Brüssel. . Die Wahl von Jean-Claude Juncker zum neuen Kommissionspräsidenten ist eine Niederlage für den britischen Premierminister David Cameron. Allen Widerständen zum Trotz wird der Luxemburger Nachfolger von Jose Manuel Barroso. Über die Nachfolge der Außenbeauftragten Ashton wird auch bald entschieden.
Der britische Regierungschef David Cameron stand am Ende allein auf weiter Flur, selbst Kanzlerin Angela Merkel hatte ihm nicht mehr zur Seite gestanden. Am 16. Juli soll Jean-Claude Juncker, Luxemburger Christdemokrat, vom neuen Europa-Parlament als Nachfolger des Portugiesen Jose Manuel Barroso zum Kommissionspräsidenten gewählt werden.
Die Nominierung Jean-Claude Junckers für den Chefsessel der EU-Kommission wurde am Freitag beim Gipfel der Staats- und Regierungschefs zum Kräftemessen auf offener Bühne. Der Ausdruck „Kampfabstimmung“ sei zwar übertrieben, meinte anschließend Österreichs Bundeskanzler Werner Faymann zu dem Beschluss, den Luxemburger Ex-Premier gegen den Widerstand der Briten und Ungarn als Chef der nächsten Präsidenten der Kommission zu nominieren.
In der Demokratie sei es normal, dass man Meinungsverschiedenheiten per Abstimmung entscheide. Im Europäischen Rat, dem exklusivsten Politiker-Club der Alten Welt, war es freilich ein Novum.
Cameron stand fast allein
Der britische Regierungschef David Cameron hatte mit der auch von Bundeskanzlerin Angela Merkel ausgegebenen Parole „kein Drama“ nichts im Sinn. Lange und letztlich vergeblich hatte der konservative Londoner Premier gehofft, die Kanzlerin werde sich auf seine Seite schlagen.
Doch von der angestrebten Sperr-Minorität gegen Juncker blieb am Ende als einziger Mitstreiter der ungarische Kollege Viktor Orban übrig. Und das reichte bei weitem nicht, um Juncker zu verhindern.
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Cameron war in Brüssel auf Krawall gebürstet – wenn schon Niederlage, dann mit fliegenden Fahnen. „Es gibt Zeiten, da muss man zu seinen Prinzipien stehen, selbst wenn es schweren Gegenwind gibt“, verkündete Cameron. Juncker, der ewige Vertreter verstärkter europäischer Integration, sei schlicht „nicht die richtige Figur, um diese Organisation voran zu bringen“. So blieb es aber beim erwarteten Resultat: 26 für Juncker, einer, Orban, dagegen, einer, Cameron, total dagegen.
Beratungen über Ashtons Nachfolge
„Jetzt blicken wir nach vorne“, erklärte Merkel nach dem Gipfel-Gerangel. Am 16. Juli soll der Luxemburger Christdemokrat vom neuen Europa-Parlament als Nachfolger des Portugiesen Jose Manuel Barroso zum Kommissionspräsidenten gewählt werden. Noch am selben Abend soll ein Gipfel über weitere Top-Posten beraten – beispielsweise über die Nachfolge für die scheidende EU-„Außenministerin“ Catherine Ashton.
Hat Camerons Alles-oder-Nichts-Kurs den Austritt Großbritanniens aus der EU wahrscheinlicher gemacht? „Ich hoffe, nicht“, sagt Helle Thorning-Schmidt, die sozialdemokratische dänische Ministerpräsidentin, die als nächste Präsidentin des Europäischen Rates gehandelt wird. „Ich hoffe, das Vereinigte Königreich kommt ins Spiel zurück.“ Auch über die vor allem von Italien geforderte flexiblere Anwendung des Euro-Stabilitätsregimes gab es Zoff. Ergebnis: Der Stabilitätspakt wird nicht angetastet, er erlaubt genügend Flexibilität im Einzelfall.
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Anders als im Fall Juncker spielten beim Thema Russland alle mit. Nachdem der ukrainische Präsident Petro Poroschenko die EU-Oberen über die prekäre Lage in seinem Land unterrichtet hatte, signalisierte der Gipfel der Regierung in Moskau Härte, wenn sie bis Montag nicht energischer zur Entspannung der Lage in der Ostukraine beiträgt.
Mahnung an Putin
Erwartet werden die Rückgabe der von den pro-russischen Separatisten kontrollierten Grenzposten, die Freilassung aller OSZE-Beobachter, die Aufnahme von Verhandlungen über Präsident Poroschenkos Friedenplan sowie wirksame Kontrollen der Einhaltung des Waffenstillstands. Russland ist der Adressat dieser Vorgaben. Präsident Wladimir Putin müsse seinen Einfluss auf die Separatisten und deren Bewaffnung geltend machen, hieß es. Andernfalls werde die Europäische Union kommende Woche schärfere Sanktionen beschließen.