Berlin. Die Ministerpräsidenten von Bayern und NRW schätzen die Lage in der Pandemie unterschiedlich ein – wer recht behält, kann profitieren.

Kanzlerin Angela Merkel wird sich am Ende mancher Ministerpräsidentenkonferenz wahrscheinlich wie eine Schiedsrichterin fühlen. 16 Länderinteressen unter einen Hut zu bekommen, das ist nicht einfach. Normalerweise moderiert Kanzleramtsminister Helge Braun (beide CDU) die täglichen Schalten mit den Chefs der Staatskanzleien – am Mittwoch war es dann die Sache seiner Chefin.

Merkel ging mit einem 16-seitigen Papier in die Videoschalte mit den Länderchefs. Der bayerische Ministerpräsident und CSU-Chef Markus Söder als Vorsitzender der Ministerpräsidentenkonferenz und Hamburgs Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) waren in Berlin vor Ort. In der Schalte ging es dann zur Sache – es gab gewaltigen Abstimmungsbedarf.

Ein Machtkampf mit Vorgeschmack auf die Nach-Merkel-Ära

Als unglücklich wurde im Kanzleramt angesehen, dass aus Nordrhein-Westfalen am Dienstag Minister-Stimmen von der FDP kamen, die Schulen für ältere Kinder und Vorschulkinder bereits im Alleingang öffnen zu wollen. Auch in Düsseldorf war darüber nicht jeder glücklich – die Staatskanzlei eingeschlossen. So beeilte sich NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) am Mittwochmorgen zu versichern: „Wir brauchen einen Konsens der 16 Länder. Gerade in der Schulpolitik darf es keine Alleingänge geben.“

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder hatte am Dienstagabend wortgewaltig eine zeitnahe Öffnung der Schulen nach den Osterferien abgelehnt. Er sei bei Schulen zurückhaltend, sagte Söder. Gibt es ihn denn, den Machtkampf um die Vorherrschaft im Land vor dem Hintergrund der Corona-Krise?

Es ist vor allem ein Streit um den richtigen Weg in dieser besonderen Situation. In NRW beobachtet man kritisch, wie in Bayern mit Einschränkungen von Grundrechten hantiert wird. In Bayern dagegen ist man der Auffassung, dass man in NRW die Gefahr des Virus unterschätzt. Länder wie das Saarland oder Mecklenburg-Vorpommern etwa teilen diese Einschätzung.

Laschet und Söder sind Top-Kandidaten für Merkel-Nachfolge

Und es stehen zwei Männer im Mittelpunkt, die für die Nach-Merkel-Ära entscheidend sein werden. In der Krise müssen sich Söder und Laschet als Regierungschefs der beiden größten Bundesländer bewähren. Bei einer Telefonschalte Ende März war es zu einer Auseinandersetzung der beiden gekommen.

Söder hatte Ausgangsbeschränkungen für Bayern angekündigt – ohne dies abzustimmen. Laschet hatte mit Länderkollegen eine Art Gegenplan beschlossen – Söder war sauer und drohte damit, aus der Konferenz auszuscheren. Die Kanzlerin musste vermitteln. Laschet ist einer der Kandidaten für den CDU-Vorsitz – auch wenn der Wahlkampf gerade auf Eis liegt.

Merkel will keine Lockerungen wieder zurücknehmen müssen

Doch Laschet wäre als CDU-Chef auch der künftige Kanzlerkandidat der Union, allerdings nur von Söders Gnaden, der als CSU-Chef seine Zustimmung geben muss. Zwar sagte Söder immer wieder, sein Platz sei in Bayern. Doch wer weiß schon, welche Entwicklungen die Krise noch bereithält.

Nach der Videoschalte am Mittwoch konnten sowohl Laschet als auch Söder einen Erfolg für sich verbuchen. Es gibt eine Exit-Strategie, für die Laschet gekämpft hatte. Aber es bleibt eine sehr vorsichtige – so wie Söder es als Credo ausgegeben hatte.

Söder trat als derzeitiger Chef der Ministerpräsidentenkonferenz mit Merkel nach der Schalte in Berlin vor die Presse und sprach von einer „wichtigen und verantwortungsbewussten“ Diskussion. Es sei gut, dass es keine „unkontrollierte Exit-Debatte“ gegeben habe, sagte Söder außerdem – und mag NRW dabei im Sinn gehabt haben. Besonnenheit sei besser als überstürzte Entscheidungen, betonte Söder.

Keine Maskenpflicht, dafür weiterhin Kontaktbeschränkungen

Schrittweises Vorgehen sei wichtig. Doch auch Söder musste hinnehmen, dass es keine verbindliche Maskenpflicht in Deutschland im öffentlichen Raum gibt – sondern nur eine „dringende Empfehlung“. Und das von NRW ersonnene Abstandsgebot inklusive Kontaktbeschränkung wird weiter gelten. „Im Großen und Ganzen sind sich die Länder mit dem Bund einig“, fügte Söder dann auch versöhnlich hinzu.

Merkel wiederum wollte vor allem vermeiden, Lockerungen zuzugestehen, die sie dann wieder einsammeln muss. Ihre Fernsehansprache, die Erklärungen für den Lockdown, würde sie gerne wiederholen – aber nur, um mitzuteilen, dass die Krise vorbei ist. Und nicht, um Lockerungen wieder zurückzunehmen.

Künftig wollen sich die Ministerpräsidenten alle vierzehn Tage abstimmen. Solange es nötig ist. Und das wird noch eine Weile dauern: „Deshalb können wir nicht zum gewohnten Leben der Zeit vor der Epidemie zurückkehren, sondern wir müssen lernen, wie wir für eine längere Zeit mit der Epidemie leben können“, steht im Papier der Kanzlerin.

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