Washington. . Der einstige Hoffnungsträger Barack Obama hat an Popularität eingebüßt. Bei den Halbzeitwahlen zum US-Kongress droht der Partei des Präsidenten der Verlust der Mehrheit. Der Liebesentzug der demokratischen Kandidaten geht so weit, dass Obama in entscheidenden Bundesstaaten im Wahlkampf als unerwünschte Person gilt.

Wer den Abstand messen will, den viele demokratische Amtsinhaber vor den Halbzeit-Wahlen zum US-Kongress am 4. November zwischen sich und ihren Parteifreund im Weißen Haus zu bringen versuchen, kommt an diesem Video nicht vorbei. Alison Lundergan Grimes wird darin gefragt, ob sie bei den Wahlen 2008 und 2012 für Barack Obama gestimmt hat. Eigentlich unverfänglich für eine Demokratin. Doch die hoffnungsvolle Kandidatin im Tabak-Bundesstaat Kentucky für den Senat verdreht die Augen, sucht nach Ausreden, beschreibt sich als Hillary Clinton-Fan und flüchtet am Ende ins Wahlgeheimnis – ein klares Ja kommt ihr nicht über die Lippen.

Obama, der Zauderling

Grimes‘ Distanzierungsversuch ist vor den „midterms“, bei denen ein Drittel der 100 Senatoren und sämtliche 435 Abgeordneten des Repräsentantenhauses zur Wahl stehen, symptomatisch. Der Hoffnungsträger und Prozentebringer von einst, auf dessen Sympathiewellen 2008 Dutzende Politiker ins Parlament gespült wurden, gilt sechs Jahre später als politischer Totengräber, von dem man sich am besten fernhält. Der Liebesentzug geht so weit, dass Obama in entscheidenden Bundesstaaten wie Alaska, Louisiana, Arkansas, Montana, South Dakota oder West Virginia im Wahlkampf als uner­wünschte Person gilt. „Nicht Obama steht auf dem Wahlzettel“, sagt trotzig Senator Mark Udall aus Colorado, „sondern ich.“

Viel steht auf dem Spiel. Nachdem das Repräsentantenhaus 2010 an die oppositionellen Republikaner fiel und dort auch bleiben wird, müssen die Demokraten auch mit dem Verlust ihrer knappen Mehrheit im Oberhaus rechnen. Von 36 Sitzen, die neu zu vergeben sind, werden 21 von Demokraten gehalten. Den Konservativen reicht der Zugewinn von sechs Mandaten, um eine Mehrheit von 51 zu 49 zu erreichen. Gewinnen können sie nach Einschätzung des Politikwissenschaftlers Larry Sabato von der Universität Virginia „acht bis neun“. Dass sie es schaffen, davon gehen die meisten Experten aus. Allen voran Nate Silver, der zuletzt punktgenau das Ergebnis der zweiten Obama-Wahl prognostiziert hatte. Er sieht die Konservativen mit „über 60 Prozent“ vorn.

In der wöchentlich vermessenen Mediendemokratie Amerikas sind seine Zustimmungsraten auf Tiefstwerte um die 40 Prozent gesunken. Außenpolitisch gilt Obama vielen als Zauderling, dessen Taktiererei – siehe Syrien – Amerika am Ende teuer zu stehen kommen könnte. Innenpolitisch hat die Administration durch eine nicht abreißende Welle von Skandalen, die von der politisch gefärbten Steuerbehörde IRS bis zum jüngsten Versagen der Personenschützer vom Secret Service reichen, einen so schweren Stand, dass Obamas Pluspunkte untergehen: In den vergangenen 55 Monaten hat die US-Wirtschaft zehn Millionen Jobs geschaffen – „das längste ununterbrochene Jobwachstum in unserer Geschichte“, wie der Präsident nicht müde wird zu betonen. Aber er dringt damit nicht mehr durch.

Zwei Jahre als „lahme Ente“?

Über die Konsequenzen einer möglichen „Ein-Parteien-Herrschaft“ in beiden Kammern des Parlaments kursieren verschiedene Ansichten. Die konventionelle Betrachtung erwartet eine Beschleunigung der Machtlosigkeit Obamas in den letzten zwei Jahren seiner Amtszeit. Gegen die Einheitsfront der Republikaner werde Obama nur noch mit präsidialen Verordnungen anrennen können, vermutet das Wall Street Journal.

Andere halten ein Abdriften in eine Veto-Republik, in der sich Parlament und Weißes Haus gegenseitig mit Verfahrenstricks neutralisieren, für unwahrscheinlich. „Die Republikaner könnte sich im Falle einer Machtübernahme im Senat keine Fundamental-Opposition mehr leisten. Sie müssen beweisen, dass sie etwas gestalten wollen“, sagen Wissenschaftler der Denkfabrik Brookings, andernfalls könne die Präsidentschaftswahl 2016 für die Konservativen zum Fiasko werden.