Washington. . Die US-Amerikaner stimmen in dieser Woche über den Senat und das Repräsentantenhaus ab. Auch wenn etliche Rennen in Schlüssel-Bundesstaaten Kopf an Kopf liegen, droht den Demokraten eine krachende Niederlage. Doch macht dies den Präsidenten unweigerlich zur „lahmen Ente“? Eine Analyse.

Halbzeit im politischen Amerika. An diesem Dienstag wählen die USA zur Mitte der zweiten Amtszeit von Präsident Barack Obama neben 38 Gouverneuren und 173 Bürgermeistern ihr Zentral-Parlament in Washington weitgehend neu. Das Repräsentantenhaus ist seit 2010 fest in Hand der Republikanern, die dort eher noch weiter zulegen werden. Im Senat, dem Oberhaus, reichen ihnen sechs derzeit noch von Demokraten gehaltene Sitze aus, um eine komfortable Verhinderungsmehrheit auf die Beine zu stellen.

Auch wenn etliche Rennen in Schlüssel-Bundesstaaten wie Kansas, Iowa, Alaska, Florida oder Georgia Kopf an Kopf liegen, haben sich die Meinungsforscher festgelegt: Der Kongress, untergebracht im ehrwürdigen Capitol, ist für die Demokraten verloren. Die mühselige Zwei-Parteien-Herrschaft wäre gebrochen. Hauptgrund: Weil Stammwähler der Linken zuhause bleiben werden, konservative Obama-Kritiker dagegen in Denkzettel-Laune sind. „Sie können beruhigt darauf wetten“, sagt der Politikforscher Larry Sabato, „Obama hat in den letzten 24 Monaten seiner zweiten Amtszeit einen geschlossenen Block der Nein-Sager vor sich.“

Der Stillstand wäre zementiert

Die „lahme Ente“, als die ein Präsident in Amerika auf der Schlussetappe traditionell gilt, wäre damit zur Bewegungsunfähigkeit verurteilt. Jedes Gesetzesvorhaben, das aus dem Weißen Haus den Weg ins Parlament sucht, jede Richter-Neubesetzung oder Kabinettsumbildung hätte das Verfallsdatum bereits in sich eingebaut. Dass Obama nach der Verfassung sein Veto einlegen und mit Dekreten am Parlament vorbei regieren darf, würde die Polarisierung weiter verschärfen. Der Stillstand, der in den USA bereits heute beklagt wird, wäre zementiert. Soweit die Lehrbuchmeinung, die sich durch die Medien zieht. Aber muss es so kommen?

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Vorweg: Auf die reinigende Wirkung der Zwischenwahlen („midterms“) werden die Amerikaner je nach Ausgang der Abstimmungen in den Südstaaten Louisiana und Georgia womöglich lange warten müssen. Erreicht dort eine Kandidat keine 50 Prozent plus x-Mehrheit, wird stichgewählt. Spätestens am 6. Januar nächsten Jahres. Bis dahin herrschte Hängepartie. Davon abgesehen warnt Charles Krauthammer, Galionsfigur der rechten Publizistik, seine Republikaner-Freunde bereits jetzt: „Sie werden 2016 nicht mit einem neuen Slogan oder der Hilfe einer Marketingfirma ins Weiße Haus einziehen. Sondern nur, wenn sie beweisen, dass sie ein echtes Regierungsprogramm haben.“ Letzteres scheint das Problem zu sein. Es ist keines zu erkennen. Haben die Republikaner das Regieren verlernt?

Seit den ersten Amtstagen Obamas haben sich die Konservativen in beiden Kammern des Kongresses weitgehend aufs Abweisen und Bekritteln verlegt. Im Fall der Gesundheitsreform des Präsidenten sogar aufs Abschaffen. Bisher vergeblich.

Republikaner auf Konfrontationskurs

Eine Fortsetzung dieses Konfrontationskurses, prophezeien Experten der erzkonservativen Denkfabrik Heritage Foundation, wird der Republikanischen Partei einen „hohen politischen Preis abverlangen“ und mit Blick auf die Obama-Nachfolge 2016 demokratische und unabhängige Wähler mobilisieren. Gegenvorschlag: Die Republikaner müssten bei den zentralen Themen Staatsausgaben, Steuern, Umwelt, Energie und Einwanderung mehrheitsfähige Konzepte anbieten, die „auf der Straße so viel Glaubwürdigkeit erlangen, dass ein konservativer Präsidentschaftskandidat sie sich zu eigen machen kann“.

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Realitätssinn, der auf der rechten Außenbahn der Partei, die trotz schlechter Erfahrungen immer noch von Milliardären gesponserte Tea Party-Radikale nominiert, schlecht ankommt. „Wozu Kompromisse?“, fragte der texanische Senator Ted Cruz. Sollten am Dienstag weitere konservative Südstaatenrepublikaner in den Kongress einziehen, wird der Einfluss der Radikalen innerhalb der Partei steigen, „was automatisch die Schnittmenge für Kompromisse mit den Demokraten verkleinert“, sagt ein ehemaliger Abgeordneter des Repräsentantenhauses aus Maryland und wünscht sich in alte Zeiten zurück. „Ronald Reagan, ein Republikaner, hatte es in den 80er-Jahren als Präsident mit einer demokratischen Mehrheit im Kongress zu tun-- und hat trotzdem die Sozialversicherung verbessert.

Bill Clinton, ein Demokrat, verschlankte in den Neunzigern mit konservativer Schützenhilfe den Sozialstaat. Ein Demokrat im Weißen Haus und eine republikanische Mehrheit im Kongress, das macht die Dinge nicht einfacher. Aber unmöglich ist es nicht – wenn sich die Lager zusammenreißen.“