Witten. . Auf hohem Niveau, aber kein so starker Anstieg wie in manch anderen Revierstädten: So lassen sich die aktuellen Wittener Zahlen der Kirchenaustritte zusammenfassen. Matthias Küstermann, stellvertretender Verwaltungsleiter im ev. Kreiskirchenamt, spricht sogar von einer „leichten Besserung“.
Weiterhin auf hohem Niveau, aber kein so starker Anstieg wie in manch anderen Revierstädten: So lassen sich die aktuellen Wittener Zahlen der Kirchenaustritte zusammenfassen. In diesem Jahr kehrten in der Ruhrstadt bislang 155 Menschen der katholischen Kirche den Rücken, 231 waren es bisher bei den Protestanten, die Zahlen nannte jetzt das Amtsgericht. Zum Vergleich: Im gesamten Jahr 2013 waren es 185 bei der katholischen, 281 bei der evangelischen Kirche.
Angesichts dieser Zahlen spricht Matthias Küstermann, stellvertretender Verwaltungsleiter im ev. Kreiskirchenamt, sogar von einer „leichten Besserung“ im Vergleich zum Vorjahr. Allerdings: Noch ist das Jahr nicht vorbei – und 2013 war zudem ein Rekordjahr. Vor allem zum Jahresende hin traten deutlich mehr Menschen als sonst aus den Kirchen aus: Die Berichte über die Finanzeskapaden von Bischof Tebartz-van Elst führte zu einer Austrittswelle – von der auch die evangelische Kirche erfasst wurde. „Da wird dann häufig nicht unterschieden: Wenn sich Menschen über Kirche ärgern, dann wollen sie reagieren“, weiß Nicole Schneidmüller-Geiser, Sprecherin des Ev. Kirchenkreises. Und dann träten Protestanten aus Wut über den Papst eben auch aus der evangelischen Kirche aus. Sie schmunzelt: „Wir haben Glück, dass der neue so beliebt ist.“
Banken leiten Kapitalerträge weiter
Die massive Austrittswelle mit Steigerungen von bis zu 70 Prozent, über die Kirchen jetzt aktuell in vielen Revierstädten klagen, hat aber ganz andere Gründe: Als Hauptauslöser wird eine Änderung im Steuerrecht vermutet. Denn ab 2015 soll die Kirchensteuer auf Kapitalerträge automatisch von den Banken an den Fiskus weitergeleitet werden – bislang musste man sie bei der Steuererklärung angeben. Auch wenn sich allein das Einzugsverfahren verändert hat: „Nachvollziehen kann ich den Ärger und die Verunsicherung schon“, sagt Dechant Dr. Norbert Bathen. Aber mit (Un-)Gerechtigkeit habe das nichts zu tun. Denn wer ehrlich war, habe seine Erträge schon immer angegeben.
„Das deutsche Kirchensteuer-System ist gut“
Im Zuge der Diskussion über das neue Einzugsverfahren wird diskutiert, ob das deutsche Kirchensteuerverfahren noch zeitgemäß ist und ob die Kirchen nicht besser direkt von ihren Mitgliedern Beiträge kassieren sollten – so wie es etwa die Freikirchen tun.
Nicole Schneidmüller-Geiser (Ev. Kirchenkreis) hält nichts davon: „Das System ist gut.“ Um ihre soziale Arbeit etwa in Krankenhäusern und Kindergärten anbieten zu können, bräuchten die Kirchen eine verlässliche Finanzierung, keine freiwilligen Beiträge.
Auch Nicole Schneidmüller-Geiser glaubt nicht, dass die Steuer der Grund für die Kirchenflucht ist. „Das Geld ist vielleicht ein Auslöser, aber meist nicht die eigentliche Ursache.“ Das seien eher Verärgerung oder auch Unkenntnis über die Angebote der Kirche. „Da können wir ansetzen: Wir müssen offensiv auf die Menschen zugehen, auch auf die, die mit Kirche nichts zu tun haben.“ So wie jetzt beim Stadtkirchentag oder wie beim großen Tauffest vor zwei Jahren. „Das ist das was wir tun und tun können.“
Frau wollte Steuer bar einzahlen
Klagen über das neue Einzugsverfahren hat sie persönlich eben sowenig gehört wie Dechant Bathen. Auch Pfarrer Jürgen Krüger, der in Bommern sein Ohr nah bei den Menschen hat, winkt ab. Nur Verwaltungsleiter Küstermann hat direkte Auswirkungen der Steueränderung erlebt: „Eine Frau war bei uns und wollte das nun fällige Geld gleich bar einzahlen.“ Aber das – so musste sie erfahren – macht ja nun die Bank für sie.