittwoch. © dpa | Federico Gambarini

Länger als geplant dauerte am Mittwoch das Ringen zwischen Bund und Ländern über den richtigen Kurs in der Coronakrise. NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) wollte am Abend den Eindruck verbreiten, dass er die Richtung bei diesen Gesprächen maßgeblich mit beeinflusst habe. Den Weg zur „verantwortungsvollen Normalität“, die Bund und Länder nach Wochen des Stillstands nun gemeinsam suchten, sei ganz in seinem Sinne.

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„Keine Alleingänge irgendeines Landes“ hatte Laschet schon am Tag vor der Video-Konferenz der Regierungschefs gefordert. Am Ende kam tatsächlich ein gemeinsamer Fahrplan heraus, und – nach den Erfahrungen der vergangenen Wochen nicht selbstverständlich – ein offener Streit mit Bayerns Regierungschef Markus Söder (CSU) blieb diesmal offenbar aus.

Laschet und Söder singen nicht das gleiche Lied

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Dennoch ist die Tonlage von Laschet und Söder weiter unterschiedlich. Laschet will vor allem Aufbruchstimmung verbreiten und redet von einer „neuen Phase des Miteinanders“. Der Andere (Söder) bleibt ein Mahner. „Vorsicht“ und „Besonnenheit“ fordert der Bayer in dieser Krise. „Langsam bringt mehr Erfolg als hektisch.“

Laschet ging gleich zu Beginn mit der Botschaft nach vorne, dass es hier in NRW zuletzt immer besser lief beim Kampf gegen Corona. Erstmals hätten hierzulande in der Coronakrise mehr Patienten die Intensivstationen verlassen als neu dorthin verlegt werden mussten. Das Minus bei der Intensivbettenbelegung ist zwar mit 1,6 Prozent winzig, aber es ist immerhin ein Rückgang. 40 Prozent der vorgehaltenen Intensivbetten seien derzeit nicht belegt.

Die Oberbürgermeister und Landräte aus dem Ruhrgebiet kritisierten die NRW-Landesregierung für ihr Krisenmanagement. Sie fühlen sich bei wichtigen Entscheidungen außen vor gelassen.