Essen. Ikea darf öffnen, Karstadt nicht: Kaufhaus-Riese zieht gegen Schließung vors Oberverwaltungsgericht. Minister Pinkwart deutet baldige Öffnung an.

Der um sein Überleben kämpfende Warenhaus-Riese Galeria Karstadt Kaufhof geht nun gerichtlich gegen die weitere Schließung seiner Filialen in Nordrhein-Westfalen vor: Wie das Oberverwaltungsgericht (OVG) in Münster am Freitag mitteilte, hat der Essener Konzern dort neben anderen nicht genannten Unternehmen ein Eilverfahren gegen die Coronaschutzverordnung in NRW angestrengt (Aktenzeichen: 13 B 484/20.NE). Die Kaufhauskette wende sich gegen die weitere Schließung. Das Land habe die Gelegenheit zu einer Stellungnahme, das OVG will in der kommenden Woche eine Entscheidung treffen.

Auch das OVG Saarlouis und das OVG Bremen bestätigten Eilanträge von Karstadt. Das Unternehmen selbst äußerte sich dazu am Freitag nicht. Wie unsere Redaktion aus unternehmensnahen Kreisen erfuhr, macht Karstadt das aktuelle „Chaos mit den unterschiedlichen Handhabungen der Länder“ in dieser schwierigen Phase zu schaffen. Die Kaufhauskette mit ihren 170 Häusern und 28.000 Beschäftigten befindet sich in einem Schutzschirmverfahren.

Das NRW-Arbeitsministerium erklärte auf Anfrage, es sei „das gute Recht von Bürgern und Unternehmen, gegen die dort getroffenen Regelungen“ der Corona-Verordnung zu klagen, die dem Schutz vor Neuinfektionen diene. Da es sich um eine laufendes Verfahren handele, könne man sich derzeit nicht dazu äußern.

Regel-Chaos in den Ländern belastet Karstadt

Bewegung deutete sich dagegen im liberal geführten Wirtschaftsressort an: Minister Andreas Pinkwart (FDP) erklärte, dass womöglich auch größere Geschäfte „zeitnah“ ihre Türen öffnen dürften, wenn sie sich auf 800 Quadratmeter beschränken. Genau das hatte Laumann noch am Vortag ausgeschlossen, mit den Worten, solche „Tricks“ werde NRW „nicht mitmachen“. Pinkwart dagegen sagte: „Wir möchten für die, die noch nicht öffnen dürfen, in nächster Zeit eine Lösung finden. Wir prüfen das sorgfältig.“ Rheinland-Pfalz und Niedersachsen etwa erlauben das bereits ab Montag. Bayern dagegen hält Kaufhäuser und Einkaufscenter weiter geschlossen.

Ab dem 4. Mai sei es auch denkbar, dass größere Läden generell wieder öffnen dürften, betonte Pinkwart. Bis dahin gelten die mit dem Bund und den anderen Ländern getroffenen Einschränkungen.

Brisante Ausnahmen in NRW für Ikea & Co.

Die Schließung der Warenhäuser hat vor allem in NRW an Brisanz gewonnen, weil das Land eigene Ausnahmen von der bundesweit vereinbarten Regelung macht, dass Geschäfte mit mehr als 800 Quadratmetern Verkaufsfläche weiterhin geschlossen bleiben müssen. Kleinere dürfen dagegen wieder öffnen, in NRW bereits ab kommenden Montag. Neben den bundesweiten Ausnahmen etwa für Auto- und Buchhändler erlaubt NRW auch Möbelhäusern und großen Babymärkten wieder zu öffnen. Das hatte nicht nur die Profiteure wie Ikea nach eigenem Bekunden überrascht, sondern auch den Warenhausriesen, dessen Sortiment viele Überschneidungen mit denen von Ikea, XXXL und Babymärkten aufweist. Während etwa XXXL schon Montag wieder öffnen will, bleibt Konkurrent Karstadt zu.

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Dabei ringt der Konzern ohnehin um seine Existenz: Galeria Karstadt Kaufhof hat Anfang April beim Essener Amtsgericht ein Schutzschirmverfahren beantragt und genehmigt bekommen. Das ist die mildere Variante eines Insolvenzverfahrens, das den Konzern vor dem Zugriff der Gläubiger schützt. Der Insolvenzexperte Arndt Geiwitz ist in diesem Verfahren der Generalbevollmächtigte, er sagte unserer Redaktion jüngst, er sei zuversichtlich, dass Karstadt „gut durch dieses Schutzschirmverfahren kommen“ werde. „Wir sind in der Lage, den Shutdown noch eine längere Zeit durchzustehen“, sagte Geiwitz. Allerdings dürfe die Zwangsschließung nicht zu lange dauern, der Wirtschaftsprüfer hatte auf eine Öffnung bis Ende April gehofft. Dem schoben die Bundesregierung und die Länder inzwischen einen Riegel vor.

Pinkwart verteidigt Ausnahmen

Die NRW-Sondergenehmigung für Einrichtungshäuser und Babyfachmärkte hatte NRW-Arbeitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) offen mit dem „wirtschaftlichen Interesse“ begründet, die heimische Möbelindustrie mit 35.000 Beschäftigten stützen zu wollen. Pinkwart sprang ihm am Freitag zur Seite und verteidigte die Ausnahmen. Zudem nannte er die zwischen Bund und Ländern vereinbarte Beschränkung auf 800 Quadratmeter einen Erfolg für NRW. Denn die Bundesregierung habe zunächst nur für 400 Quadratmeter plädiert, Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CDU) halte nach wie vor eine kleinere Fläche für richtig. Die 800-Quadratmeter-Regel ermögliche in NRW Geschäften, „die für mehr als 80 Prozent unseres Einzelhandelsumsatzes stehen, die Wiedereröffnung“.

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Das brachte große Einzelhändler, die weiter schließen müssen, auf die Palme. Friedrich Goebel, Chef der Textilkette Sinn, sprach von „Wettbewerbsverzerrung in reinster Form durch den Staat“. Er kündigte im Gespräch mit unserer Zeitung an, er werde „das Thema Staatshaftung prüfen lassen“. Galeria Karstadt Kaufhof, mit seinen 28.000 Beschäftigten der wohl am stärksten betroffene Einzelhändler, äußerte sich dazu bisher nicht.

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Der österreichische Karstadt-Eigner René Benko hat inzwischen auch den Verkauf von 17 Warenhaus-Immobilien auf den Weg gebracht, um weiteres Geld zur Überbrückung der Corona-Krise zu beschaffen. Der Agentur Bloomberg zufolge zahlt der Finanzinvestor Apollo EPF insgesamt rund 700 Millionen Euro für die Immobilien. Das Bundeskartellamt hat den bereits Ende März angemeldeten Deal am 15. April freigegeben. Milliardär Benko hatte zuvor selbst weitere 140 Millionen Euro zur Bewältigung der kommenden Wochen zugeschossen. Berichten zufolge stützt dieses Geld Karstadt Kaufhof bis in den Juni hinein.