München. Mit einer skurrilen Begründung ist ein Zeuge im NSU-Prozess seiner Ladung vor Gericht nicht nachgekommen: Er sei zwar zunächst in einen Zug nach München gestiegen, habe dann aber “etwas trinken müssen“ und sich eine Wirtschaft gesucht. Bundesanwalt Diemer will ihn jetzt zwangsweise vorführen lassen.

Ein für den Mittwochvormittag geladener Zeuge hat seine Anreise in Nürnberg beendet und ist umgekehrt. Richter Manfred Götzl teilte zu Beginn des Verhandlungstages mit, der Mann halte sich derzeit in Bamberg auf. Er soll auf einen Anruf des Gerichts hin erklärt haben, dass er in der kommenden Woche in Therapie gehe, jetzt aber eine Wirtschaft aufsuche und dass er ja „seinen guten Willen“ gezeigt habe.

Laut Götzl soll Thomas B. in Nürnberg gemerkt haben, „dass es nicht mehr gehe und er habe umgedreht“. Bundesanwalt Herbert Diemer forderte daraufhin, den Zeugen vorführen zu lassen. Das Gericht unterbrach die Verhandlung bis 11 Uhr. Zugleich wurde den Prozessbeteiligten die Möglichkeit eingeräumt, von den Staatsanwaltschaften aus Dresden und Leipzig gelieferte Akten zu dem für Donnerstag geladenen Zeugen einsehen zu können. Dem Gericht sollen zu Thomas B. vier Kisten Akten vorliegen.

Zeuge gehörte zur kriminellen Szene in Jena

Thomas B. gehörte Anfang der 1990er Jahre zur kriminellen Szene in Jena. Autos klauen oder Einbrüche sind einige der Vorwürfe gegen Mitglieder der Gruppierung. 1993 geriet Thomas B. nach dem Mord an dem neunjährigen Bernd B. in Jena in den Fokus der Ermittler. Von ihm sollen Angaben stammen, wonach einige Leute aus der Szene bereits 1993 Schusswaffen besessen und diese am Rande einer Burgruine bei Jena versteckt hatten.

Nach dem Auffliegen des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) Anfang November 2011 bestätigte Thomas B. bei einer späteren Befragung der Polizei, dass es 1993 bereits Verbindungen zwischen Uwe Böhnhardt und einem Enrico T. gegeben haben soll. Enrico T. geriet damals zweitweise unter Mordverdacht im Fall der Kindstötung. Der Vorwurf ließ sich aber nicht bestätigen. Im NSU-Verfahren gilt er als eine der Personen, die am Beschaffen der Mordwaffe "Ceska 83" beteiligt gewesen sein könnten.

NSU-Fluchthelfer sagt aus

Gegen Mittag soll mit dem Saalfelder Unternehmer Andreas R. ein weiterer möglicher Fluchthelfer von Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt im NSU-Prozess aussagen. Der Zeuge steht im Verdacht, kurz nach dem Untertauchen des Jenaer Neonazi-Trios Ende Januar 1998, mitgeholfen zu haben, aus Sachsen das beschädigte Fluchtauto der Drei zurück zu holen. Im Nachhinein hatte der Verfassungsschutz-Spitzel Tino Brandt den Nachrichtendienst über die Aktion informiert.

Andreas R. galt neben Tino Brandt in den 1990er Jahren als einer der aktivsten Neonazis in der Südostthüringer Region Saalfeld und Rudolstadt. Das damals zurückgeholte Fahrzeug soll das Auto von Wohlleben gewesen sein. Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe waren 1998 während einer Polizeirazzia untergetaucht, bei der in einer Jenaer Garage Teile von Rohrbomben gefunden wurden.