Essen. . Kirche in der Krise: Seit Januar stieg die Zahl der Austritte aus christlichen Glaubensgemeinschaften in vielen Städten und Kreisen im Ruhrgebiet drastisch an. Vor allem die evangelische Kirche hat mit Problemen zu kämpfen.

Der Mitgliederschwund der großen Kirchen hat sich im Ruhrgebiet dramatisch verschärft: Seit Jahresbeginn sind in vielen Städten und Kreisen bereits so viele Menschen aus ihren christlichen Glaubensgemeinschaften ausgetreten wie im gesamten Vorjahr. Dies, obwohl die Kirchenaustritte bereits 2013 Rekordzahlen erreicht hatten. Das ergab eine WAZ-Umfrage bei Amtsgerichten und Kirchen.

Die Austrittswelle trifft die evangelische Kirche besonders. So zählt das Amtsgericht Duisburg, Stand gestern, für dieses Jahr schon 549 Austritte – gut 100 mehr als im gesamten Vorjahr. Der katholischen Kirche kehrten 610 Duisburger den Rücken (2013: 643). In Mülheim verließen bereits 394 Protestanten ihre Kirche (2013: 362), in Gladbeck verloren beide Konfessionen zusammen 269 Gläubige – auch hier mehr als im verlustreichen 2013.

Austrittswelle trifft evangelische Kirche besonders

In Essen stieg die Zahl der Austritte bei den Protestanten um 75 Prozent auf 604 und die der Katholiken um 55 Prozent auf 718. In Oberhausen verlor die katholische Kirche seit Jahresbeginn 345 Mitglieder – 82 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum. Ähnlich negativ ist der Trend auch in Bottrop, Witten und am Niederrhein.

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Grund ist offensichtlich das neue Einzugsverfahren für die Kirchensteuer auf Kapitalerträge. Auf Zinsen und Dividenden über der Freigrenze von 801 Euro fielen schon immer auch acht Prozent Kirchensteuer an, ab 2015 wird diese aber direkt von den Banken einbehalten und an die Kirchen weitergeleitet. Die Kunden wurden nun von ihren Banken darüber informiert. Beide Kirchen betonen, es handele sich nur um ein neues Verfahren, nicht um eine neue Steuer, müssen nun trotzdem zusehen, wie ihnen die Mitglieder davonlaufen.

Kirche beklagt neues Steuer-Verfahren

Die evangelische Kirche im Rheinland (Ekir) zeigt sich alarmiert. „Das ist ein absolut bitterer Vorgang“, sagte Ekir-Sprecher Jens-Peter Iven der WAZ. Das neue Verfahren sei offenbar für viele, „die ohnehin mit einem Austritt schwanger gingen, der letzte Anlass, es zu tun.“ Wie es dazu kommen konnte, müsse man aber „offen und schonungslos diskutieren“.

Der Sprecher des Bistums Essen, Winfried Dollhausen, glaubt ebenfalls, dass vor allem jene die Steuerdebatte zum Austrittsanlass nehmen, die sich gedanklich ohnehin von der Kirche entfernt hatten. Er räumt aber ein, die Kommunikation sei „auch seitens der Kirche nicht glücklich gelaufen“.