Washington. . Nach dem Eindringen eines Mannes ins Weiße Haus in Washington hat die Präsidenten-Leibgarde Secret Service die Sicherheit vor dem Gebäude erhöht. Doch reicht das aus? In den USA tobt eine Debatte um den Schutz des US-Präsidenten und die Fähigkeiten des 4000 Mitarbeiter starken Secret Service.

So tief ins Innere der amerikanischen Regierungszentrale war noch nie ein ungebetener Gast ungehindert eingedrungen. Seit der 42-jährige Obdachlose Irak-Veteran Omar Gonzales am 19. September über den Zaun des Weißen Hauses kletterte, unbehelligt von Wachen über den Rasen lief, die unverriegelte Tür zum Wohnbereich von Präsident Obama öffnete, einen Beamten niederstreckte und erst im repräsentativen "East Room" nach einem Handgemenge überwältigt wurde, hat die Debatte um die innere Sicherheit in Amerika eine unerwartete Schlagseite bekommen: Ist der mächtigste Politiker der Welt in den eigenen vier Wänden eigentlich ausreichend geschützt?

In einer hitzig geführten Sitzung des zuständigen Kongress-Ausschusses musste Julia Pierson gestern einräumen, dass sie rückblickend dafür ihre Hand nicht ins Feuer legen kann. Für die Zukunft versprach sie zerknirscht: „Ich verbürge mich dafür, dass so etwas nicht wieder geschieht.“

„Wir hätten jetzt einen toten Präsidenten“

Die 2013 nach Skandalen neu installierte Chefin des fast 150 Jahre fest in Männerhand gewesenen „Secret Service“ hielt sich wenig vertrauensbildend an ein dürres Antworten-Manuskript, das vieles liefern sollte – nur keinen tiefen Einblick in die „Kette schier ung laublicher Patzer“, wie ein Abgeordneter sagte.

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Ronald Kessler, Geheimdienst-Experte und Autor eines Buches über den knapp 4000 Mitarbeiter starken Secret Service, der seit dem Attentat auf Präsident William McKinley 1901 als Leibgarde für das Staatsoberhaupt, dessen Familie, die Regierungsmannschaft und auswärtige Staatsgäste fungiert, zeigt sich alarmiert: „Wir hätten jetzt einen toten Präsidenten, wenn Omar Gonzalez chemische, biologische oder radioaktiv verseuchte Waffen getragen hätte.“

Der aus Texas stammende, offenbar geistig verwirrte Mann, in dessen Wagen 800 Schuss Munition, zwei Beile und eine Machete entdeckt wurden, hatte bei seinem Hausfriedensbruch ein Klappmesser bei sich. Ihm drohen bis zu zehn Jahre Haft.

Fünf Sicherheitsringe gesprengt

Wie leicht der ehemalige Armee-Scharfschütze in das 24 Stunden am Tag von bewaffneten Wachen und Überwachungskameras beobachtete Regierungsgebäude an der Pennsylvania Avenue 1600 eindringen konnte, den Secret Service düpierte und fünf Sicherheitsringe sprengte, hat parteiübergreifend Empörung ausgelöst.

Der Demokrat Elijah Cummings wie der Republikaner Darrell Issa sagten, der elitärste Sicherheitsdienst der Welt dürfe sich nicht einmal dem Anfangsverdacht aussetzen, den Schutz des Präsidenten nur eine Sekunde auf die leichte Schulter zu nehmen.

Gewehrschüsse auf das Weiße Haus?

Geschehen ist weit mehr. Im Fall Gonzales wurden Alarm-Boxen stumm geschaltet, schreibt die „Washington Post“. Recherchen der Zeitung ergaben zudem, dass 2011 der Obama-Hasser Oscar Ortega-Hernandez aus seinem in der Nähe des Weißen Hauses geparkten Auto sieben Gewehrschüsse auf den Präsidenten-Sitz abgab. Die Kugeln trafen Fenster und Dach-First zu einem Zeitpunkt, als die jüngere Obama-Tochter Sasha zu Hause war und die ältere Tochter Malia von einer Party zurückkehren sollte.

Laut Details, die nun an die Öffentlichkeit gerieten, hatten Vorgesetzte des Secret Service den Vorgang erst heruntergespielt und am Ende zu vertuschen versucht. Julia Pierson sicherte zu, den Dienst nach einer General-Inventur wieder „auf ein Leistungsniveau zu bringen, das der wichtigen Mission gerecht wird, die wir ausfüllen“. Nach der einem bitterbösen Verhör ähnelnden Befragung im Kongress sah die oberste Personenschützerin Amerikas jedoch denkbar ungünstig aus – angeschossen.